Von „Rücktritt“ bis „der Kurs stimmt“
Ein Schlagabtausch der Protest- und Unterstützungsbotschaften gegen bzw. für SPÖ-Chef Werner Faymann ist Sonntagvormittag auf dem Rathausplatz zu sehen gewesen, wo sich die Wiener SPÖ-Sektionen zur traditionellen Maifeier versammelt hatten. Die Palette reichte von Rücktrittsaufforderungen bis hin zur demonstrativen Unterstützung.
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Faymann verteidigte erneut seinen Kurs in der Flüchtlingsfrage in knappen Worten. Außerdem plädierte er angesichts der Flügelkämpfe innerhalb der Roten für einen „gemeinsamen Weg“ für ein „faires, sozial gerechtes Österreich“ sowie für die „Rechte der Arbeiter“.
Man habe im Vorjahr vielen Flüchtlingen geholfen, worauf man auch stolz sei, betonte der Parteivorsitzende. Allerdings habe es in der Folge auch Gesetze und Maßnahmen gebraucht, die „Ordnung und Menschlichkeit“ brächten, bemühte sich Faymann bei den insgesamt rund 80.000 erschienenen Genossen um Verständnis für die kürzlich vorgenommenen Asylgesetzverschärfungen der Regierung.
Pfeifkonzert und Buhrufe
Der diesbezügliche Erfolg hielt sich allerdings in Grenzen. Faymanns rund fünfminütige Rede, in der er gegen Ende „die, die kritisieren und die, die unterstützen“ um einen „gemeinsamen Weg“ bat, wurde durchgehend von einem lauten Pfeifkonzert und Buhrufen sowie hochgehaltenen „Rücktritt“-Taferln begleitet.
Der Moderator der Veranstaltung am Tag der Arbeit sah sich gar genötigt, die Protestaktivisten um Fairness gegenüber dem „Genossen Faymann“ zu bitten. Die Faymann-Kritiker der Partei hatten sich zudem ganz vorne bei der Bühne platziert und hielten zahlreiche Schilder mit der Aufschrift „Rücktritt“ oder „Parteitag jetzt“ in die Höhe - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Durchhalteparolen an SPÖ-Spitzen
Doch gab es auch zahlreiche Schilder, die eine für die Parteispitze tröstliche Botschaft verkündeten: „Werner, der Kurs stimmt“, stand darauf geschrieben. Wenig überraschend hatten auch Faymanns Parteifreunde aus dem 23. Wiener Gemeindebezirk diese Taferln dabei. Und mittendrin: der Vorsitzende selbst, begleitet von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Nationalratspräsidentin Doris Bures.

Sarah Weissengruber
Solidarität für Faymann
„18 Niederlagen sind genug“
Kritische Botschaften hatte wie erwartet die Parteijugend im Gepäck, die Sozialistische Jugend (SJ) thematisierte etwa das Verhältnis Faymanns zur „Kronen Zeitung“. Auch das vom Wiener Landesparteitag bekannte „Team Haltung“ trat auf und verteilte Flyer, auf denen der Rücktritt des Parteivorsitzenden und eine „inhaltliche und personelle Neuaufstellung der Partei“ gefordert wurden.

APA/Hans Punz
Faymann und Häupl kämpften mit viel Gegenwind
„18 Niederlagen sind genug“, „Solidarität statt Zäune“ oder „Anstand statt Notstand“ richtete das rote Parteivolk seinem Chef aus. Die Sektion 8 in Alsergrund teilte auf Transparenten mit: „Sektion-8-Rebellen wählen Van der Bellen.“ Gleich daneben aber wurde die Flagge für Faymann hochgehalten. „Wien für Werner“ hieß die Devise.
„Horch ma zua und plärr’ net umadum“
Weitere Redner waren Wiens Bürgermeister und Landesparteivorsitzender Michael Häupl, ÖGB-Chef Erich Foglar sowie Finanzstadträtin und Wiener SPÖ-Frauenvorsitzende Renate Brauner. Häupl betonte die Notwendigkeit einer inhaltlichen Diskussion statt „vordergründiger Personaldebatten“. Während Häupls Rede verstummten die Protestäußerungen etwas. Einen Zwischenrufer fertigte der Stadtchef mit den Worten „hör mir zu und plärr’ net umadum“ ab.
Proteste gegen Faymann bei Maiaufmarsch
Am Sonntag stieß SPÖ-Chef Werner Faymann bei der Mai-Kundgebung auf dem Wiener Rathausplatz auf eine gespaltene Anhängerschaft. Neben Applaus gab es auch viele Pfiffe während seiner Rede.
Angesichts der Stärke der FPÖ müsse man sich auch die Frage stellen: „Wie halten wir’s denn mit dieser Freiheitlichen Partei?“ Wobei Häupl gleich klarstellte, dass es „unzählige Gründe gibt, keine Regierungszusammenarbeit mit dieser Freiheitlichen Partei zu machen“ - was dem Bürgermeister kräftigen Applaus einbrachte.
Wahlempfehlungen für Van der Bellen
Häupl äußerte zudem eine klare Wahlempfehlung für den grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen. Denn jemand, der „ein gestörtes Verhältnis“ zu Österreich habe, könne nicht gewählt werden: „Das ist mit den Werten der Sozialdemokratie unvereinbar.“
Mit Pfiffen sah sich kurzzeitig auch Foglar konfrontiert. Er hatte jüngst angeregt, über das strikte Nein im Umgang mit den Blauen nachzudenken. Wobei Foglar ebenfalls seine Unterstützung für Van der Bellen kundtat. Zudem zeigte er sich kämpferisch hinsichtlich der Anliegen der Arbeiter, erteilte Kürzungs- und Deckelungsplänen der ÖVP in Sachen Mindestsicherung eine Absage und freute sich über die Anfang 2016 in Kraft getretene Steuerreform.
Brauner für Profilschärfung und Strategiearbeit
Brauner sprach sich angesichts des dramatischen Wahlausgangs am vergangenen Sonntag ebenfalls für Profilschärfung und Strategiearbeit aus. Sie verwies zugleich auf die Wien-Wahl 2015, wo die Roten mit Haltung und gegen Hetze ein gutes Ergebnis erzielt hätten.
Was Gewalt gegen Frauen anbelangt, sagte Brauner: „Wir verurteilen alle Täter - egal wer sie sind und woher sie kommen.“ Denn dieses Thema dürfe nicht missbraucht werden von „rassistischen Hetzern“ und „Heuchlern“, die sich jahrelang über Schutzmaßnahmen und Gesetze für Frauen lustig gemacht hätten und nun die Frauenrechtler mimten.
Faymann denkt nicht an Rückzug
Nach seiner Rede sagte Faymann gegenüber Journalisten, er denke nicht an Rückzug: „Kritik muss man aushalten und ernst nehmen, aber der Kurs ist richtig.“ Die SPÖ sei eine Partei mit großer Breite, so der Kanzler über die Unmutsäußerungen. Meinungsverschiedenheiten gehörten ausdiskutiert: „Wir haben nichts davon, wenn wir das unter den Teppich kehren und das stattdessen in eine Personaldiskussion umwandeln.“
Faymann sprach sich erneut gegen eine Vorverlegung des für November geplanten Parteitags sowie eine Kooperation mit der FPÖ aus. Eine Gremiensitzung wird es dafür am Montag in der Wiener SPÖ geben. Konkret werden Präsidium, Vorstand und Wiener Ausschuss - das größte Gremium der Wiener Roten - tagen. Über mögliche Inhalte gab sich die Partei bedeckt, angesprochen werden aber wohl die Konflikte über die Flüchtlingspolitik. Als Krisensitzung wollte ein Sprecher das Treffen nicht verstanden wissen, der Termin sei vorverlegt worden, „weil es offenbar Gesprächsbedarf gibt“.
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