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Deutliche Worte bei erstem Auftritt

Das „Schauspiel der Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“ in der Politik müsse beendet werden: Mit einer harten Abrechnung mit der derzeitigen Politik hat sich der designierte SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern am Dienstag nach seiner Bestätigung in den SPÖ-Gremien den Medien gestellt. Als erklärtes Ziel gab er an, die schlechte Stimmung im Land zu drehen und Hoffnung zu nähren - und nicht die Sorgen und Ängste.

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Er sei ein „frischgebackener“ Politiker, sagte Kern am Dienstag. Dauernd sei er gefragt worden, wieso er sich diesen Job antue. Ihm sei es genauso gegangen wie den meisten Österreichern. Er habe „die Rituale, diese Sprache und die Inhaltslosigkeit“ sattgehabt. Wörtlich sagte er, das „Schauspiel der Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“ dürfe nicht weitergehen - und übte damit scharfe Kritik auch an der eigenen Partei. Kern war kurz davor im Präsidium einstimmig und im Parteivorstand mit einer Gegenstimme zum neuen SPÖ-Parteichef designiert worden.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl und der designierte SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern

Reuters/Heinz-Peter Bader

Häupl und Kern bei der Pressekonferenz

Düstere Ist-Analyse

Das Bild, das Kern von der Situation in Österreich zeichnete, ist düster: Die Arbeitslosenrate sei nicht akzeptabel, Unternehmen hätten das Vertrauen in den Standort verloren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden unter Reallohnverlusten leiden. Es gebe im Land Abstiegsängste. Genau diese Stimmung gelte es zu drehen. Kern strich den Willen zur Zusammenarbeit mit der ÖVP hervor: „Wir werden unsere Hand ausstrecken insbesondere gegenüber unserem Koalitionspartner“, kündigte er in einer Pressekonferenz nach dem Parteivorstand an.

Statement von Michael Häupl und Christian Kern

Der designierte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) will allen Parteien die Hand zur Zusammenarbeit ausstrecken, Österreich bis 2025 wieder auf die Überholspur und die SPÖ auf die Höhe der Zeit bringen.

Langfristiger Plan für 2025

Kern betonte, er sehe keinen Sinn darin, dem anderen keinen Millimeter Erfolg zu gönnen. Mit diesem neuen Stil hofft er, gemeinsam mit der Volkspartei einen guten Start hinzulegen. Sein „Plan für Österreich“ sieht abseits der üblichen Kurzatmigkeit vor, das Land bis 2025 wieder auf die Überholspur zu bringen. Österreich habe ja jede Voraussetzung, wieder zu einem Vorzeigestaat in Europa zu werden.

Er habe nach ersten Gesprächen mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) einen sehr, sehr guten Eindruck, auch was eine neue Form der Zusammenarbeit angehe. Für den designierten Kanzler ist diese auch unausweichlich: „Sonst verschwinden die Großparteien von der Bildfläche - und wahrscheinlich zu Recht.“ Einen Schwerpunkt will Kern bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Verbindung mit einer Ankurbelung der Wirtschaft über einen „New Deal“ setzen. Dabei wird der künftige Kanzler auch versuchen, wieder mehr Optimismus aufkommen zu lassen. Denn die größte Wachstumsbremse sei die schlechte Laune.

Pressekonferenz mit Christian Kern

Der designierte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) beantwortet Fragen der Presse.

SPÖ will kampffähig werden

Als SPÖ-Chef will er jedenfalls die „Fenster öffnen“ und frische Luft in die Sozialdemokratie wehen lassen, damit diese wieder auf die Höhe der Zeit komme. Am meisten Kraft habe die SPÖ immer gehabt, wenn sie für Demokratisierung und Modernisierung gestanden sei.

Die Vorstellung Kerns hatte Wiens Bürgermeister Michael Häupl übernommen, der des neuen Kanzlers Personal als „großartig“ bewertete. Er will Kern an der Parteispitze noch bis zum Parteitag am 25. Juni begleiten. Der zweite in diesem Jahr geplante Parteitag im November soll sich dann der Programmatik, der Organisationsreform und der Frage widmen, wie die Partei wieder „kampffähig“ gemacht werden könne.

Keine Zusammenarbeit mit „Hetzern“

Angesprochen auf das Verhältnis zur FPÖ meinte Kern: „Diese Antwort ist denkbar einfach. Wir wollen stärkste Kraft in diesem Land bleiben. Wenn uns das gelingt, werden wir zu definieren haben, mit wem wir zusammenarbeiten.“ Kern verwies auf die Vorschläge des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaisers für einen Kriterienkatalog. Ein Kriterium sei: „Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Minderheiten hetzen.“ Solche Grundsätze „müssen immer vor dem nackten Machterhalt gehen. Unser Ziel muss sein, akzentuiertere Politik zu machen“ - und trotzdem „hie und da Kompromisse einzugehen“.

Der künftige SPÖ-Vorsitzende verwies auch darauf, dass die Abgrenzung zur FPÖ ja schon heute nicht in allen SPÖ-Teilorganisationen gelebt wird. Der entsprechende Parteitagsbeschluss werde nicht überall eingehalten, sagte er mit Blick auf Koalitionen etwa im Burgenland, aber auch auf niedrigerer Ebene.

Kern sieht keinen SPÖ-Spagat bei Flüchtlingsfrage

In der Flüchtlingsthematik verwies Kern auf die in der Regierung bestehenden Beschlüsse. Es gelte, der Problematik mit Menschlichkeit und Humanität zu begegnen und gleichzeitig das Bedürfnis der Bevölkerung nach subjektiver Sicherheit ernst zu nehmen. Wichtig sei nun vor allem, den Fokus auf Integrationsmaßnahmen zu legen.

Die SPÖ sieht er in der Flüchtlingsfrage nicht so weit auseinander, wie so mancher Beobachter. In Wahrheit würden die Positionen innerhalb der Partei sehr nahe beieinander liegen, meinte er. Denn es bestehe das Prinzip, „für Menschenrechte zu stehen, aber auch Ordnung und Sicherheit zu beachten“.

Für seine Absicht, möglichst breite Ansichten innerhalb der Partei im Regierungsteam abzubilden, steht auch der Verbleib von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Dieser sei „ein wichtiger Repräsentant einer gewissen Haltung in der SPÖ“, sagte Kern.

Breite statt Mitte

Gefragt, ob er mit dem Umbau im SPÖ-Regierungsteam nun sein Wunschteam am Start stehe, sagte Kern, es sei seine Aufgabe gewesen, die gesamte Breite der Gesellschaft abzudecken. Er wolle die SPÖ „nicht in die Mitte, sondern in die Breite“ führen. Es selbst nehme es für sich in Anspruch, für die Wirtschaft zu stehen, aber auch die Bereiche Kunst und Kultur, Migration sowie Wissenschaft und Forschung gelte es abzudecken.

Der künftige Kanzleramtsminister Thomas Drozda sei „einer der renommiertesten Kulturmanager“, betonte Kern. Und dass mit der neuen Staatssekretärin Muna Duzdar erstmals eine Frau mit migrantischem Hintergrund in der Regierung sei, sei ein „ganz bewusstes und wichtiges Zeichen“. Verkehrsminister Jörg Leichtfried kenne er schon aus dessen Arbeit aus dem EU-Parlament. Besonders freue ihn, dass es mit Sonja Hammerschmid gelungen sei, die erste weibliche Vorsitzende der Rektorenkonferenz für das Amt der Bildungsministerin zu gewinnen.

„Ich wähle Van der Bellen“

Dass es im Vorfeld einige mediale Absagen für ein Ministeramt gegeben hatte, nahm Kern mit Amüsement zur Kenntnis: „Das hat mich ein bisschen überrascht, weil etliche, die abgesagt haben, habe ich nie gefragt.“

Eine klare Ansage machte Kern für die Bundespräsidentschaftswahl am kommenden Sonntag: „Ich wähle Alexander Van der Bellen.“ Ob das auch eine Wahlempfehlung der SPÖ ist, ließ er Häupl beantworten. Dieser sagte, die SPÖ gebe keinen Wahlempfehlung ab, aber es sei jedem klar, dass der Großteil der Sozialdemokratie FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer nicht wählen werde. Und: „Ich wähle Van der Bellen“, so der Bürgermeister.

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