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13 Verletzte, sieben Festnahmen

Rund um eine Kundgebung von Rechtsextremen ist es Samstagnachmittag in Wien zu schweren Ausschreitungen gekommen, bei denen insgesamt 13 Personen verletzt wurden. Ein Großaufgebot der Polizei hatte ein Aufeinandertreffen der Rechtsextremen und der linken Gegendemonstranten zu verhindern versucht - dabei kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

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An der Demonstration, zu der die rechtsextremen Identitären aufgerufen hatten, nahmen zeitweise bis zu 1.000 Personen teil, meldete die Landespolizeidirektion (LPD) Wien, etwa gleich viele Menschen hätten sich an den Gegenkundgebungen beteiligt. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit circa 1.000 Beamten im Einsatz.

Unter den 13 Verletzten sind vier Polizisten und ein Teilnehmer der rechtsextremen Kundgebung, der von einem Stein am Kopf getroffen wurde und eine Platzwunde erlitt. Sieben Gegendemonstranten wurden festgenommen, ein Teilnehmer der rechtsextremen Kundgebung wurde nach dem Verbotsgesetz angezeigt.

Beamte „mehrfach tätlich attackiert“

Besonders brisant war die Lage am Neubaugürtel, wo es laut Polizeisprecher Thomas Keiblinger zu „massiver Gewalt“ kam. „Dort kamen Teilnehmer der Gegendemonstration nahe an den Demonstrationszug der Identitären heran. Dieser wurde mit Gegenständen unterschiedlichster Art - Steinen, Flaschen, Eisenstangen und anderen Gegenständen – beworfen“, hieß es seitens der Polizei.

Einschreitende Beamte seien selbst von Teilnehmern der Gegendemonstrationen „mehrfach tätlich attackiert“ worden. „Die Polizisten mussten mehrere Male von ihren Pfeffersprays Gebrauch machen, um sich gegen diese Übergriffe zu verteidigen“, hieß es. Auf Twitter präsentierte die LPD einen Stein, von dem ein Polizist getroffen wurde.

Die Polizei sah ihren Einsatz als Erfolg: Das Einsatzziel, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu schützen sowie das direkte Aufeinandertreffen verschiedener politischer Gruppen zu unterbinden, konnte erreicht werden. „Wenn eine Versammlung angemeldet wurde, ist die Polizei verpflichtet, den ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten“, so die LPD Wien in einer Aussendung.

Demonstration in Wien

APA/Hans Punz

Pfeffersprayeinsatz in der Nähe des Wiener Westbahnhofs

Grüne: „Viele offene Fragen“ nach Polizeieinsatz

Sowohl die Darstellung der Polizei als auch das Vorgehen der Beamten sorgten unterdessen für Kritik. Das betraf vor allem den Einsatz von Pfefferspray am Neubaugürtel, der laut Polizei eine Reaktion auf die Angriffe von Gegendemonstranten war. Die Tageszeitung „Die Presse“ konnte das dort nach eigenen Angaben „nicht beobachten“. Auch etliche Videoaufnahmen zeigten nichts davon, so das Blatt.

Endgültig eskaliert sei die Lage in der Nähe des Wiener Westbahnhofs, schrieb die „Presse“: Teilnehmer der rechtsextremen Demo hätten mit Fahnenstangen in Richtung Gegendemonstranten geschlagen, die ihrerseits Wasser- und Farbbeutel geworfen hätten. Schließlich sei es zu einer „Kartoffelschlacht zwischen den Gruppen“ gekommen. Die Polizei habe auch Pfefferspray gegen Teilnehmer der rechtsextremen Demo eingesetzt, als diese versucht hätten, eine Polizeilinie zu durchbrechen.

Demonstration in Wien

APA/Hans Punz

Die Beamten gingen mit Pfefferspray gegen die Gegendemonstranten vor

Die Grünen stellten der Polizei ein schlechtes Zeugnis aus. Sowohl die Einsatzleitung als auch die Beamten auf der Straße hätten „überfordert und chaotisch“ agiert, kritisierte die Sozial- und Sicherheitssprecherin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, in einer Aussendung. Es gebe „viele offene Fragen“, die der Polizeipräsident in den nächsten Tagen zu klären habe.

Die Wiener Polizei reagierte am Sonntag auf die Vorwürfe. Der Sachverhalt sei angesichts der oft nur wenige Sekunden dauernden Videos schwer zu überprüfen, hieß es auf APA-Anfrage. Beispielsweise könnte der Einsatz nämlich auch dann gerechtfertigt sein, wenn es darum gehe, passiven Widerstand gegen das Vorrücken der Einsatzkräfte zu überwinden. Man werde den Einsatz des Pfeffersprays aber auf jeden Fall anhand der Waffengebrauchsmeldungen der Beamten prüfen: „Wenn es eine Übertretung gegeben haben sollte oder einen nicht sachgemäßen Waffengebrauch, werden wir uns das anschauen.“

Demo vorzeitig beendet

Die Rechtsextremen brachen ihren Demozug, der ursprünglich bis zum Schloss Schönbrunn führen hätte sollen, aufgrund der Blockaden schließlich frühzeitig ab. Gegen 16.00 Uhr hielten sie vor dem Westbahnhof eine vorzeitige Abschlusskundgebung ab, eine halbe Stunde später hatte sich die Versammlung aufgelöst.

Sobotka verurteilt Ausschreitungen

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verurteilte die Ausschreitungen aufs Schärfste. „Unter dem Deckmantel der Demonstrationsfreiheit Gewalt gegenüber Mitmenschen anzuwenden, das ist definitiv in keinster Weise zu tolerieren, im Gegenteil: Es ist zu verurteilen“, so Sobotka in einer Aussendung.

„Besonders schwerwiegend“ zu verurteilen seien die Attacken auf mehrere Beamte. Das Vorgehen der Polizisten verteidigte Sobotka: Sie hätten „mit vollstem Einsatz Ausschreitungen dieses Ausmaßes schnell unter Kontrolle gebracht“. FPÖ-Wien-Landesparteisekretär Toni Mahdalik forderte die „linken Stiefeltruppen“ dagegen auf, „auf ein paar Spritzer Pfefferspray nicht memmenhaft zu reagieren“. Der Einsatz gegen „linksradikale Gewalttäter“ sei völlig in Ordnung. Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel lehnte „reflexartige Polizeibeschimpfungen“ ab.

Falsche Gerüchte um Demonstranten im Koma

Der rechtsextreme Aufmarsch in Wien hat sich am Samstag noch bis in die Nachtstunden gezogen. Wie die Polizei auf APA-Anfrage bestätigte, gab es ab 22.30 Uhr in der Josefstadt eine nicht angekündigte Demonstration, an der etwa 150 Rechtsextreme beteiligt waren. Grund dafür waren unter anderem falsche Gerüchte über einen im Koma liegenden Demoteilnehmer.

Die Versammlung habe sich aber relativ rasch aufgelöst. Anlass waren demnach unter anderem falsche Gerüchte über einen im Koma liegenden Rechtsextremen, die auch über den Twitter-Account der rechtsextremen Identitären und über den FPÖ-nahen Blog unzensuriert.at verbreitet wurden. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verbreitete die Meldung via Facebook.

Verletzter im AKH operiert

Tatsächlich wurde der betreffende Mann mit einer Kopfverletzung im AKH behandelt, er musste operiert werden. Die Operation sei gut verlaufen, derzeit bestehe keine Lebensgefahr, hieß es beim Wiener Krankenanstaltenverbund. Im Koma war der Mann demnach allerdings nicht, sondern auch nach der Operation ansprechbar. „Einen Komapatienten gab es nicht“, sagte die Wiener Berufsrettung - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Das UKH Meidling, wo der Mann nach den ursprünglich verbreiteten Gerüchten notoperiert worden sein sollte, hat keine bei der Demonstration verletzten Patienten aufgenommen: „Es gibt niemanden, der mit einer schweren Verletzung in das UKH Meidling gekommen ist“, sagte ein Sprecher des Spitalsbetreibers AUVA der APA.

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