„Fieberhafte Gier nach Aufmerksamkeit“
Die rechte deutsche Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat mit neuen antiislamischen Parolen nicht nur die etablierten Parteien erneut geschlossen gegen sich aufgebracht, sondern auch eine Debatte über Religionsfreiheit in Deutschland ausgelöst. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel sah sich am Montag gezwungen, die klar verfassungswidrigen AfD-Aussagen zu korrigieren.
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„Wir haben in Deutschland die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Religionsausübung“, sagte Merkel in Berlin, „und das gilt natürlich auch für Muslime in unserem Land.“ Die große Mehrheit der Muslime in Deutschland übe ihre Religion im Rahmen des Grundgesetzes aus, so Merkel. Auslöser der Debatte waren Äußerungen der stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch, die am Wochenende gesagt hatte, der Islam sei „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“.
Geschlossene Front der Ablehnung einkalkuliert
„Symbole des Islam“ sollten aus der Öffentlichkeit verschwinden, hatte von Storch gesagt. Alexander Gauland, ebenfalls AfD-Vizechef, nannte den Islam einen „Fremdkörper“ in Deutschland. Wie schon in der Vergangenheit, als die Parteispitze etwa mit Äußerungen über den Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze provozierte, löste die AfD damit heftige Kritik der im deutschen Bundestag vertretenen Parteien aus - und bekam damit zugleich das offenbar erwünschte Medienecho.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sah die AfD etwa auf Konfrontationskurs mit dem Grundgesetz. „Wenn man unser Grundgesetz ernst nimmt, dann gilt die Religionsfreiheit“, stellte er klar. Die SPD-Politikerin Kerstin Griese sagte, die AfD schüre „auf hochgefährliche Weise haltlose Vorurteile“. Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte die Äußerungen aus der AfD als „in hohem Maß rassistisch“. Grünen-Chef Cem Özdemir warf der AfD vor, das Land zu spalten und Menschen gegeneinander aufzubringen.
Auch EU-Parlamentspräsident reagiert
Der Zentralrat der Muslime stellte einen Vergleich mit dem Antisemitismus der Nationalsozialisten her. Zum ersten Mal seit Hitler-Deutschland gebe es eine Partei in Deutschland, „die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiert und sie existenziell bedroht“, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek dem NDR. Die AfD schwimme auf einer Welle der Islamfeindlichkeit. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sprach von „übergriffigen“ Diffamierungen - mehr dazu in religion.ORF.at.
Auch international wird die AfD indes zusehends mit Sorge beobachtet. Die AfD stelle sich in „Widerspruch zu den europäischen Werten“, sagte der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz fand es „abstoßend“ und „unanständig“, eine ganze Religionsgemeinschaft unter Generalverdacht zu stellen. „Die Partei giert fieberhaft nach Aufmerksamkeit, und kein Populismus ist ihr dafür billig genug.“ Millionen Muslime, die ein friedlicher und wichtiger Teil Deutschlands und Europas seien, würden diffamiert.
Parteichefin Petry verteidigt Aussagen
AfD-Parteichefin Frauke Petry verteidigte die umstrittenen Aussagen. Die AfD habe nichts dagegen, wenn Muslime ihrem Glauben nachgingen, sagte sie dem MDR. „Das politische Verständnis, das in Moscheen in Deutschland gepredigt wird, entspricht jedoch nicht dem Grundgesetz.“
Die Positionen sind aber auch in der Partei nicht unumstritten. Der AfD-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, sagte im Deutschlandfunk, das sei noch nicht die endgültige Haltung der Partei zu diesem Thema. „Ich denke nicht, dass diese Äußerung jetzt von Frau Storch und von Herrn Gauland sich in dieser Einfachheit halten lassen wird.“ In knapp zwei Wochen will die AfD auf einem Parteitag in Stuttgart ihren Kurs in einem Grundsatzprogramm beschließen.
Die CDU-Spitze hatte am Sonntagabend in der Parteizentrale über Konsequenzen aus dem Erstarken der AfD beraten. Die Schlussfolgerung sei, dass die CDU nicht nach rechts rücken werde, sagte Tauber. „Für die CDU ist entscheidend, dass sie die politische Mitte behauptet.“
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