Themenüberblick

Spitzenreiter Rasierwasser

Global 2000 hat in seinem bisher zweiten Kosmetikcheck neuerlich Körperpflegeartikel untersucht und in jedem fünften Produkt hormonell wirksame und damit potenziell schädliche Substanzen gefunden. Die Umweltorganisation fordert im Sinn der Vorsorge einen Verzicht auf derartige Stoffe.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Über 500 Körperpflegeprodukte aus österreichischen Drogeriemärkten und Supermärkten wurden anhand der Herstellerangaben auf dem Produkt auf jene Inhaltsstoffe überprüft, die auf der EU-Prioritätenliste für hormonell wirksame Chemikalien in der Kategorie eins oder zwei gelistet sind. 119 der 531 Produkte bzw. 22 Prozent enthielten demnach Substanzen, die sich auf der Liste in den obersten beiden Kategorien finden, hieß es Ende Jänner bei der Studienpräsentation in Wien.

Vor zwei Jahren waren es 35 Prozent

Die größte Hormonbelastung zeigten Rasierwasser, die Global 2000 zufolge nach wie vor in rund 40 Prozent der Produkte hormonell wirksame UV-Filter und UV-Absorber aufweisen. Die Belastung von Bodylotions ist von 46 auf 21 Prozent und die von Zahnpasten von 20 auf elf Prozent der Produkte zurückgegangen.

Helmut Burtscher, Biochemiker bei Global 2000

picturedesk.com/Verlagsgruppe News/Marcus DEAK

Global-2000-Chemiker Helmut Burtscher klagt über schwierige Datenlage

Beim ersten Global-2000-Kosmetikcheck vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 35 Prozent. Mittlerweile hätten die Ketten BIPA, Hofer und Spar ihre Eigenmarken auf „hormonfrei“ umgestellt, so Global 2000.

„Fülle von Stoffen“

Hormonell wirksame Chemikalien werden vor allem als Konservierungsmittel und als UV-Filter eingesetzt. Die von der Organisation beanstandeten Chemikalien stehen unter dem Verdacht, aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit körpereigenen Hormonen die sensiblen hormonellen Steuerungsprozesse im Körper negativ zu beeinflussen und irreversible Gesundheitsschäden verursachen zu können. In welchem Ausmaß, ist nicht bekannt. Als besonders gefährdet gelten Kinder, Jugendliche und Schwangere. „Es handelt sich um eine Fülle von Stoffen, es ist unübersichtlich, und die Datenlage ist mangelhaft“, sagte Global-2000-Chemiker Helmut Burtscher.

Schwere Vorwürfe gegen EU: „Säumig“

Der EU wirft Burtscher Säumigkeit vor und wies auf ein im Dezember 2015 ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen die EU-Kommission nach einer von Schweden angestrengten Klage hin: Demnach hätte die Kommission schon längst Regelungen zur Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften erlassen müssen. Und spätestens im Jänner 2015 wäre eine Überprüfung der EU-Kosmetikverordnung im Hinblick auf endokrin wirksame Substanzen fällig gewesen.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser

APA/Herbert P. Oczeret

Gesundheitsministerin für neue EU-weite Kosmetikverordnung

Die heimische Branchenplattform der Markenproduzenten, Kosmetik transparent, sieht indes die Sicherheitsbewertungen der Hersteller als gewährleistet. Die Auswahlkriterien von Global 2000 für seinen Kosmetikcheck seien als Orientierungshilfe für die Verbraucher „völlig ungeeignet“ und führten daher zu einer „ungerechtfertigten Verunsicherung“, heißt es auf Website von Kosmetik transparent. Ein „tatsächlicher Einfluss auf den Hormonhaushalt im menschlichen Körper“ sei „in keinem Fall nachgewiesen“.

Auch Oberhauser sieht Handlungsbedarf

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) sieht das anders: Sie fordert den EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis auf, noch in diesem Jahr einen konkreten Vorschlag für eine Änderung der EU-Kosmetikverordnung vorzulegen. Unabhängig davon unterstütze sie Bemühungen von Kosmetikunternehmen, freiwillig auf die Verwendung von Stoffen zu verzichten, die möglicherweise endokrin wirksam sind.

Links: