Preise im Keller
Die Frachtschifffahrt hat sich von ihrer Krise nach 2008 kaum erholt, schon steckt sie in der nächsten. Die größten Gesellschaften müssen Milliarden abschreiben, die Verschrottung der Schiffe ist mitunter schon „rentabler“ als ein teurer Leerstand.
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Frachtschiffe stünden derzeit reihenweise leer in den Häfen, berichtete kürzlich das „Wall Street Journal“ („WSJ“). Die Bulkschifffahrt (für loses Schüttgut wie Kohle, Erz, Getreide, Anm.) kämpfe mit der „schlimmsten Krise seit Jahrzehnten“. Der Hauptgrund ist - wie für viele andere wirtschaftliche Turbulenzen derzeit auch - das langsamere Wachstum der Wirtschaftssupermacht China. Für dieses seien die leeren Schiffe das deutlichste Indiz.
Besonders die Nachfrage nach Baumaterial wie Eisen, Bauxit und Zement habe stark nachgelassen. Das treffe nicht nur die Bergbauunternehmen, sondern eben auch den Transportsektor - vor allem auf See. Eine Folge ist, dass auch die Frachtraten rapide eingebrochen sind. Die US-Zeitung verwies auf den Londoner Baltic Dry Index (BDI), einen der wichtigsten Preisindikatoren für die Verschiffung von Gütern, der im Februar den tiefsten Stand seiner 31-jährigen Geschichte erreicht habe. Aktuell liegt er auf Jahressicht mit fast 40 Prozent im Minus.
Fahren in der Verlustzone
Laut einem vom „WSJ“ zitierten Reeder könnten viele Betreiber ihre Schiffe kaum länger als zwei Monate defizitär betreiben. Die Frachtrate pro Tag liege aktuell bei weniger als 3.000 Dollar (rund 2.700 Euro). Es wäre zumindest das Doppelte, je nach Schiff mitunter das Dreifache notwendig, um nicht in der Verlustzone zu fahren.
Als Folge, so schätzten Schiffsmakler, stünden derzeit fast 700 Frachter, etwa sieben Prozent der weltweiten Flotte, leer, so das „WSJ“. Noch einmal so viele lägen in Häfen, um die Preise nicht noch weiter sinken zu lassen, schätzt George Lazaridis von Allied Shipbroking mit Sitz in Athen. Manche Schiffe würden vorübergehend stillgelegt. Das funktioniere für ein halbes Jahr oder Jahr, eine Crew von drei Mann bleibe für die nötigsten Instandhaltungsarbeiten an Bord. Ein Schiff wieder voll einsatzfähig zu machen koste den Betreiber oft bis zu eine Mio. Dollar (etwa 900.000 Euro). Die Kreditrefinanzierung für Reeder werde schwieriger, Investoren machten sich rar.
Leerstand auf Dauer viel zu teuer
Ein Leerstand sei langfristig oft zu teuer, mitunter würden Schiffe vor dem Ende ihrer kalkulierten Lebenszeit verschrottet. Teils hätten Reedereien im letzten Jahr bis zu 90 Prozent ihres Marktwerts verloren, so Emanuele Lauro, Vorstandschef von Scorpio Bulkers, einem der Großen der Branche mit Sitz in New York. Richard deMoulin, Inhaber der Reederei Intrepid Shipping in Connecticut (USA), dessen Flotte drei Frachter umfasst, rechnet damit, dass es noch zwei oder drei Jahre dauern werde, „bis wieder etwas Licht am Horizont“ zu sehen sein wird. „Es ist derzeit richtig übel“ und es werde vorerst mit der Auftragslage weiter bergab gehen.
Einige wittern in der Krise ihre Chance
Einige Reeder mit Mut zum Risiko witterten in der derzeitigen Krise allerdings eine Chance, so das „WSJ“. Nun, da der Markt auf dem absoluten Tiefpunkt sei, „ist es Zeit, zu kaufen zu beginnen“, zitierte die Zeitung Leon Patitsas, Vorstand der Tankschiffreederei Atlas Maritime mit Sitz in Athen. Er halte Ausschau nach Frachtern aus der Konkursmasse anderer Reedereien. „Es ist ein ausgezeichneter Einstiegspunkt. Du kaufst, wenn Du Blut auf der Straße siehst, selbst wenn es Dein eigenes ist.“
Drei Frachter für nicht einmal zwei Euro
Ein Indiz für den Zustand der Branche waren zuletzt die Unternehmenszahlen des dänischen Reedereiriesen Moeller-Maersk. Der Gewinn der Maersk-Gruppe fiel um 82 Prozent von knapp 5,2 Mrd. auf 925 Mio. Dollar (rund 835 Mio. Euro). Nicht einmal der niedrige Ölpreis helfe der Frachtschifffahrt mehr, schrieb das deutsche „Handelsblatt“. Im Herbst hatte die Reederei angekündigt, im Containergeschäft Tausende Stellen streichen zu wollen. Kleinere Gesellschaften bekämen mittlerweile Schlagseite, Insolvenzen sind die Folge. Unter Druck sind aber auch die Großen.
Das „WSJ“ verwies als Beispiel auf das indische Unternehmen Mercator. Die zweitgrößte private Frachtgesellschaft des Landes verkaufte laut Medienberichten einen Mehrheitsanteil ihrer Tochter Mercator Lines. Im Kaufpreis enthalten seien drei Frachter zu einem Preis von jeweils einem symbolischen Singapur-Dollar gewesen - umgerechnet zusammen keine zwei Euro.
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