Konzentration auf Wien
Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich weiter auf Rekordniveau - während die Wirtschaft noch nicht so richtig wieder in Fahrt gekommen ist, steigt die Zahl der Menschen, die auf Jobsuche sind. Angesichts der Flüchtlingskrise ist klar, dass diese Zahl in den nächsten Monaten und Jahren noch deutlich größer werden wird.
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In den vergangenen Monaten ist der Anteil der ausländischen Arbeitslosen überdurchschnittlich stark gewachsen, im Jänner um 10,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 119.088. Nur ein kleiner Teil davon, nämlich aktuell rund 21.000 Menschen, sind Asylberechtigte, also Asylwerber mit einem positiven Aufenthaltsbescheid, wie Beate Sprenger, Sprecherin des Arbeitsmarktservice (AMS), erklärt.
Jene Menschen, die in den vergangenen Monaten über die Grenze kamen, sind vom AMS noch nicht erfasst. Grund ist, dass ein Asylverfahren zurzeit im Schnitt etwa ein halbes Jahr dauert und bevor dieses abgeschlossen ist, Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen. Damit scheinen sie auch in der Arbeitslosenstatistik nicht auf. Sobald der Status jedoch geklärt ist, ist das AMS die wichtigste Anlaufstelle auf dem Weg in die Arbeitsmarktintegration.
Wie ein Flüchtling auf den Arbeitsmarkt kommt
Ein Asylwerber fällt aus der Grundversorgung, sobald er zum Asylberechtigten wird, kann dann aber um Mindestsicherung ansuchen. „Das Magistrat oder die Behörde, die die Mindestsicherung bewilligt, sagt bei allen arbeitsfähigen Asylberechtigten, sie müssen zum AMS gehen und sich einen Job suchen“, erklärt Sprenger den nächsten Schritt. Und dort startet dann eine Reihe von Maßnahmen, für die das AMS für 2016 von der Regierung zusätzliche Mittel in der Höhe von 68 Mio. Euro erhalten hat.
Einerseits beginnen spätestens dann - wenn es nicht schon in den Bundesländern erfolgte - Deutschkurse. Und parallel dazu werden Kompetenzchecks durchgeführt. „Mit muttersprachlicher Begleitung“, wie Sprenger betont. Die Tests seien dazu da, um zu sehen, wo die Menschen stünden und welche Schulungen sie noch brauchten. Abgefragte Qualifikationen müssen im Praxistest bewiesen werden, weil die Ausbildungssysteme in den Herkunftsländern oft nur schwer mit jenen in Österreich vergleichbar sind.
Was fehlt zum Facharbeiter?
Sprenger erzählt als Beispiel von einem Schweißer, der für den Check zu einer Firma geschickt wurde. Dort sei festgestellt worden, dass der Mann ein „sehr hervorragender Schweißer“ ist, allerdings nur drei Schweißtechniken beherrscht, während in Österreich fünf nötig seien. „Das ist für uns ein wichtiger Hinweis, wo ich sag, okay, wenn der noch diese zwei zusätzlichen Schweißtechniken lernt, wäre er in Österreich als Facharbeiter einsetzbar.“ Und genau da setzt die dritte Maßnahme des AMS an, nämlich in der Nachholung von Qualifikationen.
Denn nicht jeder Asylberechtigte kommt mit einer praktisch fertigen Berufsausbildung nach Österreich. „Das ist keine homogene Gruppe“, die Menschen brächten „unterschiedlichste Voraussetzungen“ mit. Deshalb sei es auch so wichtig, jeden einzelnen Fall zu prüfen, so Sprenger.
Das Wien-Problem
Der Wiener Arbeitsmarkt nimmt in der Debatte eine besondere Rolle ein. In der Bundeshauptstadt leben zwei Drittel der Asylberechtigten, Sprenger sieht „das Flüchtlingsthema“ derzeit primär überhaupt als „ein Wien-Thema“. Und die Stadt hat mit 15,2 Prozent (Jänner) eine der höchsten Arbeitslosigkeitsraten in ganz Österreich. Für Helmut Hofer, Experte des Instituts für Höhere Studien (IHS), ist das Grund genug zum Handeln. Er schlägt eine bessere Aufteilung vor. „Das ist natürlich ein Problem, das man diskutieren könnte bei den Flüchtlingen – freie Stellen gibt’s mehr im Westen momentan.“
„Trotzdem kommt die Mehrzahl der Leute nach Wien“, so Hofer. „Optimal“ sei das nicht. Wien hat derzeit auch den größten Anteil von Nicht-Österreichern unter den Arbeitslosen, wie eine Grafik mit den aktuellsten AMS-Detailzahlen von Jänner 2016 zeigen. Über 41 Prozent der als arbeitslos gemeldeten Menschen im Arbeitsmarktbezirk Wien sind nicht österreichischer Herkunft. Überhaupt sind Ballungsräume stärker betroffen als ländliche Gegenden, da sie in der Regel auch den größten Zuzug haben.
Zu beachten ist bei der Grafik, dass die Arbeitsmarktbezirke in den meisten Fällen nicht mit den Gemeindebegrenzungen übereinstimmen - ein Arbeitsmarktbezirk umfasst in der Regel mehrere Gemeinden (eine Ausnahme bildet Wien). Eine Aufschlüsselung über die Herkunftsnationalitäten ist in den Arbeitsmarktdaten des AMS zu finden. Anzumerken ist, dass vor allem in den Tourismusregionen im Westen (und da besonders in Vorarlberg), der Anteil der deutschen Staatsbürger besonders hoch ist.
„Anreiz“ für Umzug
Hier müsse man ansetzen, findet Ökonom Hofer, und das schon sehr früh. „Rein vom Arbeitsmarkt her“ sollten Migranten besser auf ganz Österreich aufgeteilt werden, da Wien sonst eine zu große Last zu schultern habe. Das allerdings setze natürlich die Bereitschaft von Gemeinden voraus mitzuwirken, um zu erkennen, wo es offene Stellen gibt oder vielleicht geben wird.
Eine solche Entscheidung müsse schon fallen, bevor ein Asylwerber überhaupt einen positiven Aufenthaltsbescheid bekommt, findet der IHS-Experte. Denn je länger jemand schon an einem Ort wohnt, desto mehr Kontakte und Anschluss zur Gemeinschaft hat er dort. „Und dann sind sie relativ schwer zu motivieren umzuziehen.“ Das sei ja auch ein Anreiz, wenn man den Menschen zeige, dass sie dort eine bessere Chance auf einen Job hätten.
50 Prozent in fünf Jahren vermittelbar - „realistisch“
Sprenger zeigt sich dazu skeptisch - das könne man nicht nach „planwirtschaftlichen Kriterien“ abwickeln, da gehöre der Wille auf beiden Seiten dazu. Sie glaubt jedenfalls, dass das AMS gerüstet ist und das Geld reichen wird. Die AMS-Expertin macht sich aber auch nichts vor - angesichts der aktuellen Arbeitsmarktbedingungen und der ohnehin hohen Arbeitslosigkeit sei es „natürlich eine Herkulesaufgabe“, Personen, die aus einem anderem Kulturkreis kommen und die Sprache nicht sprechen, möglichst rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Wie lange das dauern wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. „Es wird bei manchen schnell gehen und bei manchen weniger schnell.“ Sprenger zitiert eine Studie aus Deutschland, wonach 50 Prozent der Asylberechtigten voraussichtlich innerhalb von fünf Jahren in den Arbeitsmarkt integriert werden können, die restlichen 50 Prozent erst später. Das sei vergleichbar mit Österreich - „das kommt uns sehr realistisch vor.“
Massive Kritik an „Asyl auf Zeit“
„Massiv erschweren“ könnte die Integration aber das von der Regierung beschlossene „Asyl auf Zeit“, davor warnte am Freitag AMS-Chef Johannes Kopf im Ö1-Morgenjournal. „Wenn Arbeitgeber glauben, dass es sein kann, dass die nach drei Jahren wieder heimgehen, wird niemand in eine Ausbildung investieren“, so Kopf. Er befürchtet negative Folgewirkungen: „Dafür, dass vielleicht x weniger kommen, habe ich das Problem, dass der Rest nicht ordentlich integrierbar ist.“
Petra Fleck (Text), Peter Pfeiffer (Infografiken), ORF.at
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