Skandale und Sandalen
Die Gebrüder Coen haben einen Film über das Studiosystem Hollywoods in den 50er Jahren gedreht. Einen Film, der über viele doppelte Böden verfügt und auf zwei Arten lesbar ist: als liebevolle Woody-Allen-Groteske und als anspielungsreiches, cineastisches und bitterböses Historienlehrstück.
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Schon eine der ersten Szenen könnte von Allen stammen: Ein Rabbi, ein griechisch-orthodoxer Priester, ein katholischer Pfarrer und ein Pastor werden von den Capitol Studios eingeladen. Man zeigt ihnen den noch nicht ganz fertiggestellten Monumentalschinken „Hail, Caesar!“ und will nun ihre Meinung wissen - nicht, dass es später zu Protesten wegen der Darstellung von Jesus kommt.
Genau das ist der Job von Eddie Mannix (Josh Brolin): Skandale verhindern, noch bevor sie entstehen und zur Not Skandale vertuschen, wenn sie doch geschehen. Aber der Nachmittag mit den geistlichen Würdenträgern ist eine echte Prüfung, selbst für einen hartgesottenen Troubleshooter wie Mannix. Denn die honorigen Herren diskutieren lieber über filmästhetische Details und vor allem darüber, ob Jesus nun Gott oder Gottes Sohn war. Ab diesem Moment haben die Coens die Lacher auf ihrer Seite.
Wenn Clooney vor dem Kreuze steht
Mannix wird hier zwar fiktiv in die Capitol Studios verpflanzt, geht aber auf die historische Figur mit gleichem Namen zurück. Der echte Eddie Mannix war Publicitymanager von MGM und dort, ähnlich wie sein Pendant im Film, als „Fixer“ tätig: So nannte man jemanden, der unkonventionell Probleme aus dem Weg schafft. In „Hail, Caesar!“ wird etwa die Schwangerschaft eines unverheirateten Stars thematisiert - und wie das geregelt wird, geht wiederum auf die Affäre rund um 20th-Century-Fox-Star Loretta Young zurück.

Universal Pictures
Er liegt darnieder, der große Star: George Clooney
Zu viel sei über die Details der Handlung hier nicht verraten, denn diese ist ohnehin recht dünn. Den roten Faden durch den Film liefert jedenfalls die Entführung des „Hail, Caesar!“-Hauptdarstellers Baird Whitlock. George Clooney darf dank dieser Rolle im Sandalenkinolook über Filmsets laufen und vor dem Kreuze Jesu eine Wandlung vom Saulus zum Paulus mit so viel Herzschmerz vollführen, dass nicht nur dem Filmteam auf der Leinwand, sondern auch so manchem Zuschauer im Kino kurz die Tränen kommen dürften.
Staraufgebot nicht um seiner selbst willen
Auch hier gibt es historische Anspielungen am laufenden Band, auf „Quo Vadis“ (1951) und „Ben Hur“ (Remake von 1959). Und hinter den Kulissen wüten die Kommunisten und unterwandern das System. Süffisant lassen die Brüder Ethan und Joel Coen die Paranoia der McCarthy-Ära bezüglich des angeblich infiltrierten Hollywood wahr werden. Grandios ist auch die Pointe mit dem Sowjet-U-Boot und dem Hollywood-Star, dazu der Dialektikdiskussionszirkel der Drehbuchautoren und mittendrin der höfliche, bescheidene, nicht immer allzu intelligent wirkende Whitlock/Clooney.

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Josh Brolin als Eddie Mannix, Tilda Swinton als Klatschreporter-Zwillinge
Clooney kann viele Facetten seines Talents ausspielen - vom dramatischen Römerauftritt über seine angestammte Rolle als umworbener Superstar bis hin zum liebenswerten Naivling. Auch in den Nebenrollen überzeugt die prominente Schauspielerriege. Tilda Swinton amüsiert als Klatschreporter-Zwillingspaar. Ralph Fiennes bekommt als Regisseur eines ernsthaften Dramas (erinnert an „Vom Winde verweht“) vom Studioboss den Cowboyfilmstar (Alden Ehrenreich) - der nur Cowboyslang und breitbeinigen Reiterschritt kann - als Hauptdarsteller vorgesetzt. Die Doppelconference der beiden ist phänomenal.
Zwei Szenen für die Ewigkeit
Die spektakulärsten Auftritte bleiben jedoch Scarlett Johansson und Channing Tatum vorbehalten. Johansson tritt als Diva auf, die eine wundervolle, spektakuläre Wasserballettnummer samt Sprung aus großer Höhe absolviert. Selbstverständlich ist auch diese Szene eine filmhistorische Reminiszenz („Million Dollar Mermaid“, 1952). Tatum tritt in einer humoristischen Matrosentanznummer auf, die eigentlich besser ist, als man es je in einem historischen Film gesehen hat - und dazu unverhohlen und humorvoll mit Homoerotik spielt.
Interview mit George Clooney
Der neue Film der Coen-Brüder wurde kürzlich bei der Berlinale präsentiert. „Kultur.montag“ traf die Hauptdarsteller George Clooney, Josh Brolin, Channing Tatum und Alden Ehrenreich zum Interview.
Die Homophobie des alten Hollywood bekommt noch an anderer, für die Handlung zentraler Stelle ihr Fett ab. Schließlich rangierte die Schwulen- damals nicht weit hinter der Kommunistenparanoia. Wer alles über die skandalösen Vorbilder für „Hail, Caesar!“ wissen will, dem sei Lou Lumenicks Artikel in der „New York Post“ empfohlen. Allerdings wird da recht viel über die Handlung des Films verraten. Vor dem Trailer hingegen braucht man sich nicht zu fürchten, er verschweigt Details und ist außerdem ein Kunstwerk für sich.
Von wegen Hass auf Hollywood
Das „Wall Street Journal“ hat sich übrigens zur etwas obskur anmutende These verstiegen, die Coen-Brüder würden in dem Film ihren Hass auf Hollywood abarbeiten und zu diesem Behufe einen überkritischen und absichtsvoll schlecht gemachten Film über Hollywood drehen. „Hail, Caesar!“ ist aber beides: Eine Verballhornung der Doppelmoral des alten Studiosystems und eine Verneigung vor der Kunst des Kinos - zu einer Zeit, wo der Film in erster Linie visuelle Wunderkammer und Zirkuszelt war. Was wäre das für eine Liebe, in der man alle Zumutungen verdrängt, anstatt sie anzusprechen?
Simon Hadler, ORF.at
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