Mindestens ein Verdächtiger flüchtig
Zwei Selbstmordattentäter der Brüsseler Anschläge sind identifiziert. Ibrahim El Bakraoui habe sich im Flughafen in die Luft gesprengt, sein Bruder Khalid in der Brüsseler Metro, sagte Staatsanwalt Frederic van Leeuw am Mittwoch. Unklar bleibt, wer der zweite Selbstmordattentäter auf dem Airport war. Auch der dritte Mann auf den veröffentlichten Überwachungsbild sei noch nicht identifiziert.
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Bisher hatte es geheißen, es sei Najim Laachraoui, ein Vertrauter des festgenommen Paris-Attentäters Salah Abdeslam. Dessen Festnahme wurde zunächst von belgischen Medien berichtet und danach wieder dementiert. Der Mann mit einer hellen Jacke und Hut auf dem Fahndungsfoto befinde sich Van Leeuw zufolge „auf der Flucht“. Der Sprengsatz in der von ihm zurückgelassenen Tasche sei der größte gewesen. Er sei erst explodiert, als Sicherheitskräfte ihn kontrolliert sprengen wollten, „weil er so instabil war“.

APA/AFP/Belgian Federal Police
Der Mann in der Mitte wurde als Ibrahim El Bakraoui identifiziert. Der Mann links ist noch unbekannt. Der hell gekleidete Mann ist flüchtig, der Staatsanwalt wollte nicht bestätigen, dass es sich um Laachraoui handelt.
„Testament“ hinterlassen
Der Flughafenattentäter Ibrahim El Bakraoui sei anhand von Fingerabdrücken identifiziert worden, sagte der Staatsanwalt. Er sei am 9. Oktober 1986 in Brüssel geboren worden und belgischer Staatsbürger gewesen. Er hinterließ dem Staatsanwalt zufolge eine Art Testament, das auf einem Computer in einem Mistkübel im Brüsseler Viertel Schaerbeek gefunden worden sei. In diesem habe er geschrieben: „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, überall gejagt, nicht mehr sicher.“ Er habe angegeben, er wolle „nicht in einer Zelle“ landen.
Durch Fingerabdrücke identifiziert
Auch sein Bruder Khalid El Bakraoui sei anhand von Fingerabdrücken identifiziert worden, sagte der Staatsanwalt. Er habe sich in der Station Maelbeek im zweiten Wagen der U-Bahn in die Luft gesprengt. Auch er hatte die belgische Staatsangehörigkeit und wurde am 12. Jänner 1989 in Brüssel geboren. Khalid El Bakraoui soll unter falscher Identität die Unterkunft in der Rue du Dries im Brüsseler Stadtteil Forest gemietet haben, wo es in der Vorwoche bei der Razzia zu einem Schusswechsel mit der Polizei kam.
Beide waren der Polizei wegen zahlreicher Delikte bekannt gewesen, seien aber nicht unter Terrorismusverdacht gestanden. 2010 hatte ein Brüsseler Gericht Ibrahim El Bakraoui zu neun Jahren Haft verurteilt, weil er bei einem Einbruch mit einer Kalaschnikow auf Polizisten gefeuert hatte. Er kam aber vorzeitig frei. Sein Bruder Khalid war Anfang 2011 wegen gewaltsamer Überfälle auf Autobesitzer zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
31 Tote bestätigt
Bei den Anschlägen waren am Dienstag nach den jüngsten Angaben der Staatsanwaltschaft 31 Menschen getötet und 270 weitere verletzt worden. Diese Bilanz sei aber weiter vorläufig und könne sich „unglücklicherweise in den kommenden Stunden verändern“, sagte Van Leeuw offenbar mit Blick auf viele Schwerstverletzte. Gesundheitsministerin Maggie de Block sagte, 25 Verletzte würden sich in kritischem Zustand befinden Die Toten und Verletzten stammen aus etwa 40 Ländern. Das meldete die Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf den belgischen Außenminister Didier Reynders.
Bombenwerkstatt gefunden
Bei einer Razzia in Schaerbeek wurde am Dienstagabend eine Art Bombenwerkstatt gefunden. Van Leeuw sagte, es seien unter anderem 15 Kilogramm hochexplosives Azetonperoxid (TATP), ein Koffer mit Nägeln und Schrauben sowie weiteres Material für den Bombenbau sichergestellt worden.
Die Extremistengruppe hatte sich zuvor zu den Anschlägen bekannt. „Soldaten des Kalifats“ hätten mit den Anschlägen auf den Brüsseler Flughafen Zaventem und die U-Bahn-Station „den Kreuzfahrerstaat Belgien“ angegriffen, hieß es am Dienstag in einer im Internet veröffentlichten Erklärung des IS. Es werde „schwarze Tage“ geben als Vergeltung für die „Aggression“ gegen den IS, hieß es. Es ist naheliegend, dass sich der IS den Anschlag auf die Fahnen heften muss. Möglicherweise handelten die Attentäter in Brüssel aber völlig autonom und ohne genau Absprache mit der Terrormiliz.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Taxifahrer gab Hinweise
Hinweise zum vermutlichen Hergang der Attentate lieferte den Sicherheitsbehörden ein Taxifahrer. Er sagte auch gegenüber dem Sender VTM, er habe drei Männer von Schaerbeek zum Flughafen gebracht. Ungewöhnlich daran: Sie hätten sich nicht von ihm bei ihrem Gepäck helfen lassen wollen. Von ihm dürften die Behörden auch den Hinweis auf die Adresse der später durchsuchten Wohnung mit dem Sprengsatz gekommen sein.
Laachraoui als großes Fragezeichen
Große Fragezeichen stehen derzeit hinter der Rolle und dem Verbleib von Laachraoui. Er war gut zwei Monate vor den Pariser Anschlägen mit Paris-Terrorist Abdeslam in Ungarn. Bei einer Kontrolle auf dem Weg nach Österreich nutzte er nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Brüssel einen gefälschten belgischen Personalausweis auf den Namen Soufiane Kayal.
Öffentlich gesucht wird der Mann schon seit Anfang Dezember, erst nach Abdeslams Festnahme wurde aber seine wahre Identität bekannt. Nach Angaben der Behörden war Laachraoui Anfang 2013 nach Syrien gereist. Seine DNA wurde in einem Haus und einer Wohnung in Belgien gefunden, die von der Terrorgruppe genutzt wurden.
Nach französischen Medienberichten sollen seine DNA-Spuren zudem auf Bombenmaterial gefunden worden sein, das die Terroristen in Paris nutzten. Zudem hätten ihn die Ermittler im Verdacht, am Abend der Pariser Anschläge von Belgien aus mit den Terroristen Kontakt gehalten zu haben.
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