„Schaufenster für ein modernes Russland“
Sechs Jahre lang haben Tausende Arbeiter den neuen Weltraumbahnhof im Osten Russlands an der chinesischen Grenze gebaut. Am Donnerstag glückte schließlich mit einem Tag Verspätung der erste Raketenstart von dort. Das Kosmodrom gilt als Prestigeprojekt. Mit Wostotschny will Moskau den Beginn einer neuen Ära in der russischen Raumfahrt einläuten.
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Eigentlich sollte dieses „Schaufenster für ein modernes Russland“, wie Regierungschef Dimitri Medwedew das Kosmodrom bezeichnet, bereits Ende vergangenen Jahres eröffnet werden. Aufgrund von Pfusch bei den Bauarbeiten und Streits wegen nicht gezahlter Löhne musste der Beginn aber verschoben werden. Vor einem Jahr noch machten die Arbeiter mit einer Botschaft in riesigen Buchstaben mit einer Nachricht an Russlands Präsident Wladimir Putin auf sich aufmerksam: „Geehrter Putin W.W. Vier Monate ohne Gehalt. Rette die Arbeiter. Wir wollen arbeiten.“

AP/Igor Ageyenko
Putin erklärte das Prestigeprojekt zur Chefsache
Präsident Putin erklärte das Bauprojekt zur Chefsache und kritisierte die Verantwortlichen. Auch wenn dem Projekt Wostotschny Priorität eingeräumt wurde, musste Moskau im Zuge der Wirtschaftskrise das russische Raumfahrtbudget bis 2015 um ein Drittel auf rund 18 Mrd. Euro stutzen. Nicht zuletzt deshalb wurde der für 2030 geplante erste bemannte Mondflug Russlands um mindestens fünf Jahre nach hinten verschoben.
Staatsgelder in Millionenhöhe versickert
Für den Direktor der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Igor Komarow, setzt die neue Raketenbasis jedenfalls bei der Automatisierung und in Technologiefragen neue Maßstäbe. Putin betonte noch vor dem Start, dass die Raumstation auch Basis für eine friedliche Zusammenarbeit mit den USA, Europa und Japan sein solle: „Vielleicht gelingt es uns, dass wir uns über den Kosmos auch auf der Erde besser verstehen.“

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Überschattet wurde das Projekt aber von kriminellen Machenschaften: Heftige Korruptionsvorwürfe wurden laut. Staatsgelder in Millionenhöhe seien laut dem russischen Rechnungshof verschwunden, mehrere Bauleiter wurden wegen des Verdachts auf Unterschlagung verhaftet.
Rakete musste warten
Auf einem früheren Militärgelände im fernen Osten Russlands wurde der neue Weltraumbahnhof auf einem Gebiet von 700 Quadratkilometern gebaut. Der Standort ist günstig. Die Umgebung ist mit guter Infrastruktur - von Schnellstraßen über Eisenbahn bis zu Seehäfen - ausgestattet.

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Die Sojus-2.1-a-Rakete wird noch letzten Tests unterzogen
Ein mobiler Versorgungsturm mit einer Höhe von 52 Metern, der rund um die Raketen geschoben werden kann, soll die Arbeiter vor der Witterung schützen. Hier schwanken die Temperaturen über das Jahr zwischen bis zu minus 50 Grad und rund 40 Grad plus. Schon am Wochenende vor dem Start wurde die Rakete vom Typ Sojus 2.1 a mit drei Satelliten an Bord zum neuen Weltraumbahnhof rund 8.000 Kilometer östlich von Moskau gebracht und aufgestellt.
„Alles läuft planmäßig“, versicherte Komarow zu diesem Zeitpunkt noch. Von hier sollen Kosmonauten zum Mond geschickt werden. Auch ein Flug zum Mars ist geplant. Nach dem nun geglückten Raketenstart ist zunächst einmal wieder Ruhe angesagt. Erst 2017 soll wieder eine Rakete von Wostotschny abheben. Komarow geht davon aus, dass der volle Betrieb des neuen Raumfahrtbahnhofs erst 2018 losgehen wird.
Osten Russlands statt Kasachstan
Mit Wostotschny will sich Moskau von seinem bisherigen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan emanzipieren. Von dort starteten im vergangenen Jahr ein Drittel aller weltweiten Raumflüge. Für dieses seit über 60 Jahren bestehende Kosmodrom zahlt Russland jährlich 100 Millionen Euro Pacht. Baikonur begleitete die Geschichte der russischen Raumfahrt in den vergangenen Jahrzehnten. Von hier startete etwa Juri Gagarin zum ersten Flug eines Menschen im Weltraum. Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der folgenden Unabhängigkeit Kasachstans 1991 lag Baikonur aber im Ausland.
Mit Wostotschny hat sich Russland wieder einen eigenen Zugang ins Weltall geschaffen. Ganz aufgeben will Russland Baikonur aber offenbar nicht. Die Pacht läuft noch bis 2050. „Bemannte Flüge werden wohl bis 2023 nur von Baikonur erfolgen“, sagte Komarow gegenüber der dpa. Zudem sollen Protonraketen weiter aus Kasachstan abfliegen. Für diese sei keine Rampe in Wostotschny geplant, so Komarow. Für Russland ist der Transport von Satelliten und Reisen zur internationalen Raumstation ISS ein lukratives Geschäft, müssen doch US-Astronauten Russland viel zahlen, um zur ISS zu gelangen, da die USA ihr Space-Shuttle-Programm 2011 einstellten.
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