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Den Haag nimmt Ermittlungen auf

Die Marshallinseln haben im Kampf gegen Atomwaffen einen ersten Erfolg vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag erzielt. Nach einer Klage des kleinen Inselstaates im Pazifik nahm das höchste UNO-Gericht erste Ermittlungen gegen drei Atommächte auf.

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Der IGH in Den Haag teilte am späten Freitagabend mit, dass zwischen 7. und 16. März Anhörungstermine angesetzt wurden. Die Marshallinseln wollen versuchen, den Gerichtshof davon zu überzeugen, ein Verfahren gegen Indien, Pakistan und Großbritannien einzuleiten.

Vorwurf des Vertragsbruchs

Die Inselgruppe wirft den Staaten vor, das nukleare Wettrüsten nicht zu beenden. Die Regierung der Marshallinseln ist der Ansicht, dass die Staaten die Vereinbarungen des Atomwaffensperrvertrags brechen – auch wenn Indien und Pakistan den Vertrag nie unterschrieben haben.

Im Fall von Indien und Pakistan will der Gerichtshof nun aber erst einmal feststellen, ob er für das Verfahren tatsächlich zuständig ist. Die Anhörung zu den Vorwürfen gegen Großbritannien, werde sich dagegen in erster Linie mit den bereits von London erhobenen Einwänden beschäftigen. Entscheidungen über zukünftige Verfahren würden dann zu einem späteren Zeitpunkt getroffen, so der Gerichtshof.

„David gegen Goliath“

Die ursprüngliche - bereits 2014 eingegangene - Klage der Marshallinseln richtete sich gegen neun Länder. Die Liste umfasste damals China, Großbritannien, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan, Russland und die USA. Ein Berater der Regierung des Inselstaats sagte damals nach Einreichung der Klage: „Ich sehe das persönlich als eine Art David gegen Goliath.“ Der damalige Außenminister der Marshallinseln, Tony de Brum, sagte: „Unser Volk hat durch diese Waffen katastrophalen und irreparablen Schaden erlitten.“ Die Inselgruppe werde dafür kämpfen, dass niemand auf der Erde erneut diesen Gräueln ausgesetzt werde.

Fast zwei Jahre nach Einbringung der Klage nahm der IGH aber nur gegen Großbritannien, Indien und Pakistan Ermittlungen auf - da die drei Staaten die Autorität des Gerichts bereits in der Vergangenheit akzeptiert hätten, wie es aus Den Haag hieß.

Atomtests hinterließen Verwüstung

Das Vorgehen des kleinen Inselstaats mit gerade einmal 55.000 Einwohnern kommt nicht von ungefähr. Die Marshallinseln haben eine lange Atomwaffengeschichte. Zwischen 1946 und 1958 führten die USA wiederholt Nukleartests auf den Inseln durch. Im März vor 62 Jahren zündete das US-Militär auf dem zur Inselgruppe gehörenden Bikini-Atoll die Wasserstoffbombe „Bravo“ - es war die stärkste je von den USA verursachte thermonukleare Kernexplosion.

Atombombentest auf dem Bikini-Atoll

Public Domain

Ein Sinnbild der Zerstörungskraft: der „Bravo“-Test auf dem Bikini-Atoll

Mit 15 Megatonnen war der Sprengkörper tausendmal so stark wie die auf Hiroshima abgeworfene Atombombe „Little Boy“. Der nukleare Niederschlag beschränkte sich nicht nur auf das Korallenriff, sondern erreichte auch die benachbarten Inseln.

Zahlungen ausständig

Bis heute gilt das Bikini-Atoll als praktisch unbewohnbar. Die Einwohner wurden bereits 1946, als die USA mit den ersten Atomtests begannen, umgesiedelt. In den 70er Jahren wurde einer Gruppe von Einwohnern die Rückkehr gestattet. Sie mussten das Atoll aber bereits 1978 wegen der erhöhten Strahlenbelastung der Umwelt wieder verlassen.

Am 5. März 2001 beschloss das Nuclear Claims Tribunal, dass die USA an die ehemaligen Einwohner des Atolls und ihre Nachfahren eine Gesamtzahlung von rund 1,1 Mrd. US-Dollar zu zahlen haben. Wie viel von dem Geld tatsächlich bezahlt wird, ist offen. Denn der Beschluss ist kein verbindliches Urteil. Bisher flossen erst 150 Mio. Dollar aus einem Kompensationsfonds der USA.

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