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Zahlreiche Razzien während der Nacht

Nach den verheerenden Terroranschlägen in Brüssel läuft die Fahndung nach weiteren potenziellen Attentätern und Drahtziehern auf Hochtouren. Zumindest ein Tatverdächtiger gilt als flüchtig. Bei einer Hausdurchsuchung wurden eine weitere Bombe und eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefunden.

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Konkret war am Dienstagabend ein Mann zur Fahndung ausgeschrieben worden, den Aufnahmen einer Überwachungskamera im Flughafen Zaventem zeigen. Dort wurden am Dienstag gegen 8.00 Uhr zehn bis 14 Menschen durch zwei Sprengsätze getötet. Kurz nach 9.00 Uhr detonierte ein weiterer Sprengsatz in einer Metrostation mitten im Europaviertel und tötete nach bisherigen Erkenntnissen 20 Menschen. Das Brüsseler Krisenzentrum IBZ gab die Zahl der Todesopfer Dienstagabend mit zehn bzw. 20 und jene der Verletzten mit insgesamt 230 an.

Verdächtige Handschuhe

Das Foto der Überwachungskamera des Flughafens zeigt einen Mann mit heller Jacke und einem dunklen Hut. Neben ihm sind zwei weitere, schwarz gekleidete Männer zu sehen, die an jeweils einer Hand einen Handschuh tragen. Darunter hätten sich Experten zufolge Zünder befinden können.

Überwachungsbild der mutmaßlichen Attentäter

APA/AFP/Belgian Federal Police

Die beiden dunkel gekleideten Männer sollen sich selbst in die Luft gesprengt haben. Auffallend: Sie tragen beide (nur) an der linken Hand einen Handschuh.

Womöglich im letzten Moment in Panik geraten

Den Brüsseler Behörden zufolge zeigen Bilder der Videoüberwachung auch, wie einer der Verdächtigen einen Gepäckwagen in der Ankunftshalle plötzlich stehen lässt und wegläuft. Das Trio habe sich kurz nach seiner Ankunft auf dem Flughafen getrennt und in der Abflughalle verteilt.

Fahndungsbild eines mutmaßlichen Attentäters

APA/AP/Belgian Federal Police

Die Polizei sucht nach diesem Verdächtigen, der den Anschlag überlebt haben soll

Der gesuchte Verdächtige wurde einem Regierungsvertreter zufolge dabei beobachtet, wie er aus dem Flughafengebäude rannte. Er könnte im letzten Moment in Panik geraten sein, hieß es. Er trug keine Handschuhe. Später entschärfte die Polizei im Flughafengebäude einen dritten Sprengsatz, der nicht detoniert war.

IS droht mit weiteren „schwarzen Tagen“

Spezialeinheiten der Polizei durchsuchten in der Nacht zahlreiche Wohnungen. Unklar war bis Mittwoch, ob es sich bei dem Anschlag in der U-Bahn-Station Maelbeek ebenfalls um ein Selbstmordattentat handelte oder ob dort ein Sprengsatz deponiert worden war.

Sanitäter und Rettungswagen vor der Brüsseler U-Bahnstation

ORF.at/Sophia Felbermair

Chaos vor der U-Bahn-Station Maelbeek

Bei einer Razzia im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek wurden eine Nagelbombe und eine Fahne des IS gefunden. Die Extremistengruppe hatte sich zuvor zu den Anschlägen bekannt. „Soldaten des Kalifats“ hätten mit den Anschlägen auf den Brüsseler Flughafen Zaventem und die U-Bahn-Station „den Kreuzfahrerstaat Belgien“ angegriffen, hieß es am Dienstag in einer im Internet veröffentlichten Erklärung des IS. Es werde „schwarze Tage“ geben als Vergeltung für die „Aggression“ gegen den IS, hieß es.

Eine Grafik zeigt die Orte der Terroranschläge in Brüssel

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Taxifahrer gab Hinweise

Hinweise zum vermutlichem Hergang der Attentate lieferte den Sicherheitsbehörden ein Taxifahrer. Er sagte auch gegenüber dem Sender VTM, er habe drei Männer von Schaerbeek zum Flughafen gebracht. Ungewöhnlich daran: Sie hätten sich nicht von ihm bei ihrem Gepäck helfen lassen wollen. Von ihm dürften die Behörden auch den Hinweis auf die Adresse der später durchsuchten Wohnung mit dem Sprengsatz gekommen sein.

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Bild der Zerstörung

Die Abflughalle des Brüsseler Flughafens wurde bei den Explosionen schwer beschädigt. Der Flughafen wurde evakuiert.

Die belgische Zeitung „La Derniere Heure“ (Mittwoch-Aausgabe) berichtete von drei verdächtige Fahrzeugen auf dem Gelände des Airports. Dabei habe es sich nicht nur um das Taxi, mit dem die Attentäter angekommen sein sollen, gehandelt, sondern auch um einen Renault Clio und einen schwarzen Audi S4.

Sondertreffen der EU-Minister

Zu den Terroranschlägen soll es schon bald ein Sondertreffen der für innere Sicherheit zuständigen EU-Minister geben. Wie die niederländische EU-Ratspräsidentschaft in der Nacht auf Mittwoch mitteilte, könnte es bereits am Donnerstag organisiert werden. Als Reaktion auf die Anschläge erwägt die EU-Kommission einem Bericht der deutschen „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe) zufolge, die Einführung von Sicherheitskontrollen vorzuschlagen, die bereits vor dem Betreten eines Flughafengebäudes stattfinden sollen.

Am Abend fuhren laut Nachrichtenagentur Belga Militärfahrzeuge mit schwerbewaffneten Soldaten auf dem Flughafen vor, um das Areal zu sichern. Der Flugverkehr soll frühestens am Donnerstag wieder aufgenommen werden können. In Schaerbeek hob die Polizei Mittwochfrüh eine Sicherheitszone auf, die für die Durchsuchungen eingerichtet wurde. Anrainer konnten in ihre Häuser und Wohnungen zurückkehren.

Gedenken an Opfer nicht nur in Brüssel

Am Dienstagabend gedachten - nicht nur in Belgien - zahlreiche Menschen der Opfer der Anschläge. In Brüssel versammelten sie sich auf dem zentralen Place de la Bourse, legten Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Viele waren in die belgische Flagge gehüllt.

Belgische Flagge auf EU-Kommissionsgebäude projiziert

ORF.at/Sophia Felbermair

Belgische „Flagge“ auf dem EU-Kommissionsgebäude

In anderen Städten weltweit wurden am Abend Wahrzeichen in den belgischen Nationalfarben angestrahlt, unter anderem das Brandenburger Tor in Berlin, der Eiffelturm in Paris und der Trevi-Brunnen in Rom. Die belgische Regierung rief eine dreitägige Staatstrauer aus.

Die koordinierten Anschläge ereigneten sich vier Tage nach der Ergreifung von Salah Abdeslam, einem der Hauptverdächtigen der Anschläge von Paris im November. Die Staatsanwaltschaft Brüssel erklärte, es werde geprüft, ob sie in Zusammenhang mit der Festnahme stünden. Sicherheitsexperten erklärten allerdings, derartige Anschläge bedürften einer längeren Vorbereitung.

„Das ist Krieg, das ist unbeschreiblich“

Augenzeugen sowie Einsatzkräfte schilderten nach den Anschlägen dramatische Szenen. Der Sprecher der Brüsseler Feuerwehr, Pierre Meys, sagte gegenüber den Zeitungen „Le Soir“ und „La Derniere Heure“ (Onlineausgaben): „Das ist Krieg, das ist unbeschreiblich. Alles ist zerstört und liegt in Stücken.“ Er habe in 40 Jahren Berufsleben „noch nie so etwas Schreckliches gesehen“. In Brüssel galt bereits seit den Pariser Anschlägen eine erhöhte Terrorwarnstufe. Mehrere der Attentäter stammten aus dem Stadtteil Molenbeek.

Keine Meldungen über Opfer aus Österreich

Unter den Opfern der Terroranschläge befinden sich nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Österreicher. Dennoch wurden Krisenstäbe im Außenministerium in Wien sowie an der österreichischen Botschaft in Brüssel eingerichtet, wie der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, am Dienstag auf APA-Anfrage mitteilte.

Hotlines für Angehörige

Für besorgte Bürger und Angehörige hat das Außenministerium eine Hotline (für Österreicher in Belgien: +43 1 901154411; in Österreich: 050 11504411) eingerichtet. Auch das belgische Krisenzentrum hat unter +32 78151771 eine Hotline eingerichtet.

Das Innenministerium erklärte, dass „aktuell kein Österreich-Bezug erkennbar“ sei. Routinemäßig seien aber auch in Österreich die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen erhöht worden, teilte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck mit. So sei die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum, insbesondere auf den Flughäfen sowie im öffentlichen Verkehr, verstärkt worden. Die österreichischen Behörden seien derzeit laufend in Kontakt mit den belgischen Kollegen, so Grundböck.

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