Themenüberblick

Wendepunkt auf vielen Ebenen

Als zweiter Golfkrieg ist die Operation „Desert Storm“ in die Geschichte eingegangen. Binnen weniger Wochen befreite ab 17. Jänner 1991 eine von den USA angeführte Allianz das Emirat Kuwait von irakischen Invasoren. Es war ein Wendepunkt nicht nur auf geopolitischer Ebene. Der Krieg hatte Folgen, die bis heute nachwirken. Und es war eine völlig neue Art, wie Kriege geführt und medial begleitet werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der irakische Staatschef Saddam Hussein hatte am 2. August 1990 irakische Panzer in Kuwait einrollen lassen, um das wohlhabende Ölemirat zu annektieren. Der UNO-Sicherheitsrat verhängte nicht nur ein Embargo gegen den Irak, sondern billigte schließlich auch die Anwendung von Gewalt, um die irakische Besatzung zu beenden.

Völlig neue geopolitische Konstellationen

Fünf Monate später startete die US-geführte „Operation Wüstensturm“. US-Präsident George Bush senior feierte das Vorgehen gegen den Irak als epochale Wende und Beginn einer „historischen Periode der Kooperation“ zwischen den bisher verfeindeten Supermächten USA und Sowjetunion.

Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zogen nämlich die beiden wieder an einem Strang. Der gegen den Zerfall seines Imperiums kämpfende sowjetische Präsident Michail Gorbatschow stimmte nämlich UNO-Sanktionen und einer Ermächtigung zum Einsatz von Gewalt gegen den Irak zu. An dem Waffengang unter Führung der USA nahmen auch arabische Staaten wie Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien teil. Noch Monate zuvor wäre das in dieser Form schlichtweg undenkbar gewesen.

Mit „Brutkastenlüge“ zum „gerechten Krieg“

Auch Kriegspropaganda und -rhetorik sind bis heute beispielgebend. Hussein erklärte in einem Appell an die Nation, nun habe „die Mutter aller Schlachten“ begonnen. Zuvor hatte er westliche Touristen als Geiseln genommen und wollte sie als lebende Schutzschilde einsetzen. Er drohte Israel mit Raketenbeschuss, auch der Einsatz von Giftgas wurde befürchtet.

Die US-Regierung hatte schon im Vorfeld des Angriffs versucht, den Krieg zu rechtfertigen. Im Oktober 1990 schilderte ein 15-jähriges Mädchen vor dem Menschenrechtsausschuss des US-Kongresses Gräueltaten der irakischen Soldaten in Kuwait-Stadt. Sie habe beobachtet, wie diese in einem Krankenhaus Babys aus dem Brutkasten genommen und getötet hätten. Es wäre also ein gerechter Krieg, lautete die Botschaft - und das funktionierte.

Erst fast zwei Jahre später stellte sich heraus, dass das Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA, ihre Aussagen frei erfunden und der Trick eine Idee einer PR-Agentur war. Hussein - im ersten Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak noch enger Verbündeter der USA - wurde zum Feindbild stilisiert.

Angriff nach Ultimatum

Die Folgen des ersten Golfkriegs gelten auch als Auslöser für den Angriff des Irak auf Kuwait. Hoch verschuldet wollte Hussein mit den Ölvorkommen Kuwaits, die annähernd jenen des Irak entsprachen, sein Land sanieren. Genau das zu verhindern war freilich eines der Hauptmotive der US-Regierung, auch wenn sie eher davon sprach, sich für Freiheit und gegen Unterdrückung einzusetzen.

Raketenabwehr am nächtlichen Himmel über Bagdad

AP/Dominique Mollard

Bagdad unter schwerem Beschuss

Nach Ablauf eines UNO-Ultimatums begann eine multinationale Allianz unter US-Führung in der Nacht auf den 17. Jänner 1991 mit Luftangriffen auf den Irak. Die US-geführte Allianz war den irakischen Truppen haushoch überlegen. Vor allem technologisch, aber auch nach der Truppenanzahl. 550.000 irakischen Soldaten standen 680.000 alliierte Soldaten gegenüber, davon eine halbe Million US-Amerikaner.

Kurze Bodeninvasion

Der Irak feuerte Scud-Raketen auf Israel und Saudi-Arabien ab, die jedoch nur wenig Schaden anrichteten. Nach einigen Wochen Luftangriffen waren die irakischen Truppen so weit geschwächt, dass die am 24. Februar begonnene Bodeninvasion gerade einmal 100 Stunden dauerte. Am 27. Februar war Kuwait-City befreit, US-Präsident Bush sen. verkündete eine Waffenruhe, er schreckte vor einer Entmachtung Husseins mit militärischen Mitteln zurück - gegen den Rat seines „Desert Storm“-Kommandanten General Norman Schwarzkopf. Der hatte sich dafür ausgesprochen, die irakischen Streitkräfte zu zerstören.

Machtvakuum nach dem Krieg

Möglicherweise hätte damit Schlimmeres schon damals verhindert werden können, meinen manche Beobachter. Denn der Krieg hinterließ ein Machtvakuum, in dem sich politisches Chaos auszubereiten begann. Wegen der Flugverbotszonen im Norden und Süden blieb Hussein nur die Kontrolle über den sunnitisch dominierten Zentralirak. Ein Aufstand der Schiiten im Süden wurde von der sunnitischen geprägten Staatsmacht brutal niedergeschlagen. Im Norden versuchten die Kurden, wieder eine autonome Republik gegen Bagdad zu etablieren, auch hier griff das Regime hart durch.

Vom dritten Golfkrieg zum IS-„Kalifat“

Hussein konnte sich an der Macht halten und blieb Feindbild der USA. Nach den Anschlägen von 9/11 geriet er erneut ins Visier der USA. Unter dem Vorwand, Bagdad besitze Massenvernichtungswaffen, startete die US-Invasion 2003 unter Bushs Sohn, Präsident George W. Bush, die zwar Husseins Sturz brachte, das Chaos aber alles andere als beendete.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und ihr ausgerufenes „Kalifat“ sind eine direkte Spätfolge dieses dritten Irak-Kriegs, der die Gräben zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden im Land unüberbrückbar gemacht hatte. Es bildete sich jene militante Gruppe heraus, aus der später der IS hervorging.

Und in dem von der US-Armee kontrollierten Militärgefängnis Camp Bucca im Südirak waren Männer inhaftiert, die heute zu ihrer Führungsriege gehören - auch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi soll in der Haftanstalt Bündnisse geschmiedet haben. Und der IS profitierte auch von den strategischen Erfahrung aus den sunnitischen Militärkadern Husseins.

Krieg der Bilder

In Erinnerung bleibt „Desert Storm“ aber auch als der erste Krieg, der im Fernsehen übertragen wurde. Die schwarz-grünen Videos von der Bombardierung Bagdads und die schwarz-weißen Bordkamerabilder mit Fadenkreuzen und Explosionswolken wurden zum Inbegriff eines hoch technisierten, scheinbar klinisch sauberen Krieges. Erstmals wurden „smart bombs“ („intelligente Bomben“) eingesetzt. US-General Schwarzkopf sprach bei seinen Pressekonferenzen von „chirurgischen Eingriffen“, CNN, das den Krieg ins Wohnzimmer lieferte, setzte zu einem kaum je wieder erreichten Höhenflug an.

Bildercombo zeigt einen Angriff auf ein irakisches Ziel im Fadenkreuz

AP/PA from SKY tv NEWS Bulletin

Kriegsbilder in Computerspielmanier

Technologischer „Versuchskrieg“ in „Echtzeit“

Von einem „Krieg in Echtzeit“ schrieb der französische Philosoph Paul Virilio in „Krieg und Fernsehen“. Er sprach von einem „Weltkrieg“, nicht wegen der Größe der Front, sondern wegen seiner „unmittelbaren Übertragung in alle privaten Haushalte“. Und Virilio nannte „Desert Storm“ einen „Versuchskrieg, bei dem sich der technologische Aspekt gegen die politischen und ökonomischen Aspekte durchgesetzt hat, wobei seine Nachwirkungen für diese Bereiche höchst umstritten sind“.

„Die Botschaft dieses Medienkrieges besteht weniger in der Information über die Realität der gegenwärtig stattfindenden Kämpfe als vielmehr in der Förderung der Möglichkeit zukünftiger Kriege“, schrieb Virilio. Und mit seinem Verweis auf die „Wichtigkeit des Kontrollbildschirms“ und die „Herrschaft der Satelliten“ bei „Überwachung und Ortung“ nahm er schon vorweg, was 20 Jahre später die Inbegriffe der Drohnenkriege sein sollten.

Zehntausende Tote

Ein sauberer Krieg war „Desert Storm“ freilich nicht. Allein bei einem Luftangriff auf einen Bunker in Bagdad kamen am 13. Februar 1991 300 Zivilisten ums Leben. Wie viele Iraker das Leben verloren, ist noch immer völlig unklar, Schätzungen gehen von 20.000 bis 30.000 Soldaten aus. Bei der Zivilbevölkerung gehen die Zahlen noch weiter auseinander. Rechnet man Spätfolgen wie die durch mit Uran angereicherte Munition mit ein, sind es wohl Zehntausende.

Kurz vor ihrer Flucht aus Kuwait steckten irakische Soldaten Hunderte Ölquellen in Brand und ließen rund eine Milliarde Liter Rohöl in den Persischen Golf fließen. Auch die Auswirkungen dieser Umweltkatastrophe sind bis heute spürbar.

Links: