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Zwei eng definierte Schlüsselgruppen

Wenn man sich von den Plakatsujets oder Slogans der Kampagnen zur Bundespräsidentschaftswahl nicht angesprochen fühlt, muss man sich laut Einschätzung von Experten keine Sorgen um die eigene Politikverdrossenheit machen - denn es könnte daran liegen, dass man mit dem Wahlkampf einfach nicht gemeint ist, weil man nicht als Wechselwähler gilt, da man etwa in Ostösterreich daheim oder ein Mann ist.

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Der Eindruck, dass sich alle Kampagnen bisher an ein und dasselbe Wählersegment richten, trügt offenbar nicht. Bei den weniger werdenden Stammwählern laute der Wahlkampfauftrag vor allem, dass sie nicht abgeschreckt, vielmehr mobilisiert werden sollen. Das sieht etwa Politikberater Thomas Hofer deutlich an den Kampagnen von SPÖ und ÖVP, wie er am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal ausführte - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Ältere Wähler nicht vergrätzen

Die Wahlkampflinien sowohl von SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer als auch von ÖVP-Kandidat Andreas Khol sieht der Experte durch die Vorgabe limitiert, dass man vor allem Stammwähler im fortgeschrittenen Alter nicht vergrätzen wolle. Beim bisherigen ÖVP-Seniorenbund-Obmann Khol sei das allein schon durch seine Auswahl als Kandidat ersichtlich, bei Hundstorfer wiederum durch die Anmutung der Kampagne.

Hofer sieht in Pensionistinnen und Pensionisten eine „zentrale Bevölkerungsgruppe für alle Kandidaten“. Vor allem für SPÖ und ÖVP wäre ein Verzicht auf ihre Stimmen „quasi Harakiri mit Anlauf“. Politologe Peter Filzmaier stimmt dem zu: Rund ein Drittel aller Wahlberechtigten seien in Pension und damit für die Wahlkampfteams eine klare „Schlüsselgruppe“. Doch die Kampagnen wollen noch mehr, nämlich Wechselwähler ansprechen.

Sag mir, wo die Wechselwähler sind

Beide Experten sind sich einig, dass die Kampagnen vor allem Niederösterreich, Oberösterreich, Wien und die Steiermark im Auge haben - allein schon, weil dort zwei Drittel der 6,4 Millionen Wahlberechtigten leben. Abgesehen davon geraten dort frühere Hochburgen von SPÖ bzw. ÖVP ins Bröckeln, weshalb die Kampagnen etwa des vormaligen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen und von Irmgard Griss auf diese Bundesländer abzielen.

Hofer sieht etwa Van der Bellen in Ostösterreich „in traditionelle Kernwählerschichten einbrechen, aber auch Griss in der Steiermark“. Die örtliche Fokussierung geht aber noch genauer. Filzmaier verweist darauf, dass „rund 350.000 bis 400.000 Wahlberechtigte im sogenannten Wiener Speckgürtel angesiedelt“ seien - eine möglicherweise wahlentscheidende Gruppe, die de facto für alle Kandidaten zu haben sei.

Weiblich, 55, städtisch, sucht ...

Im Speckgürtel um Wien gebe es „ein zwar bürgerliches Publikum“, so Filzmaier. Das sei aber „für Khol, Griss und auch Van der Bellen gewinnbar“. Hundstorfer könne aber ebenfalls „von Wien ausgehend dort hinauswirken, und genau das gleiche versucht auch FPÖ-Kandidat (Norbert) Hofer, denn auch seine Partei ist in Wien sehr stark“. Bestimmt ist die Wahlkampfstoßrichtung darüber hinaus von einem nötigen Spagat zur zweiten potenziell verfügbaren Gruppe im Wählerpool.

Als „die andere Schlüsselgruppe“ der Kampagnen aller wahlwerbenden Gruppen macht Filzmaier Berufstätige in Städten aus - ab 30 Jahren, aber eher im Alter ab „50, 55 Jahren“, wobei „speziell in den Städten berufstätige Frauen, die oft auch nicht in der klassischen Familiensituation leben“, sondern etwa in Patchwork-Familien oder als Alleinerzieherin, die entscheidenden Wechselwählerinnen darstellen.

Wer „eine untergeordnete Rolle“ spielt

Am anderen Ende des Spektrums, so sind sich Hofer und Filzmaier einig, stünden die unter 30-jährigen Wahlberechtigten. Sie machen weniger als ein Fünftel des Stimmvolkes aus und spielten daher „im Wahlkampf eine untergeordnete Rolle“.

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