Erste Stellungnahme in der Affäre
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Fall Böhmermann die Meinungsfreiheit in Deutschland betont. „Wir haben die Grundwerte des Grundgesetzes. Dazu gehört der Artikel fünf, das ist die Freiheit der Meinung, der Wissenschaft und natürlich auch der Kunst“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Sie war wegen ihres Umgangs mit der Affäre innenpolitisch zunehmend unter Druck gekommen.
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„Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen“, fügte Merkel hinzu. „Dazu gehört auch das Thema Flüchtlinge.“ Die deutsche Kanzlerin betonte, dass sie in der Flüchtlingskrise eine gemeinsame Lösung mit der Türkei anstrebe. Die Frage des Flüchtlingsabkommens zwischen Ankara und der Europäischen Union sei von der Kontroverse um die Böhmermann-Satire und dem Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland aber „völlig entkoppelt“.
Türkischer Antrag wird „intensiv geprüft“
Hintergrund ist die Strafanzeige des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts. Für das von der Türkei verlangte Vorgehen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist die Zustimmung der deutschen Regierung erforderlich. Ob diese der türkischen Aufforderung eines Strafverfahrens nachkommen wird, ließ Merkel offen. Das werde intensiv geprüft. Mittlerweile hat Erdogan aber auch direkt Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz gestellt.
Unter Druck geraten
Zudem gehen auch mehr und mehr private Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Mainz ein. Die Zahl liege inzwischen in deutlich dreistelliger Höhe, teilte Oberstaatsanwalt Gerd Deutschler am Dienstag mit. Die Anzeigen richten sich gegen den Satiriker Böhmermann oder gegen Verantwortliche des ZDF. Die Kanzlerin hatte Böhmermanns Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als „bewusst verletzend“ bezeichnet. Kritiker warfen ihr vor, beim Schutz der Meinungsfreiheit vor der türkischen Regierung einzuknicken.
Nächste Sendung abgesagt
Nach den heftigen Reaktionen auf seine umstrittene Satire sagte Böhmermann indes seine nächste Sendung ab. Die für Donnerstag geplante Ausgabe des „Neo Magazin Royale“ falle aus, teilten Böhmermann und die Produktionsfirma btf GmbH am Dienstag auf der Facebook-Seite der Sendung mit. „Grund ist die massive Berichterstattung und der damit verbundene Fokus auf die Sendung und den Moderator.“
Die Entscheidung erfolgte laut den Angaben in Abstimmung mit dem ZDF. Der Sender erklärte dazu: „Wir respektieren die Entscheidung der Produktionsfirma und Jan Böhmermanns und haben Verständnis für deren Begründung.“
Böhmermann steht mittlerweile unter Polizeischutz. „Ein Streifenwagen steht vor der Tür“, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag in Köln. Man stehe auch mit anderen Sicherheitsbehörden im Kontakt. Zuvor habe es eine Beurteilung der Gefährdungslage gegeben. „Wenn man etwas nicht ausschließen kann, dann muss man etwas tun“, sagte der Polizeisprecher.
SPD will Strafparagrafen streichen
In den Reihen der deutschen Regierung wird das Strafverfahren gegen Böhmermann kritisch gesehen. „Wir sind skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein kann“, verlautete am Dienstag aus dem Umfeld von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte indes, seine Partei sei bereit, eine entsprechende Regelung in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs ersatzlos zu streichen, auf die sich Erdogan berufe.
Laut einer Umfrage spricht sich die Mehrheit in Deutschland gegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus. 54 Prozent aller Befragten, die die Debatte über das Gedicht verfolgt haben, finden laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov die Ermittlungen gegen den Satiriker „ganz und gar nicht angemessen“. Lediglich sechs Prozent befürworten diese.
Erdogan-Anwalt will alle Rechtsmittel ausschöpfen
Hubertus von Sprenger, der deutsche Anwalt Erdogans, zeigte sich indes bereit, mit seinem Mandanten alle Rechtsmittel gegen Böhmermann auszuschöpfen - bis zur letzten Instanz. „Wenn ich das Mandat annehme, ziehe ich das auch durch“, sagte Von Sprenger im Interview mit „heute journal“-Moderator Claus Kleber am Dienstagabend im ZDF. „Der Präsident verspricht die Bestrafung des Betroffenen, und verspricht sich auch, dass der in Zukunft das nicht wiederholt, was er gesagt hat, auf zivilrechtlicher Ebene“, sagte von Sprenger weiter.
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