Strafe wegen fehlender Warnhinweise
Wegen fehlender Warnhinweise auf seinen talkumhaltigen Produkten ist der US-Pharma- und -Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson (J&J) von einem US-Gericht zu 72 Millionen Dollar (rund 65 Mio. Euro) Schadenersatz verurteilt worden. Geklagt hatten die Angehörigen einer im Vorjahr an Krebs gestorbenen Frau, die jahrelang unter anderem Babypuder der Firma verwendet hatte.
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Ein Gericht in St. Louis im Bundesstaat Missouri sah es als erwiesen an, dass Johnson & Johnson ungeachtet der seit Jahrzehnten bekannten Bedenken nicht vor den Gesundheitsgefahren gewarnt hat, berichtete unter anderem das Wirtschaftsportal Bloomberg. Das Gericht verwies auf die Erkenntnisse der American Cancer Society. „Entscheidend“ für das Urteil seien aber interne Unterlagen von Johnson & Johnson gewesen, so Gerichtssprecherin Krista Smith, die dem Pharmakonzern laut Bloomberg vorwarf, „etwas zu verstecken“. Laut Smith hätte bereits „ein Warnhinweis gereicht“.
Johnson & Johnson wies die Vorwürfe umgehend zurück. Die Unbedenklichkeit der Inhaltsstoffe von kosmetischem Talkum sei seit Jahrzehnten durch wissenschaftliche Beweise und auch durch die Erkenntnisse der zuständigen US-Behörden wie der Food und Drug Administration (FDA) untermauert. Die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher habe bei J&J oberste Priorität, so Konzernsprecherin Carol Goodrich, die Bloomberg zufolge per E-Mail zu dem Urteil Stellung nahm.
Nur Anfang von Klagewelle?
Aus Expertensicht gilt es als unwahrscheinlich, dass das Urteil beim zu erwartenden Weg durch die Instanzen halten wird. Die Rechtsprofessorin Nora Freeman Engstrom von der Stanford-Universität verwies laut „Guardian“ darauf, dass zuletzt etliche Fälle vom US-Höchstgericht kassiert worden seien. Fest steht dennoch: Das Thema wird Johnson & Johnson und möglicherweise auch andere Kosmetikkonzerne noch länger beschäftigen. Allein Johnson & Johnson drohen dem britischen „Telegraph“ zufolge rund 1.200 weitere Klagen.

Reuters/Lucas Jackson
Babypuder zählt zu den Klassikern im J&J-Sortiment
Allein an dem in St. Louis laufendem Verfahren seien 60 Personen beteiligt. Das zu Wochenbeginn gesprochene Urteil beruht auf einer vom Pflegekind der im Oktober 2015 verstorbenen Jackie Fox, Marvin Salter, betriebenen Klage. Fox benutzte mit „Baby Powder“ und „Shower to Shower“ über 35 Jahre lang zwei talkumhaltige Johnson-&-Johnson-Produkte und warf dem US-Kosmetikriesen nach der Diagnose von Eierstockkrebs vor drei Jahre vor, nicht ausreichend vor dieser Gefahr gewarnt zu haben. Während das auf das Jahr 1893 zurückgehende Babypuder nach wie vor zu den Klassikern im Sortiment zählt, wurde „Shower to Shower“ 2012 an den kanadischen Konzern Valeant Pharmaceuticals International verkauft.
Nach wie vor weit verbreitet
Obwohl in Kosmetikartikeln zunehmend durch Alternativen wie Maisstärke ersetzt, ist Talkum nach wie vor Bestandteil vieler Produkte. So wird es als Rohstoff zur Herstellung feuerfester Geräte, als Weißpigment und Füllstoff für Papier und Gummi, als Puderrohstoff sowie als Polier- und Gleitmittel (etwa für Gummihandschuhe) verwendet. Mit einer möglichen Krebsgefahr befassen sich seit Jahrzehnten etliche Studien und Gegenstudien. Laut American Cancer Society gilt es grundsätzlich zwischen dem kaum noch verwendeten asbesthaltigen und dem asbestfreien Talkum zu unterscheiden.
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