Allianzen organisieren sich neu
Überkapazitäten, Verdrängungswettbewerb, Preisverfall, hohe Verluste - die Krise der Schifffahrt ist zum Dauerzustand geworden. Nun müssen sich die großen Allianzen in der Branche neu organisieren. Deswegen herrscht in der internationalen Schifffahrt derzeit große Unruhe. Nach acht Jahren Krise werden mit einiger Verzögerung die Folgen sichtbar.
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Marktführer Maersk streicht rund 4.000 Stellen. Die beiden chinesischen Staatsreedereien Cosco und China Shipping verschmelzen zu einem Unternehmen. Die französische Reederei CMA CGM, der drittgrößte Schifffahrtskonzern, übernimmt den Konkurrenten APL in Singapur. Und die koreanischen Reedereien Hyundai Merchant Marine (HMM) und Hanjin kämpfen mit finanziellen Problemen, die ebenfalls in eine Fusion münden könnten.
„Ein unglaubliches Phänomen“
Für Experten ist allenfalls überraschend, dass die Probleme erst jetzt so massiv einsetzen. „Das ist ein unglaubliches Phänomen“, sagte Klaus-Michael Kühne, Logistikunternehmer und Großaktionär bei Hapag-Lloyd, vor Kurzem der „Welt“. „Große Pleiten hat es bislang auch deshalb nicht gegeben, weil etliche Reedereien von ihrem Staat gestützt werden.“ Rational sei das alles nicht, es herrsche viel Unvernunft, sagte Kühne. Er habe den Glauben daran verloren, dass rasch wieder Vernunft einkehren werde.
Die Unruhe in der Branche verstärkt sich, weil nun auch die Allianzen in der Schifffahrt neu geordnet werden müssen - und damit die Machtverhältnisse. Die meisten Verbraucher kennen das aus der Luftfahrt: Große Airlines kooperieren bei Flugplänen, Buchungssystemen oder Vielfliegerprogrammen, bleiben aber eigenständig. Die Lufthansa zum Beispiel ist Mitglied der Star Alliance, gemeinsam mit 27 anderen Fluggesellschaften.
Vier große Allianzen
So ähnlich läuft es auch in der Schifffahrt, wo vier große Allianzen die Ost-West-Verkehre zwischen Asien, Europa und Amerika praktisch unter sich aufgeteilt haben. Die meisten Schiffe dirigiert bisher die Allianz 2M, die nur aus Maersk und MSC besteht, den beiden größten Containerreedereien der Welt. Gegen 2M sammelt nun die Nummer drei auf der Welt ihre Truppen. CMA CGM will die Neuerwerbung APL einbringen und wirbt um die fusionierte China-Reederei aus Cosco und China Shipping. Dazu soll noch Evergreen kommen, die Nummer vier auf der Welt. Die neue Allianz wäre dann neben 2M das zweite Schwergewicht auf dem Weltmarkt.
Die deutsche Reederei Hapag-Lloyd gehört bisher der Allianz G6 an, die aber absehbar mindestens zwei von sechs Mitgliedern verlieren wird. Konzernchef Rolf Habben Jansen hofft, schon bei der Präsentation der nächsten Quartalszahlen im Mai etwas mehr Klarheit über die Zukunft zu haben, doch sicher ist das nicht. Hapag-Lloyd ist jedenfalls nicht bange. „Mit unserer modernen Flotte und unserer starken Marktposition auf dem Atlantik sind wir für jede Allianz ein attraktiver Partner“, so ein Unternehmenssprecher.
Allianzen haben Einfluss auf Häfen
Die Allianzen sind kartellrechtlich abgesichert und dürfen nicht ihre Kapazitäten oder gar Preise absprechen. Die niedrigen Frachtraten können seit Jahren als Beleg dienen, dass der Wettbewerb unter den Reedereien nicht nur nicht funktioniert, sondern sogar ruinöse Züge annimmt. „Für die Häfen sieht das allerdings anders aus“, so Ulrich Malchow, Professor für Maritime Economics an der Hochschule Bremen. „Sie stehen einem Nachfrage-Oligopol gegenüber, das allein bestimmen kann, welche Schiffe die Häfen und Terminals in welcher Frequenz ansteuern.“ Damit haben die Allianzen großen Einfluss auf das Ladungsaufkommen der Häfen.
Malchow rechnet allerdings nicht damit, dass sich durch die Neuordnung der Allianzen am Ende viel ändert. „Die Zahl der Schiffe wird sich dadurch nicht reduzieren, und die Entscheider bleiben auch die gleichen.“ Damit ist absehbar, dass auch die Probleme der Schifffahrt die gleichen bleiben. Allein die Reedereien, die sich jetzt neu zusammenfinden, haben noch Dutzende von riesigen Containerschiffen mit 18.000 Containern und mehr in Auftrag gegeben. Die Überkapazitäten werden die Schifffahrt in den kommenden Jahren weiter als Hauptproblem begleiten.
Eckart Gienke, dpa
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