Tränengas und Gummigeschoße
Bei Zusammenstößen mit der Polizei an der griechisch-mazedonischen Grenze sind am Sonntag mindestens 260 Flüchtlinge verletzt worden. Das berichtete die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), die die Verletzten im improvisierten Flüchtlingslager Idomeni behandelte.
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Insgesamt seien „etwa 300 Personen“ verletzt worden, sagte MSF-Sprecher Achilleas Tzemos. 260 Personen seien von MSF-Mitarbeitern behandelt worden. Etwa 200 hätten Atembeschwerden gehabt, etwa 30 Personen hätten Verletzungen durch Gummigeschoße und 30 Personen „andere Verletzungen“ erlitten.

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Mit Tränengasgranaten schoss die mazedonische Polizei auf Flüchtlinge
Nach eigenen Angaben behandelte MSF am Sonntag 300 Verletzte, davon 200 durch Tränengas und 30 durch Gummigeschoße Verwundete. Darunter seien auch „30 Kinder im Alter zwischen fünf und 15 Jahre“ gewesen sowie „drei Kinder mit Kopfverletzungen durch Gummigeschoße“, teilte die Organisation per Aussendung mit.
Hunderte versuchten Grenze zu stürmen
Andere Quellen berichteten von ähnlichen Zahlen: Insgesamt seien mindestens 300 Menschen verletzt worden, so das griechische Nachrichtenportal The Toc. Sieben Menschen seien ins Krankenhaus der nahe gelegenen Stadt Kilkis gebracht worden. Mindestens 34 Menschen hätten offene Wunden davongetragen, weitere 30 seien durch die Gummigeschoße verletzt worden, berichtete The Toc weiter. Mehr als 250 Menschen litten aufgrund der Tränengasgranaten der mazedonischen Polizei an Atemwegsproblemen, darunter auch viele Kinder.

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Ein Flüchtling entzündet ein Wurfgeschoß
Zu den Zusammenstößen war es gekommen, nachdem Hunderte Flüchtlinge versucht hatten, die Grenzbefestigungen zu stürmen. Die mazedonische Polizei feuerte Augenzeugenberichten zufolge Gummigeschoße und Tränengas in die Menge. Laut MSF wurden Tränengaspatronen auch direkt in das Flüchtlingslager geschossen. Ein 16-Jähriger sei von den Behörden geschlagen worden. Auch eine schwangere Frau habe wegen Verletzungen behandelt werden müssen.
Lage in Idomeni angespannt
In Idomeni ist die Lage eskaliert. Es kam zu Zusammenstößen an der Grenze zu Mazedonien.
Innenministerium: „Die Grenze geschützt“
Nachdem die mazedonische Polizei anfangs dementiert hatte, Tränengas einsetzt zu haben, und stattdessen ihre Kollegen auf griechischer Seite beschuldigte, erklärte eine Sprecherin später, „erlaubte chemische Produkte“ verwendet zu haben. Den Einsatz von Gummigeschoßen, von denen zahlreiche Fotos auf Twitter kursierten und den auch MSF bestätigte, wiesen die mazedonischen Behörden jedoch weiter zurück.

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Ein Verletzter wird auf einer Decke transportiert
Die mazedonische Polizei habe lediglich „die Grenze geschützt, als einen Gruppe von Migranten versucht hat, den Zaun zu zerstören“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP Innenministeriumssprecher Toni Angelovski. Die Flüchtlinge sollen die Beamten zudem mit Steinen beworfen haben.
Aufruf per Flugblatt
In Sozialen Netzwerken kursierten Fotos und Videos, auf denen mehrere hundert Menschen zu sehen sind, die sich in Richtung Grenzzaun bewegen, während um sie herum Tränengaspatronen explodieren. Bereits in den Morgenstunden hatte die griechische Polizei vor Ausschreitungen in Idomeni gewarnt, nachdem dort Flugblätter aufgetaucht waren, die zum Sturm des Grenzzaunes aufriefen. Nach den Verfassern der Flugblätter wird gefahndet.

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Flüchtlinge vermummen sich wegen des Tränengases
Bereits Mitte März hatte ein ähnliches Flugblatt für einen Sturm auf den Grenzzaun gesorgt. Rund 2.000 Flüchtlinge waren damals der Aufforderung gefolgt, einen reißenden Fluss zu überqueren. Nur wenige Stunden zuvor waren drei Menschen bei dem Versuch ertrunken. Wer es nach Mazedonien schaffte, wurde von den dortigen Sicherheitskräften umgehend zurückgeschickt.
Grüne EU-Abgeordnete gibt Österreich Mitschuld
Die deutsche grüne Europaabgeordnete Ska Keller gab unter anderem Österreich eine Mitschuld am Tränengaseinsatz in Idomeni. Das sei eine „direkte Konsequenz der Westbalkan-Konferenz zur Schließung der Grenzen. Österreich, Kroatien, Slowenien, Ungarn sind verantwortlich!“, twitterte die deutsche Politikerin am Sonntag mit Blick auf die auf Drängen Wiens erfolgte Grenzschließung durch Mazedonien.
Scharfe Kritik am Nachbarland Mazedonien kam am Sonntag aus Athen. Der „Einsatz von chemischen Mitteln, Gummikugeln und Blendgranaten gegen eine verletzliche Bevölkerungsgruppe - insbesondere ohne Gründe für einen solchen Gewalteinsatz - ist ein gefährlicher und bedauerlicher Akt“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Sprecher der griechischen Migrationsbehörde, Giorgos Kyritsis.
Eineinhalb Monate nach der Abriegelung der mazedonisch-griechischen Grenze harren immer noch 11.000 Menschen in dem improvisierten Flüchtlingslager Idomeni aus. Die griechischen Behörden hatten schon mehrmals angekündigt, Idomeni räumen zu wollen. Die Flüchtlinge weigern sich jedoch zu gehen, weil sie immer noch auf eine Öffnung der Balkan-Route hoffen.
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