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Sinkhole Alley - ein Name als Programm

Wenn sich die Erde auftut, kommen sie: die „Sinkhole Hunters“. Mit Hightech-Material ausgerüstet, machen sich Geowissenschaftler und Ingenieure auf die Suche nach unsichtbaren Hohlräumen in der Erde, die im U-Bundesstaat Florida urplötzlich Autos, Häuser und Straßen verschlingen.

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Erst unlängst brach im thüringischen Nordhausen der Boden unter zwei Gebäuden auf und ließ sie in ein rund 40 Meter tiefes Loch rutschen. In wenigen Regionen der Welt ist das Phänoemn aber so verbreitet wie in Florida. Dort stehen solche Erdfälle beinahe auf der Tagesordnung. Zigtausende kleine und große Erdlöcher sind im „Sunshine State“ verteilt.

„Wie Sonne, Strand und Hurrikans“

„Sie gehören zum US-Bundesstaat wie Sonne, Strand und Hurrikans“, betonte Clint Kromhout, Wissenschaftler der Florida Geological Survey gegenüber der britischen Tageszeitung „The Guardian“. Allein im letzten Jahr gingen bei Versicherungen über 700 Schadensmeldungen ein, die auf das plötzliche Absacken des Erdbodens zurückgehen.

Erdloch im Winter Park in Florida, aufgenommen im Mai 1981

AP

Von ganz klein bis gewaltig groß: Erdlöcher gehören zu Floridas Alltag

Besonders der Westen Floridas steht auf instabilem Grund. In den Counties Pasco, Hernando und Hillsborough rund um die Stadt Tampa wurden in den Jahren 2006 bis 2010 mehr als zwei Drittel aller Schäden durch Erdfälle gemeldet. Die Bewohner dieser Gegend verlieren so oft den Boden unter den Füßen, dass sie den unheilvollen Spitznamen Sinkhole Alley erhalten hat. Im Untergrund verschwundene Autos sind dort ebenso geläufig wie vom Erdboden verschluckte Häuser und Straßen.

Vom Erdboden verschluckt

Einer der wenigen Erdfälle mit tödlichem Ausgang ereignete sich in Seffner, das mitten in der berüchtigten Region Sinkhole Alley liegt. Im Februar 2013 wurde Jeffrey Bush aus dem Schlaf in die Tiefe gerissen. Sein Bruder Jeremy hielt sich zu diesem Zeitpunkt im selben Haus auf und fand an der Stelle des Schlafzimmers seines Bruders nur noch ein rund sieben Meter breites und knapp zehn Meter tiefes Erdloch, das den Raum einfach verschlungen hatte. Jeffrey Bushs Leichnam konnte nie gefunden werden.

Wissenschaftler als Erdlochjäger

Um solchen tragischen Vorfällen vorzubeugen, haben sich Gruppen von Wissenschaftlern und Ingenieuren zusammengeschlossen. Geohazards nennt sich eine dieser Vereinigungen. Die Geologen und Geophysiker des Unternehmens mit Sitz in Gainesville machen sich als Erdlochjäger mit modernsten Messinstrumenten auf, um der Natur zuvorzukommen und den nächsten Erdfall vorherzusagen. Das Geschäft ist profitabel: Die Auftraggeber von Geohazards sind Versicherungen, Bauunternehmen und verängstigte Einwohner. Die „Sinkhole Hunters“ inspizieren aufgetretene Erdfälle und untersuchen gefährdete Gebiete, um die Anrainer so gut wie möglich auf Einstürze vorzubereiten und zu schützen.

Eingesunkene Gebäudeteile des Summer Bay Resorts in Clermont (Florida)

AP/John Raoux

Bauen auf instabilem Untergrund

Hightech für die Hohlraumsuche

Mit einem Bodenradar, der vom Untergrund röntgenähnliche Aufnahmen anfertigt, machen die „Hunters“ die unterirdischen Anomalien sichtbar. Ist die Reichweite der Radargeräte zu gering, um fundierte Ergebnisse zu liefern, injizieren sie der unsichtbaren Gefahr Strom in den Boden. Anhand der unterschiedlichen Stromwiderstände kann so auf ungewöhnliches Erdreich geschlossen werden, beschreibt das Wissenschaftsmagazin „Nautilus“ das Prozedere. Douglas Smith, Geophysiker und Mitbegründer von Geohazards, hat diese Technik als einer der Ersten für das Erforschen der Erdfälle genutzt. Zeigen die Untersuchungen einen bedrohlichen Hohlraum im Erdboden, wird die umliegende Nachbarschaft evakuiert.

Instabil durch Mensch und Natur

Die Erdlochjäger kämpfen nicht nur gegen die Natur. Der instabile Karstboden in Florida wird durch menschliches Handeln noch mehr belastet. Straßen- und Hausbau für die kontinuierlich wachsende Bevölkerung – Florida hat mit mehr als 20 Millionen die dritthöchste Einwohnerzahl in den USA – liegen schwer auf dem einsturzgefährdeten Untergrund.

Da die Verfassung weiterhin erlaubt, sich überall anzusiedeln, bauen die neuen Einwohner mehr und mehr auf den gefährlichen Sinkhole-Gebieten und schließen einfach spezielle Sinkhole-Zusatzversicherungen ab. Sie sind besonders beliebt, weil die Häuslbauer ihr Erdreich im Vorfeld nicht testen lassen müssen, um den Versicherungsschutz zu genießen. Die Entschädigung wird aber nur bei massiven Schäden gewährt und muss zum Wiederaufbau des eingestürzten Hauses genutzt werden.

Es liegt an der Kombination

Nicht nur das Gewicht der Infrastruktur lässt den Boden nachgeben. Es ist vielmehr eine Kombination aus Geologie, Niederschlag und menschlichem Verhalten, die in Florida auftritt und zu den Erdfällen führt. Durch neue Gebäude und Straßen läuft das Wasser – ob Regen, Grundwasser oder Abflüsse – viel konzentrierter ab und kann sich nicht mehr auf einer weiten Fläche im Karstboden verteilen. Dadurch werden in den Untergrund richtige Höhlen gewaschen.

Die Wissenschaftler von Geohazards sehen ihre Aufgabe daher auch darin, Bauunternehmen eingehend über die katastrophalen Auswirkungen von schlampigen Wasserabflüssen zu informieren, um zumindest neuen Hohlräumen vorzubeugen. Bis dahin begeben sie sich weiterhin auf die Erdlochjagd.

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