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Vorstoß des Landwirtschaftsministers

Der deutsche Ernährungs- und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) fordert eine baldige Abschaffung des Haltbarkeitsdatums auf allen Lebensmittelverpackungen. „Wir werfen massenweise gute Lebensmittel weg, weil die Hersteller zu große Sicherheitspuffer eingebaut haben“, sagte Schmidt Ende März.

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„Auf die Verpackungen von Milch oder Schinken soll ein echtes Verfallsdatum gedruckt werden, nach dem diese Produkte tatsächlich nicht mehr genießbar wären“, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bei Produkten wie Salz und Zucker, die dauerhaft genießbar sind, müsse heute schon kein Haltbarkeitsdatum mehr auf der Verpackung stehen, sondern nur noch das Herstellungsdatum.

Laut einer 2012 vorgestellten Studie für sein Ministerium landen in Deutschland jährlich rund elf Mio. Tonnen Lebensmittel im Müll. Davon stammen 6,7 Mio. Tonnen von Privathaushalten. Europaweit spricht die EU-Kommission gar von 100 Mio. Tonnen - das entspreche einem Drittel der Nahrung für den menschlichen Gebrauch.

Warten auf EU-Richtlinie

Um der Verschwendung von Nahrungsmitteln zu begegnen, soll Schmidt zufolge auf verderblichen Produkten das Mindesthaltbarkeitsdatum zu einer qualifizierten Verbraucherinformation weiterentwickelt werden. Denn die meisten Produkte seien erheblich länger verwendbar, als auf den Verpackungen stehe. Schmidt geht davon aus, dass in wenigen Monaten der Entwurf einer entsprechenden EU-Richtlinie vorliegt.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist in Deutschland seit mehr als 30 Jahren gesetzlich vorgeschrieben. Es gibt an, bis zu welchem Datum mindestens das ungeöffnete und richtig gelagerte Lebensmittel seine spezifischen Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Farbe, Konsistenz und Nährwert behält. Es ist also kein Verfallsdatum, sondern lediglich die Garantie des Herstellers für bestimmte Qualitätseigenschaften.

Investition in „intelligente Verpackungen“

Schmidt schwebt zudem vor, dass es in Zukunft „intelligente Verpackungen“ geben soll. „In Verpackungen wie Joghurtbechern kann man elektronische Chips einbauen“, sagte der Minister. „Sie ermitteln, wie sich das Produkt von Tag zu Tag verändert. Eine Farbskala von Grün bis Rot zeigt an, wie es um die Verzehrbarkeit steht.“ Jeder Verbraucher könne dann selbst entscheiden, bis zu welchem Grad er das Nahrungsmittel noch verwenden wolle. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert Schmidt zufolge mit zehn Mio. Euro ein Forschungsprojekt, in dem es auch um intelligente Verpackung geht. Ergebnisse sollen in etwa drei Jahren vorliegen.

Grüne kritisieren Vorstoß

Als „Augenwischerei“ kritisierten die Grünen den Vorstoß. Der Vorschlag gehe am Kern des Problems vorbei, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Der Löwenanteil des Lebensmittelabfalls sind Produkte wie Brot, Obst und Gemüse, die kein Mindesthaltbarkeitsdatum haben.“

Maisch forderte stattdessen, schädliche Subventionen abzuschaffen, die auf Überproduktion und „Masse statt Klasse“ setzten. „Wir brauchen eine stärkere Förderung der regionalen Lebensmittelproduktion und -vermarktung“, so die Grünen-Expertin. Kürzere Transportwege und Lagerzeiten sorgten auch für weniger Abfall.

Auch Verbraucherschützer skeptisch

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen bewertete den Vorschlag des Landwirtschaftsministers skeptisch. Beim Großteil der weggeworfenen Lebensmittel handle es sich um Brot, Obst oder Gemüse, sagte auch Verbandssprecherin Sophie Heer. „Für die gibt es aber gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum“. Die Abschaffung der Angabe sei daher als Mittel gegen Verschwendung wenig geeignet. Schmidts Vorschlag, auf der Verpackung anstatt des Mindesthaltbarkeits- das Verfallsdatum abzudrucken, sei ebenfalls wenig sinnvoll.

„Das Mindesthaltbarkeitsdatum bezieht sich auf die Frage, ob ein Lebensmittel noch alle Qualitätseigenschaften hat, das Verfallsdatum beschreibt, bis wann das Produkt sicher und unschädlich für die Gesundheit ist“, sagte die Verbraucherschützerin. Dieser Unterschied müsse den Konsumenten deutlich gemacht werden. Oft könnten Hersteller zudem nicht exakt sagen, wann ihr Produkt nicht mehr genießbar ist. Für „intelligente Verpackungen“, wie sie Schmidt vorgeschlagen hatte, ist die Technik laut Verbraucherschützerin Heer noch nicht ausgereift. Außerdem entstehe dadurch „nur wieder neuer Elektroschrott“, gab sie zu bedenken.

Bauernverband begrüßt Abschaffung

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sprach sich indes für eine Änderung der Angaben zur Haltbarkeit von Lebensmitteln auf Verpackungen aus. Bei lange haltbaren Lebensmitteln wie Mehl, Reis, Nudeln und Mineralwasser könne alternativ die Angabe des Herstellungsjahres einer „vorschnellen Entsorgung“ vorbeugen, erklärte der DBV. Der Verband plädierte außerdem dafür, die Gesetzeslage bei Nebenprodukten und Abfällen zu prüfen. Altes Brot oder überschüssige Milchprodukte könnten beispielsweise vermehrt als Futtermittel in der Tierhaltung genutzt werden. Ein Wegwerfverbot wie in Frankreich und Italien plant die deutsche Regierung nicht, wie das Ernährungsministerium bereits mitgeteilt hatte.

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