Gratwanderung vorerst vermieden
Mit der Absage des Besuchs des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani vermeidet Österreich zumindest auch eine heikle Gratwanderung zwischen der erwünschten Anbahnung einträglicher Geschäftsbeziehung und der nach Meinung von Kritikern dringend nötigen Abgrenzung vom Iran im Hinblick auf Menschenrechte und Antisemitismus.
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Am Mittwoch wären die offizielle Begrüßung mit militärischen Ehren, ein Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer und ein gemeinsames Pressegespräch der beiden Staatsoberhäupter auf der Agenda gestanden. Am Donnerstag hätte bei der Wirtschaftskammer ein großes Wirtschaftsforum stattfinden sollen, das nun nur noch in kleiner Form abgehalten wird. Anschließend war ein Zusammentreffen Rouhanis mit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) im Bundeskanzleramt vorgesehen.
Hochkarätige Wirtschaftsdelegation
Begleitet worden wäre der iranische Präsident von einer rund 100-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Ein Gutteil der Mitglieder war allerdings schon vor der Absage des Besuchs in Österreich eingetroffen. Schon beim Iran-Besuch von Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) mit einer Wirtschaftsdelegation unter der Leitung von Wirtschaftskammer-Vizepräsident Matthias Krenn Anfang März wurden einige potenzielle Geschäfte angebahnt.
Der Präsident der Wirtschaftskammer Iran, Mohsen Dschalalpour, bezeichnete Österreich als Vorbild für ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell. Die größten Potenziale für Kooperationen sieht er im Energiesektor. Auch die nachhaltige Entwicklung im Städtebau und -management interessieren den Iran.
Aufhebung der Sanktionen
Ausgangspunkt für Rouhanis Besuchspläne war die Reise von Bundespräsident Fischer Anfang September in den Iran. Voraussetzung für die mehrmals verschobene Reise war der Abschluss des Atomabkommens. Fischer hatte Rouhani eingeladen, noch vor Ende seiner Amtszeit Österreich und Wien als Verhandlungsort der Atomgespräche zu besuchen.
Im Jänner hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dem Iran die Einhaltung des Atomabkommens bescheinigt. Damit war der Weg frei für die Aufhebung der Sanktionen im Wirtschafts- und Finanzbereich. Seither hofft der Iran auf Verbesserungen und eine Entspannung gegenüber dem Westen. Ende Februar konnten die reformorientierten Kräfte wichtige Erfolge bei den Wahlen zum Parlament und zum Expertenrat erzielen.
Raketentests als Grund für Verstimmungen
Anfang März kam es allerdings zu erneuten Verstimmungen zwischen dem Westen und Teheran, als der Iran trotz Warnungen der USA ballistische Raketen zu Testzwecken abfeuerte. Nach westlicher Lesart verbietet eine UNO-Resolution Teheran den Einsatz ballistischer Raketen. Zudem waren einige Raketen mit Vernichtungsdrohungen gegen Israel beschriftet.

APA/Roland Schlager
Der iranische Staatspräsident Hassan Rouhani und Bundespräsident Heinz Fischer im September 2015 im Iran
Der iranische Innenminister Abdul-Resa Rahmani-Fasli bestätigte Mitte März vor Journalisten in Wien, dass auf den getesteten Raketen der Slogan „Israel muss ausradiert werden“ geschrieben stand. Der Iran habe das Recht, auf Drohungen aus Israel zu reagieren, rechtfertigte Rahmani-Fasli das.
Die meisten Todesurteile seit 20 Jahren
Die Menschenrechtslage im Iran hat sich ebenfalls nicht verbessert. Einem UNO-Bericht zufolge wurden im Iran im vergangenen Jahr mindestens 966 Menschen hingerichtet. Damit seien dort so viele Todesurteile vollstreckt worden wie seit 20 Jahren nicht mehr. Seit 2005 seien 73 Minderjährige hingerichtet worden, 16 von ihnen in den beiden vergangenen Jahren. Zahlreiche regimekritische Persönlichkeiten sind inhaftiert oder leben im Exil.
„Stillschweigen ist der falsche Weg“
Gegen den Österreich-Besuch Rouhanis waren deshalb schon im Vorfeld kritische Stimmen laut geworden. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler, forderte Fischer zum Handeln auf: „Stillschweigen ist hier der falsche Weg“, meinte sie. „Darüber hinaus sollte sich Fischer sehr genau überlegen, ob er seinen iranischen Kollegen in Wien noch empfangen sollte.“
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, forderte Fischer unter Verweis auf die an den iranischen Testraketen angebrachten Drohungen auf, die Einladung Rouhanis zurückzunehmen. „Wenn all die Reden bei Gedenkjahrestagen wie dem Novemberpogrom keine leeren Worte sein sollen, muss diese Einladung zurückgenommen werden“, betonte der IKG-Präsident.
Auch die irankritische Plattform Stop the Bomb bekräftigte ihre Forderung nach einer Absage des Rouhani-Besuchs. Fischer wolle „den Repräsentanten eines Regimes empfangen, zu dessen Politik die systematische Holocaust-Leugnung gehört“, wurde in einer Aussendung kritisiert. Gemeinsam mit der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran und anderen hatten sie am Mittwoch zu Protesten auf dem Wiener Heldenplatz aufgerufen.
FPÖ pochte auf Anerkennung Israels
FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hatte mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, den Wien-Besuch Rouhanis auszusetzen, „bis der Iran das Existenzrecht Israels anerkennt“. Es sei ein Fehler gewesen, im Rahmen des in Wien geschlossenen Atomdeals mit dem Iran „nicht auf eine Anerkennung Israels durch den Iran zu pochen“, sagte der FPÖ-Politiker.
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