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Der Wille zum Hit

„Bussi“, die zweite Platte der Wiener Band Wanda, ist mehr ein Zwilling als ein Nachfolger. Der Erstling „Amore“ schlug ein wie eine Bombe, im Handumdrehen wurde damit auch Deutschland erobert. Geändert hat sich auf „Bussi“ nicht viel. Kein Wunder, wurde die Scheibe doch weitgehend in einem Aufwaschen schon mit dem Vorgänger aufgenommen.

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Beim Reeperbahn Festival im Herbst 2015 in Hamburg wurden sie bei rund 400 Konzerten im selben Atemzug mit den Legenden New Order als Stars abgefeiert. Die Albumpräsentation in der Wiener Arena war schon lange im Vorfeld ausverkauft, ebenso wie etliche Konzerte der in der folgenden Tour durch Österreich, Deutschland und die Schweiz.

Bandmitlieder von Wanda

Redelsteiner/Flo Senekowitsch

Wanda grüßen aus der Wiener Vorstadt

Mut zur Masse

Und das ist schon sehr ambitioniert für eine Band, die vor etwas mehr als einem Jahr nur ein paar Insider gekannt haben. Wanda zeichnet vor allem der Wille zum Hit, der Wille zum Massenpublikum aus - und eben nicht nur vor den paar Dutzend Auskennern, vor den Generälen des guten Geschmacks der Szene spielen zu wollen. Den Weg von Indie zum Mainstream ging man auch kommerziell: Vom kleinen Wiener Label Problembär Records wechselte die Band inzwischen zum Major Universal.

Auch bei Interviews ist schnell klar, dass es da jemand mit dem Popstarsein ernst nimmt: Eloquent g’scheit Reden und im nächsten Moment g’scheit Blödeln gibt es auch nicht so oft im Popzirkus - kein Wunder, dass deutsche Medien Wanda lieben.

Der Wiener Diphthong

Auf „Bussi“ wird bei der Liebe wieder viel gelitten, und weil sich auf Trost bekanntlich noch immer am besten Prost reimt, wird auch viel getrunken. Die Texte sind einfach gestrickt und trotzdem doppelbödig und hinterfotzig. Auf Italien und Bologna wird weiter herumgeritten. Immerhin, vielleicht eine Art von Weiterentwicklung, wird diesmal auch Spanien erobert, in dem herrlich dahinrumpelnden „Andi und die spanischen Frauen“.

Zelebriert wird der ausgeprägte Wiener Diphthong, allen voran das langgezogene und herausgewürgte „ei“ und das nasal hingerotzte „au“. Bei „Meine beiden Schwestern“ könnte man meinen, der Text sei so gebaut, dass möglichst viele „eis“ vorkommen.

Hedonismus mit Hang zur Gesundheitsgefährdung

Textlich neu sind diesmal aber auch Hinweise auf andere Substanzen neben Alkohol. Überhaupt ist Wanda ein radikalhedonistisches Projekt mit Hang zur Gesundheitsgefährdung. Seit dem Vorjahr ist die Band fast ununterbrochen auf Tour – und zumindest auf der Bühne wird kein Fencheltee getrunken.

Mit Zigarette crowdsurfen kann sich Sänger Marco Michael Wanda schon einmal patentieren lassen und auch bei den mittlerweile unzähligen deutschen TV-Interviews scheint er sich, nie nichtrauchend, zum Ziel gesetzt zu haben, Altpräsident Helmut Schmidt als Tschick-Ikone zu beerben.

Bandmitlieder von Wanda

Redelsteiner/Flo Senekowitsch

Wanda, rauchend

So überraschend das ist. Tatsächlich scheinen ausgerechnet Österreicher den Geist des Rock ’n’ Roll für den deutschsprachigen Raum kurz einmal wiederbelebt zu haben: das gute wilde Leben mit seinen Niederungen als Gegenentwurf zu hart an sich arbeitenden Castingpuppen, im Internet ausgesuchten Elitepartnern und zum fitness- und wellnessbeseelten Leistungsträgerdasein.

Gassenhauer ohne Abnützungserscheinungen

Musikalisch werden Wanda keinen Innovationspreis gewinnen, müssen sie auch nicht. Guter und vor allem erfolgreicher Pop musste nie notwendigerweise musikalisch innovativ sein, auch braucht es dafür keine Virtuosen auf Instrumenten. Kunsthandwerk ist keine Kunst.

Auch auf „Bussi“ gingen Wanda mit Leichtigkeit eingängige Gassenhauer von der Hand, Songs, die sich sofort ins Ohr fressen, dort aber selbst nach dem 20. Mal hören selten zu nerven beginnen. „Kinderlieder“ sind das, meint Sänger Marco Michael Wanda. Die Band macht Pop mit dem Gestus des Rock, der Haltung des Punk und zeigt kaum Berührungsängste zum Schlager.

Böses A-Wort vermeiden

Wanda wildern weiter im Austropop-Fundus, mal offener, mal versteckter - ersteres kann, unter der besonderen Berücksichtigung von Minigitarrensoli und vereinzelter Keyboardteppiche, zu Recht abschrecken. Die eine oder andere Anspielung rechtfertigt aber nicht die Exhumierung des Begriffs Austropop, das ist keine scheene Leich.

Bandmitlieder von Wanda

Redelsteiner/Flo Senekowitsch

Posen im 80er Chic

Die wilde Wiener Welle mit Wanda, Bilderbuch, Nino aus Wien, den Wegbereitern wie Ja, Panik und Kreisky, den Unterschätzten wie Das Trojanische Pferd und den bald folgenden Epigonen, die schon in ihren Proberaumstartlöchern scharren, sollte das böse A-Wort tunlichst meiden.

Ein paar Haare in der Suppe

Ähnlich wie bei „Amore“ fallen auf „Bussi“ nur wenige Nummern ein bisschen ab. Auf einer Platte mit zwölf Songs eine Mehrzahl potenzielle Hits zu haben, ist schon eine Seltenheit. Freilich gibt es ein paar Haare in der Suppe: Das vorab veröffentlichte „Bussi Baby“ wird ab der Hälfte ziemlich redundant, überhaupt häufen sich Refrainwiederholungen merklich. „1, 2, 3, 4 - Es ist so schön bei dir“ im Albumopener ist nicht nur auf den ersten Blick eine vielleicht etwas billige Phrase. Nur: Live funktioniert das bestens, und Angst vor mitgrölenden Massen haben Wanda ja keine.

Und es sind ja eigentlich die Texte, die einen Gutteil zu Wandas Erfolg beitragen. Bilderbuch etwa, die zweite österreichische Band, die derzeit zu Recht für Furore sorgt, punkten eher mit ihrem eklektischen, aber doch sehr eigenen Musikstil. Freilich gibt es auch hier Referenzen auf Falco, vor allem im Gestus. Texte sind bei ihnen aber Nebensache. Kaum jemand stößt sich offenbar daran, dass der letzte Hit „Softdrink“ beängstigende Parallelen im Refrain zu DJ Ötzis „Burger Dance“ aufweist.

Wanda und die Frauen

Und dann gibt es noch das Kapitel Wanda und die Frauen. Bei einer Band, die sich nach der einzigen historisch verbrieften Zuhälterin Wiens, lesbisch und gewalttätig, benannt hat, setzt das fast schon Komplikationen voraus. Nicht ganz einfach waren die Frauenbilder schon bei „Amore“, die gebrochenen Männerrollen in den Texten wogen das aber einigermaßen auf. Nun sorgte der Song „Nimm sie wenn du’s brauchst“ für Debatten, tatsächlich ist zumindest das eine oder andere Sprachbild fragwürdig - wieder gemessen daran, wie zentral und eigentlich clever die Texte bei Wanda sind - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Und für Aufregung sorgte zudem, dass Ronja von Rönne für das „Bussi Baby“-Video engagiert wurde. Die junge deutsche Autorin hatte im Februar geglaubt, ausgerechnet mit einem antifeministischen Text in der Zeitung „Welt“ Bekanntheitspunkte sammeln zu müssen, keine ganz gute Idee, wiewohl sie später zum Bachmann-Wettlesen reisen durfte. Ob „Unfall“ oder ein bisschen PR-Kalkül, Wanda bestreiten in Interviews jedenfalls böse Absichten - mehr dazu in fm4.ORF.at.

Und wie geht es weiter?

Andererseits: Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) wünschte sich Sänger Marco Michael Wanda, ironisch oder auch nicht, einen „seichten Skandal“. Die Erfolgsgeschichte der Band wird mit „Bussi“ jedenfalls wohl fortgesetzt, ob es ganz so steil nach oben weitergeht - man wird sehen. Auch was das mit der Band macht und wie lange das derzeitige Pensum zu bewältigen ist.

Und für ein potenzielles drittes Album müssen sich die Herren dann vielleicht doch einen neuen Schmäh einfallen lassen. Sie selbst scheinen das gelassen zu sehen, vermitteln zumindest die letzten Textzeilen der neuen Platte: „Wenn’s ned weitergeht mit uns, is a wurscht. Wir verliern sicher ned es Herz und es Hirn und ah ned in Durscht. Es is uns wurscht.“

Christian Körber, ORF.at

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