Geld auch ohne Filialen
Manchmal geht es schnell. Wo eben noch eine Bankfiliale war, verkauft jetzt ein Ein-Euro-Shop Billigwaren. Oder die Räume bleiben überhaupt leer: Hinter trüben Fenstern setzen Bankschalter und Bürostühle Staub an. Foyerschließungen gehören im österreichischen Bankensektor mittlerweile zum Alltag. Und mit den Bankfilialen verschwinden zumeist auch die Bankomaten.
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Wien-Neubau ist eines der Paradebeispiele: Im siebenten Wiener Gemeindebezirk ist abseits der Mariahilfer Straße kaum noch ein Geldautomat zu finden. Noch weiter reichen die Auswirkungen am Land. In vielen kleinen Orten findet sich gerade einmal die Filiale einer Bank - mitsamt dem einzigen Bankomaten im Umkreis von zig Kilometern. Stellt die Bank dort ihr Kundengeschäft ein, bedeutet das zumeist auch für den Geldautomaten das Ende.

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Bankschild abmontiert - Mietwerbung aufgeklebt: das Ende einer Bankfiliale
Die nackten Zahlen scheinen der erlebten Wirklichkeit allerdings zu widersprechen: Laut der Statistik der Österreichischen Nationalbank (OeNB) werden die Bankomaten in Österreich seit Jahren nicht weniger, sondern mehr. Fast 8.800 Geldautomaten waren 2015 in Österreich in Betrieb – über 700 mehr als noch fünf Jahre zuvor. Anfang 2016 ist diese Zahl noch um einige Dutzend gestiegen. Und dennoch ging die Zahl der Bankfilialen im gleichen Zeitraum um rund 100 zurück. Wie geht das zusammen?
Banken nicht mehr allein am Markt
Die Antwort liegt in Bankomaten ohne Bank. Zwar stehen die meisten Geldautomaten in Österreich noch immer in oder vor Bankfoyers und werden von Payment Service Austria (PSA) betrieben, einem Unternehmen das zu 100 Prozent den österreichischen Banken gehört. Aber PSA ist eben nicht mehr allein auf dem heimischen Markt.

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Gar nicht so leicht zu entdecken in all dem Pink - ein Bankomat für die nächste Fernreise
2008 begann das E-Commerce-Unternehmen First Data damit, Bankomaten in Österreichischen Spar-Supermarktfilialen zu installieren. Mittlerweile betreibt das in den USA beheimatete Unternehmen nach PSA-Angaben rund 1.200 solcher Geräte – längst nicht mehr nur in Supermärkten. Als dritter und bisher mit Abstand kleinster Bankomatbetreiber ist seit einiger Zeit Euronet – auch hier sitzt die Konzernzentrale in den USA - in Österreich tätig. Noch beschränkt sich das Unternehmen vor allem auf Wien. Die Euronet-Bankomaten stehen in der Bundeshauptstadt zumeist im Freien auf öffentlichen Plätzen.
Mindestens 2.000 Transaktionen pro Monat
Wie rechnet sich das für die bankunabhängigen Unternehmen? Und wie schauen die Verträge aus, die Bankomatbetreiber etwa mit Supermärkten schließen? Eine ORF.at-Anfrage bei der Österreich-Niederlassung von Euronet blieb ohne Antwort. Beim Konkurrenten First Data hieß es hingegen, man dürfe und könne über das eigene Geschäftsmodell keine Auskunft geben.
Ein Einblick, wie das Unternehmen seine Geräte finanziert, lässt sich dennoch gewinnen - etwa in jenen Gemeinden, wo ein Bankomat von First Data installiert wurde. Mindestens 2.000 Behebungen pro Monat verlangt das Unternehmen für den kostenfreien Betrieb. Für jede Transaktion, die am Monatsende auf diese Zahl fehlt, werden 45 Cent fällig. Für jede Buchung jenseits der 2.000 zahlt First Data hingegen fünf Cent an den Vertragspartner.
Diese Angaben finden sich etwa im Protokoll einer Gemeinderatssitzung im niederösterreichischen Grabern aus dem Jahr 2013. Laut First-Data-Website ist der Ort zurzeit eine von 18 Gemeinden, für die das Unternehmen einen Bankomat betreibt.
Teure Geräte und Wartung
Deutlich mehr Transaktionen als Voraussetzung nannte im Mai vergangenen Jahres hingegen der Geschäftsführer der Tiroler Raiffeisenbank Oberland, Roger Klimek. Er sprach gegenüber der Tiroler Tageszeitung von 33.000 bis 36.000 Behebungen im Jahr, um einen Bankomaten ohne Verlust führen zu können. Im Monat sind das also rund 3.000.

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Dieser Bankomat kommt ganz ohne Bank aus
Tatsächlich ist das Aufstellen und Betreiben eines Bankomaten nicht billig. Zwischen 30.000 und 70.000 Euro kostet allein das Gerät. Dazu kommen noch die laufenden Kosten wie Befüllung, Wartung und Sicherheitsmaßnahmen wie Alarm und Überwachung. Alles in allem fällt so jedes Jahr eine Summe von mehreren Tausend Euro pro Standort an – Kosten, die Bankomatbetreiber natürlich wieder hereinbringen müssen. Und Einnahmen gibt es für die Betreiber immer dann, wenn jemand mit einer „fremden“ Bankomatkarte Geld behebt.
60 bis 90 Cent pro Behebung
Bei jeder Transaktion wird eine Gebühr fällig. In Österreich übernimmt diese - bis auf wenige Ausnahmen - die kartenausstellende Bank. Mit konkreten Zahlen, wie viel die Zahlung tatsächlich ausmacht, geizt der Bankensektor. Die Summe dürfte aber zwischen 60 und 90 Cent liegen. In dieser Größenordnung bewegen sich die Gebühren, die - Stichwort Ausnahme - manche westösterreichische Banken, wie etwa die Raiffeisenbanken Tirol, von ihren Kunden verlangen. Und zwar immer dann, wenn diese bei einem institutsfremden Bankomaten Geld beheben.
Bankunabhängige Betreiber wie First Data nehmen somit bei jeder Transaktion Geld ein. Bei Automaten von Banken bringen die eigenen Kunden hingegen keine Einnahmen– die Bank kann sich die Behebung kaum selbst berechnen. Das mag auch die Diskrepanz zwischen den genannten 2.000 und 3.000 nötigen Behebungen pro Monat erklären.
Nullsummenspiel Bankomat
Bleibt die Frage, ob Bankomaten in Österreich tatsächlich die nötige Kundenfrequenz erreichen. Ein Blick auf die jüngsten Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank zu Anzahl der Bankomaten und der getätigten Transkationen zeigt: An die 246 Millionen Mal wurde in Österreich im Jahr 2014 bei einem Bankomaten Geld behoben. Bei etwas über 8.700 Geräten macht das pro Bankomat und Monat im Schnitt 2.350 Behebungen. Das Betreiben von Bankomaten scheint hochgerechnet ein Nullsummenspiel zu sein – und manches Mal vielleicht sogar ein Verlustgeschäft.
Für Banken mag das unangenehm, aber am Ende tragbar sein. Schließlich sind die Automaten für die Geldinstitute auch eine Form des Services an ihren Kunden – die ja ohnehin in den meisten Fällen für ihre Konten zahlen. Anders sieht es für bankunabhängige Betreiber aus. Sie müssen mit ihren Geräten Gewinn machen. Standorte mit wenig Frequenz werden sie also eher meiden.
Martin Steinmüller, ORF.at
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