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„Die Mehrheit ist zu wenig“

Auch für viele Parteikollegen überraschend hat Werner Faymann Montagmittag seine Ämter als SPÖ-Chef und Bundeskanzler zurückgelegt. In seiner kurzen Rede dankte er seinen Wegbegleitern und Unterstützern und verwies auf seine Leistungen der vergangenen Jahre. Ihm habe der Rückhalt in der Partei gefehlt, so Faymann über den Grund für den Rücktritt.

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Österreich stehe weiterhin vor großen Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, sozialem Zusammenhalt und der Flüchtlingskrise. Dafür brauche man einen starken Rückhalt, sagte Faymann in seiner Rede. „Die Frage war daher: Habe ich dafür die volle Rückendeckung, einen starken Rückhalt in der Partei? Das muss ich mit Nein beantworten. Die Mehrheit ist zu wenig, trotzdem bedanke ich mich bei allen Mitstreitern, die in diesen Tagen zu mir gestanden sind“, so der scheidende Kanzler.

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Faymann gibt Rücktritt bekannt

„Ich lege meine Funktionen als Bundeskanzler und SPÖ-Chef zurück“, so Faymann in der Pressekonferenz Montagmittag.

„Ich ziehe aus diesem geringen Rückhalt die Konsequenzen und lege meine Funktionen als Bundesparteiobmann und Bundeskanzler zurück“, so Faymann weiter. Er habe vorher nur mit wenigen Menschen über seine Entscheidung gesprochen, aber bereits Bundespräsident Heinz Fischer und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) persönlich über seinen Rücktritt informiert. Er werde auch noch mit anderen Wegbegleitern und Parteikollegen persönlich reden, kündigte Faymann an.

Faymann mit Erreichtem zufrieden

Der scheidende Regierungschef zeigte sich mit den Errungenschaften unter seiner Kanzlerschaft zufrieden. „Wer nach siebeneinhalb Jahren über diese Zeit nachdenkt - ich habe viel nachgedacht -, darf Ihnen sagen, dass ich stolz bin auf dieses Land.“ „Wenn man die Ehre hat, siebeneinhalb Jahre Bundeskanzler zu sein für die Republik Österreich, sagt man ‚Dankeschön‘ - das sage ich aus tiefster Überzeugung“, fügte er hinzu.

Die Rücktrittsrede in voller Länge

Die Regierung benötige einen Neustart und einen Kanzler, hinter dem die gesamte Partei stehe, sagte Faymann - und bedankte sich in seiner Rede bei Freunden und Wegbeleitern.

Er sei etwa stolz, „dass Österreich die Wirtschaftskrise so überstanden hat, dass jeder sagt: ‚Wie habt ihr das geschafft ohne Sparprogramm?‘“, so Faymann. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei eine ganz große Herausforderung gewesen - „und die haben wir nur bewältigt mit der Stärke und der Kraft, die dieses Land auszeichnet“.

Der scheidende SPÖ-Chef verwies auch auf die Errungenschaften seiner Regierung in Sachen Budget: So habe man in Österreich ein strukturelles Defizit erreicht ohne tiefere soziale Einschnitte. Weiters verwies er auf die zwei Steuerreformen unter seiner Kanzlerschaft. Auch blickte er auf die Nationalratswahlen unter seiner Parteiführung zurück. „Ich habe selbst zweimal das Vertrauen der Bevölkerung bekommen bei Nationalratswahlen. Ich bin für dieses Vertrauen unendlich dankbar.“

Flüchtlingsbewegung „große Herausforderung“

Faymann verwies auch auf die „große Herausforderung“ der Flüchtlingsbewegung, die im vergangenen Jahr eingesetzt hatte. Diese habe man in enger Abstimmung mit Deutschland und Schweden gemeistert, Hunderttausende Flüchtlinge seien durch Österreich gezogen. „Es sind 95 Prozent weitergezogen“, sagte Faymann, der aber auf die zunehmende Sorge verwies, was Österreich zu leisten in der Lage ist. „Österreich hat auch etwas geleistet, Österreich hat mehr als 90.000 Menschen ein Asylrecht gegeben.“

Anfang des Jahres sei aber klar gewesen, dass eine gemeinsame europäische Lösung nicht existiere. Gleichzeitig sei klar gewesen, dass es richtig sei, sich weiterhin politisch für den eingeschlagenen Kurs einzusetzen - „aber es wäre verantwortungslos gewesen, nicht eigene Maßnahmen zu setzen, nicht weil sie besser sind, nicht weil man irgendwo hinschwenkt, sondern weil es die Realität verlangt“. Daher habe die Regierung beschlossen, einen Grenzwert bei den Asylwerbern einzuziehen. „Dazu gab es viel Widerstand, nicht zuletzt auch in meiner eigenen Partei“, so Faymann.

Glückwünsche an Nachfolger

Er wünsche der Regierung und seinem „noch zu bestimmenden Nachfolger" schon jetzt alles erdenklich Gute. „Ich weiß, wie schwierig es ist, an der Spitze einer Regierung zu stehen. Es geht um viel, es geht um Österreich. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diesem Land in dieser Funktion dienen durfte“, sagte Faymann abschließend.

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