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AfD-Chefin entschuldigt sich

Mit der Beleidigung des deutschen Nationalspielers Jerome Boateng dürfte der Vizechef der rechtspopulistischen AfD in Deutschland, Alexander Gauland, einen Schritt zu weit gegangen sein. „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, hieß es in dem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“).

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Die Empörung ist so groß, dass selbst AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry sich bei Boateng entschuldigte und auf Erinnerungslücken ihres Stellvertreters verwies: „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist.“ Ko-AfD-Chef Jörg Meuthen stellte sich hinter Gauland. Er sei „komplett falsch verstanden worden und hat das inzwischen richtiggestellt“, sagte er gegenüber dem „Handelsblatt“ (Montag-Ausgabe). „Damit sollte die Sache erledigt sein.“

AfD-Vize Alexander Gauland

APA/AFP/John Macdougall

AfD-Vizechef Gauland beleidigte den deutschen Nationalspieler Boateng

Der rheinland-pfälzische Landesparteichef Uwe Junge kritisierte Gauland nicht direkt, erklärte aber zu Boateng: „Idole wie er sind wichtige Wegbereiter für die Akzeptanz von integrierten Einwanderern.“ Boateng wurde in Berlin geboren und ist der Sohn einer deutschen Mutter und einer ghanaischen Vaters.

„Habe Boateng nie beleidigt“

Gauland selbst bestritt am Sonntag, diese Äußerung überhaupt getätigt zu haben. Er habe in einem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Menschen beschrieben, „aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert“: „Ich habe nie, wie die ‚FAS‘ insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten.“ Boatengs Name könnte aber gefallen sein, so Gauland Sonntagabend in der ARD-Tagesschau - möglicherweise aber seitens der Journalisten: „Denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus.“

Die „FAS“ wies das aber vehement zurück. Sie bestand auf ihrer Darstellung. Die Aussage Gaulands stamme aus einem Gespräch mit zwei Berliner Korrespondenten der Zeitung vom Mittwoch vergangener Woche: „Beide Kollegen haben die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmen überein.“ Gauland habe lediglich den Teil des Gesprächs, in dem er sich über AfD-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund eingestuft, aus dem nicht zitiert werden sollte.

AfD „deutschfeindlich“

Politiker der anderen Parteien genauso wie Fußballfunktionäre reagierten empört auf die Aussagen Gaulands. Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte über Twitter: „Einfach nur niveaulos und inakzeptabel. Wer so redet, entlarvt sich selbst - und das nicht nur als schlechter Nachbar.“ CDU-Vize Julia Klöckner twitterte: „Lieber Boateng als Gauland als Nachbarn. Typisches Muster AfD: beleidigen, provozieren - später dann relativieren.“

Für SPD-Chef Sigmar Gabriel agiert die AfD „deutschfeindlich“, nicht fremdenfeindlich. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, stellte fest: „Gauland und AfD sind nicht in Deutschland angekommen.“ CDU-Vize Armin Laschet meinte, Gauland gehe es „um Rassismus pur“. Linken-Chef Bernd Riexinger befand: „Gauland ist ein ganz übler Rassist!“

Merkel empfindet Zitat als „niederträchtig“

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Äußerung Gaulands scharf. „Der Satz, der da gefallen ist, ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin auf die Frage eines Journalisten, wie Merkel den Bericht über Gauland in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ bewerte.

Seibert sagte: „Jerome Boateng hat es selbst auf den Punkt gebracht, als er gesagt hat: Traurig, dass so etwas heute noch vorkommt.“ Die Fußballnationalmannschaft habe „wunderbar“ reagiert mit einem Video unter dem Titel „Wir sind Vielfalt.“

„Sei unser Nachbar“

„Einfach geschmacklos“ sei es, die Popularität Boatengs und der deutschen Nationalmannschaft „für politische Parolen zu missbrauchen“, kritisierte auch der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel. Der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff stellte in der „FAS“ fest: „Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine.“

Transparent mit der Aufschrift "Jerome sei unser Nachbar"

Reuters/Michael Dalder

Boateng selbst sei jedenfalls entspannt. „Das belastet ihn jetzt nicht. Aber es ist natürlich jetzt unschön, weil er natürlich in eine Diskussion kommt, in die er gar nicht kommen bräuchte“, so Bierhoff. Boateng kann „nur drüber lächeln“. „Ist traurig, dass so etwas heute noch vorkommt“, sagte er nach dem EM-Testspiel Deutschland gegen Slowakei. Zahlreiche Fans unterstützten Boateng jedenfalls bei dem Länderspiel am Sonntagabend in Augsburg mit Plakaten mit der Aufschrift „Jerome sei unser Nachbar!“

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