Große Pläne für ein kleines Dorf
Yamoussoukro, die Hauptstadt der Elfenbeinküste, liegt inmitten der ivorischen Savanne im Zentrum des Landes. Vor gut 30 Jahren löste sie auf Geheiß des damaligen Präsidenten Felix Houphouet-Boigny die boomende Hafenmetropole Abidjan ab. Ihrer Ernennung zur Kapitale wurde sie nie gerecht. Doch von allen Verwaltungsstädten, die neben den wahren Metropolen ihres Landes verblassen, scheint Yamoussoukro die ausgefallenste.
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Houphouet-Boigny - seine Amtszeit dauerte von 1960 bis 1993 - hatte viel vor mit seinem Heimatdorf, das etwa 230 Kilometer vom quirligen Abidjan entfernt ist. Sitz der UNESCO, der Kulturorganisation der Vereinten Nationen (UNO), sollte es werden, Ausgangspunkt einer Renaissance des afrikanischen Christentums und die Eliteschmiede der Nation. Um das erwartete Verkehrschaos zu verhindern, ließ Houphouet-Boigny vorsorglich sechs- und achtspurige Straßen anlegen.
Kein Ministerium, keine Botschaft
Doch so recht wurde aus seinen hochfliegenden Plänen nichts. Die UNESCO lobte zwar das schöne Konferenzzentrum mit 22 Sitzungssälen und Böden aus italienischem Marmor - doch einziehen wollte sie nicht. Das damalige dörfliche Umfeld entsprach nicht unbedingt den Vorstellungen der UNO-Funktionäre. Bis heute sind dort kein einziges Ministerium und keine Botschaft angesiedelt. Immerhin die Einwohnerzahl wuchs von ein paar Familien auf mittlerweile geschätzt 300.000.

Yerpo unter CC BY-SA 3.0
Das Gebäude der Nationalversammlung
Doch ein bedeutendes Regierungsgebäude steht in Yamoussoukro, nämlich der Sitzungsort für die Nationalversammlung. Im April 2001 fand hier erstmals eine Sitzung des ivorischen Parlaments statt. Was ambitioniert begann, beläuft sich mittlerweile auf ein paar Termine pro Jahr, schließlich gibt es auch in Abidjan ein Gebäude der Nationalversammlung.
Ärger wegen größerer Petersdom-Variation
Doch der architektonischen Gigantomanie des damaligen Präsidenten wird das immer noch gerecht: Mit der nach vierjähriger Bauzeit 1990 eröffnete Basilika Notre-Dame-de-la-Paix setzte er sich ein 300 Millionen US-Dollar schweres Denkmal. Das Gebäude trägt eine gigantische Kuppel, die von 60 Säulen getragen wird. Die äußerliche Gleichheit zum Petersdom im Vatikan ist dabei ausdrücklich gewollt - die Marienkirche von Yamoussoukro ist ein skurriler Nachbau der Hauptkirche der Katholiken.

APA/AFP/Issouf Sanogo
Größer als das Original: Petersdom-Nachbau Notre-Dame-de-la-Paix
Weil das Gebäude absichtlich etwas größer gebaut worden war als das Vorbild, zierte sich der damalige Papst Johannes Paul II., die Petersdom-Variation als Geschenk an die katholische Kirche anzunehmen. Es hatte viel Kritiker gegeben, vor allem aus dem Westen, die meinten, das Geld hätte besser in die Entwicklung des Landes investiert werden sollen. Ein Einwand, den der Auftraggeber der monumentalen Bauwerke nicht kümmerte, als er erklärte, dass auch die Kathedralen Europas zu Zeiten errichtet worden seien, in denen das Volk arm war.
Abidjan als heimliche Hauptstadt
Von den etwa 23 Millionen Einwohnern der Elfenbeinküste lebt fast jeder Fünfte in der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Bevor Yamoussoukro Hauptstadt wurde, war die Küstenstadt die Kapitale. Die Wirtschaftskraft der „Region Lagune“ ist ein Magnet für Arbeitssuchende aus allen Landesteilen und ärmeren Nachbarstaaten der Elfenbeinküste. Durch das Zusammenleben der rund 60 Ethnien des Landes gilt die Stadt als Beispiel für die von den Regierenden propagierte „ivorische Identität“.
Die reiche Oberschicht des Landes pflegt in den Nobelvierteln der Stadt einen entsprechenden Lebensstil. Alle Banken und Konzerne haben in Abidjan ihren Sitz - wegen ihrer Skyline hat die Stadt dem Wirtschaftsviertel den schmeichelhaften Beinamen „Little Manhattan“ zuerkannt. Insbesondere für die ivorischen Exporte in alle Welt - vor allem Kakao, Kaffee und Palmöl - hat der Hafen der Stadt eine herausragende Bedeutung.
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