„Die Academy hat ein Problem“
Zum zweiten Mal in Folge sind keine Schwarzen für die Oscars nominiert. Die Aufregung ist groß, erste Boykottankündigungen für die Gala trafen ein. Rassismus scheint dem Preissystem innezuwohnen - und hat mit der Zusammensetzung der Jury zu tun. Doch das Problem liegt noch tiefer.
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Die Nichtnominierung schwarzer Schauspieler bei den Oscars zum zweiten Mal in Folge zieht Boykottaufrufe nach sich. „Wir können das nicht unterstützen“, schrieb der afroamerikanische Filmemacher Spike Lee auf Instagram und fand in US-Schauspielerin Jada Pinkett-Smith prominente Unterstützung. Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs reagierte darauf mit einer ihrer sonst seltenen Aussendungen.

Reuters/Mario Anzuoni
Spike Lee: „Wir können das nicht unterstützen“
Sie sei „untröstlich und frustriert“ ob der fehlenden Vielfalt unter den Nominierten, schrieb Isaacs in einem Montagnacht (Ortszeit) veröffentlichten Statement. Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) unternehme drastische Schritte, um die Zusammensetzung der Vereinigung vielfältiger werden zu lassen. „Es ist Zeit für große Veränderungen“, so die Afroamerikanerin. „Unser Auftrag ist Inklusion in allen Belangen: Geschlecht, Rasse, Ethnie und sexuelle Orientierung.“
Veränderungen greifen zu langsam
Diese ist offenbar bisher nicht gegeben, wie eine Studie der „Los Angeles Times“ aus dem Jahr 2014 aufzeigte. Laut dieser waren zu dem Zeitpunkt 94 Prozent der rund 6.000 Academy-Mitglieder, die über Oscar-Nominierungen und -Gewinner entscheiden, weiß und 77 Prozent männlich. Das Durchschnittsalter betrug 63 Jahre. Einzelne Jurys sind sogar komplett weiß und männlich. Isaacs bedauerte, dass in den vergangenen Jahren in Gang gesetzte Veränderungen „nicht so schnell eintreten, wie wir uns das gewünscht hätten“. Sie kündigte größere Anstrengungen an.
Ein Mitglied, das sich mit der Akademie nicht identifiziert, ist David Oyelowo. Im Vorjahr trotz seiner vielgepriesenen Darstellung als Martin Luther King in „Selma“ bei den Oscar-Nominierungen übergangen, kritisierte der Schauspieler die Academy bei einer Gala zu Ehren von Isaacs am Montagabend in Los Angeles (Ortszeit) scharf. „Die Academy hat ein Problem“, sagte der Brite, „ein Problem, das gelöst werden muss.“ Es sei eine Sache, wenn schwarze Darsteller in einem Jahr in sämtlichen 20 Darstellerkategorien fehlten. „Aber dass das dieses Jahr wieder passiert, ist unverzeihlich.“
Problem liegt tiefer
Laut Regisseur Lee ist das Problem nicht beim Filmpreis selbst zu suchen, sondern bei den Verantwortlichen in den Hollywood-Studios. Diese würden Filmrollen, die Aussicht auf einen Oscar haben, nicht mit dunkelhäutigen Schauspielern besetzen. Einer der Gründe sei der Mangel an schwarzen Entscheidungsträgern in der US-Filmindustrie. „Es ist einfacher für einen Schwarzen, US-Präsident zu werden, als ein Studio zu führen“, schlussfolgerte Lee, der erst im November von der Academy für sein Lebenswerk geehrt wurde.

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Jada Pinkett-Smith: Wider das „Betteln um Anerkennung“
Unterstützung erhielt Lee von Pinkett-Smith. Ihrem Ehemann, Hollywood-Star Will Smith, waren Chancen auf eine Nominierung für seine Rolle im Footballdrama „Erschütternde Wahrheit“ („Concussion“) gegeben worden. Er ging aber ebenso leer aus wie seine schwarzen Kollegen Michael B. Jordan („Creed: Rocky’s Legacy“), Idris Elba („Beasts of No Nation“) sowie das Ensemble des Hip-Hop-Hits „Straight Outta Compton“. „Das Betteln um Anerkennung oder sogar das Fragen danach verringert Würde und verringert Macht, und wir sind würdevolle Menschen und mächtig“, sagte Pinkett-Smith in einem auf Facebook veröffentlichten Video. „Ich werde nicht bei der Oscar-Verleihung sein und ich werde sie mir nicht anschauen.“
Boykott des Moderators?
Die Oscar-Academy hatte am Donnerstag die Nominierungen bekanntgegeben. Kurz darauf startete in Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag „#OscarsSoWhite“ die Kritik am Fehlen schwarzer Oscar-Anwärter. Moderiert wird die Preisverleihung am 28. Februar vom schwarzen Komiker Chris Rock, der sich mit Kritik an der fehlenden Diversität ebenfalls nicht zurückhielt: Auf Twitter bezeichnete er die Oscars als „weiße Version der BET Awards“ - jener Preise, die alljährlich dezidiert an afroamerikanische Künstler vergeben werden. Ob auch er sich dem Boykott anschließt, wird sich weisen.
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