Öffentliches Leben in Brüssel steht still
Bei einer Anschlagserie in Brüssel sind am Dienstag mindestens 34 Menschen getötet und fast 200 verletzt worden. Im Flughafen Zaventem starben bei zwei Explosionen 14 Menschen, meldete das belgische Gesundheitsministerium. Bei einem weiteren Anschlag auf die U-Bahn-Station Maelbeek kamen laut dem Brüsseler Bürgermeister 20 Menschen ums Leben.
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Es habe in der Abflugzone des Brüsseler Flughafens zwei Explosionen gegeben, „von denen eine wahrscheinlich von einem Selbstmordattentäter verursacht wurde“, sagte Staatsanwalt Frederic van Leeuw Dienstagmittag vor Journalisten. Fernsehbilder vom Vormittag zeigten Rauch aus dem Flughafenterminal aufsteigen, dessen Fenster zersplittert waren. Der Flughafenbetreiber bestätigte, dass sich gegen 8.00 Uhr zwei Explosionen ereignet hatten.
Explosionen im Abstand von fünf Sekunden
Neben den Toten gibt es zahlreiche Verletzte. Die zwei Explosionen sollen sich im Abstand von etwa fünf Sekunden an der Gepäckabgabe in der Nähe der Schalter von Brussels Airlines ereignet haben. Vor den beiden Explosionen im Flughafen wollen Zeugen Schüsse gehört haben. Eine Person habe etwas auf Arabisch gerufen, sagten Zeugen der Nachrichtenagentur Belga.
Die belgische Polizei fand laut einem Bericht des Senders VRT am Ort des Anschlages im Flughafen ein russisches Kalaschnikow-Sturmgewehr. Die Waffe sei neben dem toten Attentäter gelegen. Neben der Leiche sei zudem ein nicht explodierter Sprengstoffgürtel entdeckt worden, meldete der private TV-Sender VTM.
Hotlines für Angehörige
Für besorgte Bürger und Angehörige hat das Außenministerium eine Hotline (für Österreicher in Belgien: +43 1 901154411; in Österreich: 050 11504411) eingerichtet. Auch das belgische Krisenzentrum hat unter +32 78151771 eine Hotline eingerichtet.
Zeugenaussagen legen nahe, dass zumindest eine Bombe im Flughafen in einem Gepäckstück versteckt war. „Ich habe geholfen, fünf Tote rauszutragen“, sagte der Flughafenmitarbeiter Alphonse Youla. „Ihre Beine waren kaputt, wie wenn eine Bombe in einem Gepäckstück explodiert ist“, so der 40-Jährige gegenüber Reportern. Seine Hände waren blutverschmiert „von den Leuten, die ich rausgetragen habe“. Auch Youla sagte, er habe vor der ersten Explosion einen Mann etwas auf Arabisch rufen hören. „Dann brach die Plattendecke des Flughafens ein.“
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Bild der Zerstörung
Die Abflughalle des Brüssler Flughafens wurde bei den Explosionen schwer beschädigt. Der Flughafen wurde evakuiert.
Züge gestoppt, Flüge umgeleitet
Die Zufahrtswege zum Flughafen in der Gemeinde Zaventem im Norden Brüssels wurden gesperrt, um den Weg für Rettungskräfte frei zu machen. Züge in Richtung des Flughafens wurden gestoppt, Flüge zu anderen Flughäfen umgeleitet. Ein Notfallplan wurde aktiviert.

Omniscale/OSM/ORF.at
Das belgische Rote Kreuz hat eine Website für Menschen eingerichtet, die auf der Suche nach Angehörigen sind. Auf der Website können Personen auch angeben, dass sie in Sicherheit sind, meldete die Hilfsorganisation am Dienstag auf Twitter.
Explosion in Metrostation Maelbeek
Kurz nach 9.00 Uhr ereignete sich auch mindestens eine Explosion in einer U-Bahn-Garnitur in der U-Bahn-Station Maelbeek, die nur einige hundert Meter von den Gebäuden der EU-Institutionen entfernt liegt. Fernsehbilder zeigten dunklen Rauch aus den U-Bahn-Schächten aufsteigen. Der Brüsseler Metrobetreiber STIB unterbrach den Verkehr nach der Explosion auf allen Linien.
Laut dem Bürgermeister von Brüssel wurden bei der Explosion 20 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt. Die Brüsseler Verkehrsbetriebe stellen den gesamten öffentlichen Nahverkehr in der belgischen Hauptstadt ein. Außerdem forderte das nationale Krisenzentrum die Bürger auf zu bleiben, wo sie sind.

ORF.at/Sophia Felbermair
Das öffentliche Leben in Brüssel kam zum Erliegen
Nach Angaben der Zeitung „Le Soir“ sind mittlerweile alle Bahnhöfe in der Stadt geschlossen. Die Fahrten des Hochgeschwindigkeitszugs Thalys nach Belgien wurden ausgesetzt. In Brüssel wurden zudem die meisten Straßentunnel geschlossen. Die EU-Kommission wies alle Mitarbeiter an, die Gebäude nicht zu verlassen oder zu Hause zu bleiben. Das belgische Militär entsandte 225 zusätzliche Soldaten nach Brüssel.
Premier: Anschläge „blind, gewaltsam und feige“
Belgiens Regierungschef Charles Michel sprach von einem „schwarzen Tag für Belgien“. „Wir haben einen Terroranschlag befürchtet, und es ist passiert“, sagte Michel in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. Er verurteilte die Anschläge als „blind, gewaltsam und feige“ und bestätigte, dass die Regierung im ganzen Land die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen habe.
Die belgischen Sicherheitsbehörden bezeichneten alle drei Explosionen als „Terrorattacken“. Die Staatsanwaltschaft habe Anti-Terror-Ermittlungen aufgenommen, berichtete der öffentlich-rechtliche Sender RTBF. Belga berichtete weiters, dass die Sicherheitsvorkehrungen an den Atomkraftwerken des Landes erhöht worden seien.
Razzien in Brüssel
Nach den Terroranschlägen gab es in Brüssel mehrere Razzien. Ermittler seien auf der Suche nach Verdächtigen, die mit den Attentaten zu tun haben könnten, berichtete der Sender RTBF mit Hinweis auf Justizquellen. Aus dem Umfeld der Paris-Attentäter werden noch zwei Männer dringend gesucht: Najim Laachraoui und Mohammed Abrini. Der 24-jährige Laachraoui war am 9. September unter dem falschen Namen Soufiane Kayal in einem Auto mit Salah Abdeslam und Mohammed Belkaid an der österreichisch-ungarischen Grenze kontrolliert worden.
Noch kein Bekennerschreiben
In Brüssel galt bereits seit den Pariser Anschlägen im November eine erhöhte Terrorwarnstufe. Mehrere der islamistischen Attentäter stammten aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, der seitdem im Visier der Ermittler steht. Erst am Freitag war Abdeslam in Molenbeek gefasst worden, der seit den Anschlägen in der französischen Hauptstadt als Mittäter gesucht wurde. Er soll mit mehreren Komplizen weitere Attentate in Brüssel geplant haben. Bisher bekannte sich niemand zu den Anschlägen. Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) begrüßten allerdings die Anschläge von Brüssel in Sozialen Netzwerken.
Kritik an belgischen Behörden
Unterdessen wird die Kritik an den belgischen Behörden lauter. Experten sprachen davon, dass es der belgische Geheimdienst seit den „Charlie Hebdo“-Anschlägen in Paris nicht geschafft habe, die Terrorzellen im Land aufzuspüren. Auch dass sich der mutmaßliche Topterrorist Abdeslam Monate nach den Anschlägen in Paris mitten in Brüssel verstecken konnte, eher er vergangene Woche aufgespürt wurde, wirft kein gutes Licht auf die belgische Polizei. Ein BBC-Kommentator vermutete eine mangelnde Kooperation der einzelnen belgischen Behörden.
„Erschreckend ist, dass die belgischen Behörden von den Vorbereitungen offenbar nichts mitbekommen haben“, sagte der Innenminister des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger. Es sei zu befürchten, dass die Islamistenszene in Belgien „entgleitet“.
Keine Meldungen über Opfer aus Österreich
Unter den Opfern der Terroranschläge befinden sich nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Österreicher. Dennoch wurden Krisenstäbe im Außenministerium in Wien sowie an der österreichischen Botschaft in Brüssel eingerichtet, wie der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, am Dienstag auf APA-Anfrage mitteilte.
Das Innenminsterium erklärte, dass „aktuell kein Österreich-Bezug erkennbar“ sei. Routinemäßig seien aber auch in Österreich die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen erhöht worden, teilte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck mit. So sei die Polizeipräsenz im öffentlichen Raum, insbesondere auf den Flughäfen sowie im öffentlichen Verkehr, verstärkt worden. Die österreichischen Behörden seien derzeit laufend in Kontakt mit den belgischen Kollegen, so Grundböck.
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