Politbeben bei Neuwahl erwartet
Die Regierung in Island hat nach wütenden Protesten der Bevölkerung und dem schließlich doch erfolgten Rücktritt von Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson den Weg für Neuwahlen freigemacht. Diese sollen im Herbst stattfinden. Als Interimsministerpräsident wurde am Donnerstag der bisherige Landwirtschafts- und Fischerei-Minister Sigurdur Ingi Johannsson angelobt.
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Gunnlaugsson hatte laut den Panama-Papers vor neun Jahren mit seiner künftigen Ehefrau auf den Britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort Millionen Euro geparkt. Der Ministerpräsident der rechtsliberalen Fortschrittspartei hatte zunächst seinen Rücktritt abgelehnt, kurz danach seinen Rückzug angekündigt und das dann wieder dementiert. Eine reine „Pause“ für eine „noch nicht festgelegte Zeitdauer“ wollte ihm seine Partei aber nicht durchgehen lassen.
Druck von der Straße
Gunnlaugsson beteuerte, er habe nie die Absicht gehabt, Steuern zu hinterziehen. Er habe das Vermögen damals verheimlicht, damit der Reichtum seiner Frau im Wahlkampf nicht zum Thema werde, sagte er im Parlament. Nach der Veröffentlichung der Dokumente wurde der Druck aber immer größer.
Mehr als 20.000 Menschen hatten am Montagabend nach Angaben der Organisatoren in der isländischen Hauptstadt Reykjavik gegen Gunnlaugsson protestiert. Auch an den folgenden Abenden folgten Großkundgebungen, bei denen sofortige Neuwahlen gefordert wurden.
Piratenpartei könnte stärkste Kraft werden
Fraglich ist, ob sich die Demonstranten mit den am Mittwochabend beschlossenen Neuwahlen im Herbst zufrieden geben. Johannsson sagte vor Journalisten, dass die Regierung ihr Programm weiter umsetzen wolle. „Wir hoffen natürlich, dass das dabei hilft, Stabilität ins politische System zu bringen“, sagte der 53-Jährige. Konkret nannte er die Abschaffung der im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008 verhängten Kapitalkontrollen.
Umfragen lassen bei sofortigen Neuwahlen ein Debakel für die etablierten Parteien erwarten. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup käme die Fortschrittspartei dann nur noch auf 7,9 Prozent, ihr Koalitionspartner, die Unabhängigkeitspartei, auf 21,6 Prozent. Großer Gewinner wäre die Piratenpartei mit 43 Prozent.
Firmenanteile um einen Dollar verkauft
Am Sonntag war ein internationales Netzwerk von Journalisten mit seinen Recherchen zu den Panama-Papers an die Öffentlichkeit gegangen. Die Dokumente waren der „Süddeutschen Zeitung“ zugespielt und vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) und seinen Medienpartnern, darunter der ORF und der „Falter“, ausgewertet worden. Neben vielen anderen Prominenten finden sich in den Dokumenten die Namen von Gunnlaugsson und seiner Frau, offiziell Alleineigentümerin einer Briefkastenfirma.
In den Dokumenten taucht Gunnlaugsson als Ex-Anteilseigner der Firma seiner Frau auf. Nachdem er 2009 ins Parlament gewählt wurde, habe er ihr die Anteile für einen Dollar verkauft. Bereits bekannt war, dass die Firma Anteile an Banken hielt, die im Zuge der Finanzkrise kollabiert waren. Gunnlaugsson wies den Verdacht zurück, er sei in einem Interessenkonflikt gestanden. Außerdem habe seine Frau in Island stets korrekt Steuern gezahlt. Zudem gibt es aber den Verdacht, dass Gunnlaugsson isländische Ermittlungen gegen Offshore-Firmen behindert habe.
Bevölkerung sieht sich getäuscht
Es mag schon sein, dass sich Gunnlaugsson tatsächlich keiner Straftaten schuldig machte. Der Zorn der Wähler ist dennoch nicht unbegründet. Der 41-jährige Polit-Shootingstar präsentierte sich stets als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit im Schatten der Finanzkrise und als Neuerer, vor allem gegenüber den Sozialdemokraten unter der früheren Premierministerin Johanna Sigurdardottir. Und das, obwohl er wie seine Frau Spross von alteingesessenen reichen isländischen Familien ist.
Islands Wählerinnen und Wähler sehen sich getäuscht. Sie hatten Gunnlaugsson seine Parolen geglaubt, wonach er für eine Abkehr vom „alten Island“ stehe, in dem mächtige Eliten und Clans den Ton angeben und - auf Kosten des Staatsbudgets und der „kleinen Leute“ - vor allem auf ihr eigenes Wohlergehen achten. Nun sehen sich jene bestätigt, die seit jeher vor Gunnlaugsson als Populist und unehrlichem Phrasendrescher gewarnt haben.
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