Staatstragend statt angriffslustig
Nach der ersten Runde der Bundespräsidentschaftswahl sind am Mittwochabend im Ö1-„Klartext“ der erstplatzierte Norbert Hofer (FPÖ) und der zweitplatzierte von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen im ersten Stichwahlduell aufeinandergetroffen.
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Es ging um den Lagerwahlkampf, der derzeit da und dort ausgerufen wird, die Bedeutung von „Heimat“, EU und Nationalstaaten, die Flüchtlingskrise, die Kompetenzen des Präsidenten, direkte Demokratie und noch eine ganze Reihe andere Themen mehr. Überraschend: Nicht nur einmal waren sich die beiden Kontrahenten einig.

APA/Roland Schlager
Die Konfrontation stand unter dem Titel „Mission Hofburg: Ein Fall für zwei“
Beim Eröffnungsthema Lagerwahlkampf zeigte sich Hofer vom Begriff „Lager“ nicht begeistert. Bei allen Unterschieden in der Weltanschauung könne man miteinander reden, betonte er. Mit „Na sicher“ beantwortete Van der Bellen die Frage, ob er sich denn schon vom „Schock“ des Wahltages und dem FPÖ-Erfolg erholt habe. Beim Thema Wahlkampagnen und Wahlsujets verwehrte sich Van der Bellen („nein, nein, nein“) dagegen, dass er den Begriff „Heimat“ von den Freiheitlichen „gekapert“ habe. Er habe nicht gekapert, so der frühere grüne Bundesparteivorsitzende, er wolle den Begriff „zurückholen“ und positiv besetzen.
„Nehmen keine Befehle aus Berlin entgegen“
„Heimat“ sei „etwas Einschließendes“, sagte Van der Bellen. Er sei früher Ausländer gewesen, heute sei er „ein perfekter Österreicher“. Den Beweis trat er mit einem Zitat in tiefstem Tirolerisch an. Hofer zeigte sich „froh, wenn der Begriff ‚Heimat‘ verwendet wird“, auch wenn es sein Konkurrent tue. Der freiheitliche Dritte Nationalratspräsident konnte sich allerdings den Seitenhieb auf die Grünen, wonach die mitunter ein Problem damit hätten, nicht verkneifen.
Gespräch mit Stainer-Hämmerle und Adamovich
Ludwig Adamovich, der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), und Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle analysieren die wichtigsten Aussagen Hofers und Van der Bellens in der ZIB2.
Kritik etwa aus Deutschland an seiner Person kommentierte Hofer mit den Worten: „Wir nehmen keine Befehle aus Berlin entgegen.“ Kritik müsse man „aushalten“: Es werde niemand gezwungen, in die Politik zu gehen. Und Van der Bellen sagte: „Ich und Herr Hofer geben den Deutschen ja auch keine Ratschläge, wen sie zu wählen haben.“ Dass allerdings etwa die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) Hofer gratuliert habe, sei eher eine „negative“ Art der Unterstützung.
Keine „Keule“ bei Van der Bellen
Einige Glückwünsche freuten ihn, andere nicht, antwortete Hofer - etwa die der rechtsextremen ungarischen Jobbik. Was aber, wenn Van der Bellen bei der ganzen Kritik in die Situation käme, Hofer und Österreich verteidigen zu müssen, wenn etwa im Ausland die „Nazikeule“ geschwungen werde? Durchaus würde er das tun, sagte Van der Bellen, er werde jedenfalls zu keiner wie immer gearteten „Keule“ greifen.
Erste Diskussion vor Hofburg-Stichwahl
Das erste Stichwahlduell war alles andere als eine Schlammschlacht. Es wurde ein eher freundliches Gespräch, in dem sich die Kandidaten gar nicht so selten auch einig waren.
Angesprochen darauf, dass er Van der Bellen via Medien einen grünen und faschistischen „Diktator“ genannt habe, versuchte Hofer zu relativieren. „Das Härteste“ im Wahlkampf sei wohl gewesen, als ihm aus der SPÖ-Parteizentrale Helmut Qualtingers „Krüppellied“ gewidmet worden sei (Hofer leidet nach einem Sportunfall unter den Folgen einer Verletzung). Der unterlegene SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer entschuldigte sich damals dafür.
Aber: Hintergrund sei gewesen, dass Van der Bellen gesagt habe, er wolle „für Neuwahlen plädieren“ (Zitat Hofer), sollte die FPÖ eine absolute Mehrheit erreichen. Das sei „das Gegenteil von Demokratie“. Er würde seine Aussage heute „etwas eleganter“ formulieren. „Noch eleganter“, scherzte Van der Bellen. Lachen im Publikum.
Von „Kanaldeckeln“ und Volksabstimmungen
Seine Aussagen aus dem Wahlkampf dazu, was er denn als Bundespräsident tun würde, wollte Hofer keineswegs als „Drohkulisse“ verstanden wissen. „Dabei bleibe ich auch“, sagte Van der Bellen auf die Frage, ob sein Programm ein „Verhinderungsprogramm“ gegen FPÖ-Bundesparteichef Heinz-Christian Strache sei. Es gehe ihm nicht um die Person Strache, mit dem er „viele Zigaretten geraucht habe im Raucherkammerl des Parlaments, zum gegenseitigen Vergnügen“. Es gehe ihm grundsätzlich um den Platz Österreichs in der EU.
Hofer kritisierte, dass Van der Bellen für eine Art Vereinigte Staaten von Europa eintrete. Außerdem warf er seinem Konkurrenten vor, dass er keine direkte Demokratie wolle, außer es gehe um „Kanaldeckel“ auf kommunaler Ebene. „Das ist der große Unterschied“, so Hofer. Er wolle ein „subsidiäres“ Modell. Als zentrale Themen auf EU-Ebene nannte Hofer etwa die Atomenergie. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik etwa? „Nein.“
Auf die Frage, wie er denn seinen Wählern seinen sehr proeuropäischen Kurs näherbringen wolle, antwortete Van der Bellen, das sei „in der Tat“ schwierig. Es gebe oft Entscheidungsschwächen, Handlungsschwächen auf einzelnen EU-Ebenen. Er betonte aber: Es gehe „nicht um eine Entmachtung der Nationalstaaten“. Es gehe um eine „Bündelung“ der Kleinen etwa, damit auch die gehört würden. Dafür sei Brüssel da, „mit all seinen Unzulänglichkeiten“.
Das heiße Eisen Flüchtlingspolitik
Beim derzeitigen innen- wie außenpolitischen Thema Nummer eins, der Flüchtlingspolitik, betonte Hofer, das Wichtigste sei, dass man darauf achte, dass Verträge eingehalten würden - Stichworte: Dublin und Schengen. Aber: „Jetzt ist das nicht gemacht worden.“ Stattdessen werde Österreich nun kritisiert, mitunter auch noch von Ländern, die selbst keine Flüchtlinge aufnähmen. Folge sei, dass man die Grenze selbst sichern müsse. „Da sehe ich keinen anderen Ausweg.“
Er sei für klare Verhältnisse, sagte Van der Bellen. Bei der Wirtschaftsmigration sei angesichts einer halben Million Arbeitslosen „leider kein Platz derzeit, glaube ich“. Bei Schutzsuchenden gebe es aber eine Pflicht zu helfen. Van der Bellen forderte aber auch das Einhalten von Regeln ein. Mit der „Notverordnung“ zu Asylpolitik hat der frühere Grünpolitiker ähnlich wenig Freude wie Hofer. Da werde zu viel Macht an die Bundesregierung delegiert.
Brenner-Zaun tut „in der Seele weh“
Der Zaun auf dem Brenner tue ihm „wirklich in der Seele weh“, sagte Van der Bellen. Der Brenner sei „nicht irgendeine Grenze“, er habe (Stichwort: Südtirol) eine historische Bedeutung. Er hoffe, so Van der Bellen, „die Bundesregierung überlegt sich das nochmal“.
Beim Thema direkte Demokratie nannte Hofer als Beispiel für seine Pläne das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Er würde eine Volksabstimmung darüber fordern. Der Präsident könne auch die Unterschrift darunter verweigern. Wie das jemand verhindern wolle, „das schaue ich mir an“. Van der Bellen stimmte in diesem Punkt zu: „Ich würd’s gar nicht unterschreiben.“ Dann erspare man sich eine Abstimmung. „Direkte Demokratie ist schon spannend“, sagte Van der Bellen, „könnte man ausbauen.“ Er gebe nur zu bedenken: Man müsse sich überlegen, „was wichtig genug ist“.
Und wie wollen beide entscheidend punkten?
Die vielleicht wichtigste Frage vor der Stichwahl: Wie wollen die beiden Kandidaten neue Wähler gewinnen? Er habe keinen „Bauchladen“ anzubieten, sagte Van der Bellen, aber dafür unter anderem Wirtschaftskompetenz, so der frühere Universitätsprofessor. Außerdem betonte Van der Bellen seine Distanz zu seiner früheren Partei, den Grünen. In puncto Unabhängigkeit sei er Hofer so „meilenweit“ voraus.
Hofer bezeichnete diese Aussage als „Unwahrheit“. Zu seiner eigenen „Überparteilichkeit“ betonte er wiederum seine bisherige Funktion als Dritter Nationalratspräsident - einer, der auch einmal Freiheitliche zurückpfeife. Man solle seinen Weg gehen, authentisch sein, „nicht herumtricksen“, sagte Hofer. „Wir sind schon wieder einer Meinung, Herr Hofer“, stimmte Van der Bellen zu.
Hofer hatte in der ersten Runde der Wahl letzten Sonntag 35,1 Prozent der Stimmen erreicht, Van der Bellen 21,3 Prozent. Die unabhängige Irmgard Griss erreichte 18,9 Prozent, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) 11,3, Andreas Khol (ÖVP) 11,1 Prozent und Richard Lugner 2,3 Prozent der Stimmen.
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