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Korruptionsskandal ließ Fass überlaufen

Nach einer monatelangen Regierungskrise hat sich das Parlament des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien aufgelöst und damit den Weg für eine vorzeitige Wahl frei gemacht. 137 Abgeordnete im Sabor mit 151 Sitzen stimmten am Montag in Zagreb dafür.

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Die Neuwahl des Parlaments soll Anfang September stattfinden. Zuvor hatte die christlich-konservative große Regierungspartei HDZ den parteilosen Ministerpräsidenten Tihomir Oreskovic und damit das gesamte Kabinett gestürzt. Es war nicht einmal fünf Monate im Amt. Das Parlament in Zagreb hatte Oreskovic am Donnerstag letzter Woche das Vertrauen entzogen und mit großer Mehrheit für den Misstrauensantrag gestimmt.

Dubiose Geschäfte von Frau des Vizepremiers

Das Votum hatte die wichtigste Koalitionspartei, die rechtsgerichtete HDZ, vergangene Woche beantragt. Einen Tag vor der Abstimmung trat deren Vorsitzender Tomislav Karamarko von seinem Posten als Vizeregierungschef zurück. Er begründete das mit dem „Nichtfunktionieren der Regierung“. Allerdings steht Karamarko auch wegen einer Korruptionsaffäre unter Druck. Oreskovic hatte seinen Vize deswegen zum Rücktritt aufgefordert.

Konkret geht es in der Affäre um ein Geschäft von Karamarkos Frau. Sie hatte Medienberichten zufolge von einem Lobbyisten des mit Kroatien im Streit liegenden ungarischen Mineralölkonzerns MOL ein großzügiges Beraterhonorar erhalten.

Von Beginn an auf wackligen Beinen

Die gestürzte kroatische Regierung war von Anfang an auf wackligen Füßen gestanden: Die Parlamentswahl im November 2015 hatte keinen klaren Sieger erbracht. Erst nach wochenlangen Verhandlungen konnten sich die HDZ und die kleine Partei Most im Jänner auf eine Koalitionsregierung mit dem parteilosen Oreskovic an der Spitze einigen. Interne Querelen machten das Regieren jedoch von Anfang an schwierig.

Kritiker warfen der nationalistisch geprägten Regierung vor, im jüngsten EU-Land Kroatien zu einem Klima der Intoleranz und einem zunehmenden Nationalismus beizutragen. Politik und Gesellschaft sind zwischen Linken und Rechten tief gespalten. Da beide Lager annähernd gleich groß sind, dürfte eine Regierungsbildung auch nach Neuwahlen schwierig bleiben.

Proteste gegen rückschrittliche Politik

Zuletzt hatte es auch schwere Proteste der Bevölkerung gegen eine verschleppte Bildungsreform gegeben. Allein in der Hauptstadt Zagreb gingen Anfang Juni 25.000 Menschen auf die Straße. Kritisiert wird das Bestreben der Regierung, traditionelle Werte hochzuhalten: Kirche, Vaterlandsliebe, Vater-Mutter-Kind-Familie, die Verteufelung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Treibende Kraft dahinter ist die christlich-konservative große Regierungspartei HDZ. Diese war als „Patriotische Koalition“ mit einigen Kleinparteien im Schlepptau in die Wahl gegangen - unter ihnen auch die ultrakonservative Gruppierung Hrast.

Diese wiederum gilt innerhalb des Bündnisses als Triebfeder für die konservative Wende. Kommentatoren sehen Tendenzen, dem Beispiel Polen in Sachen konservativer Gesellschaftspolitik folgen zu wollen. Eine der Galionsfiguren ist Zeljka Markic und ihr von der Kirche unterstützter Verein „Im Namen der Familie“. Tausende nahmen am 21. Mai in Zagreb an einem „Marsch für das Leben“ teil, mit dem jede Abtreibung verboten werden soll. Prominenteste Mitstreiterin: die Frau des Regierungschefs, Sanja Oreskovic.

Kirche mischt mit

Überhaupt mischt die Kirche stark in Kroatiens Politik mit. So wurde schon vor drei Jahren gemeinsam mit den Konservativen ein Referendum durchgesetzt, mit dem die christliche Eheform als Regel in die Verfassung aufgenommen wurde. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Zelimir Puljic, verlangte dann sogar ein zweites Referendum, das den Faschistengruß aus dem Zweiten Weltkrieg, „Fürs Vaterland bereit“, innerhalb der Armee wiedereinführen sollte.

Auch bei der heiklen Regierungsbildung soll die Kirche mitgemischt haben, die neue Reformpartei Most verhandelte auch mit den Sozialdemokraten (SDP), entschied sich dann aber für die Konservativen. Der Bischof Vlado Kosic aus der Stadt Sisak wetterte während der Verhandlungen gegen die SDP, der strenggläubige Most-Parteichef Bozo Petrov schwenkte dann um.

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