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Popularität über Parteigrenzen hinweg

Frisch verheiratet geht der bald 72-jährige Alexander Van der Bellen ins Rennen um die Hofburg. Bessere Chancen auf das höchste Amt im Staat konnte sich bisher noch kein grüner Politiker ausrechnen, reicht Van der Bellens Popularität doch weit über die grünen Kernreviere zwischen innerstädtischem Dachausbau, bedrohtem Auwald, Biogemüseacker und ländlichem Jugendzentrum hinaus.

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Was ihn über Parteigrenzen hinweg beliebt macht, ist sein undogmatischer und sinnierender Stil. Oft genug positionierte er sich gegen seine eigene Parteilinie, etwa in der Frage der Studiengebühren, beim Freihandelsabkommen TTIP und als Kritiker der Basisdemokratie.

Des Professors Nachdenkpausen sind fast schon legendär, und seine Gabe, auch Andersdenkenden ernsthaft zuhören zu können, kann er für das angestrebte Amt ebenfalls auf der Haben-Seite verbuchen. Jovial-monarchisches Gehabe ist seine Sache nicht. Eine Festlegung gibt es allerdings: Eine FPÖ-geführte Regierung will er nicht angeloben.

Tiroler mit baltischen Wurzeln

Alexander Van der Bellen wurde 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters geboren und wuchs im Tiroler Kaunertal auf. Er studierte Volkswirtschaft und unterrichtete als Professor sowohl in der Tiroler Hauptstadt als auch in Wien.

Von Peter Pilz „entdeckt“

Zuletzt hatte der passionierte Raucher nur noch als Politpensionist agiert. Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2015 trat er nicht mehr an, nachdem er sich schon lange geziert hatte, sein 2010 per Vorzugsstimmen errungenes Mandat im Stadtparlament überhaupt anzunehmen. Das passt ins Bild, erfolgte doch auch der Start seiner politischen Karriere nicht übermäßig früh.

„Entdeckt“ wurde der Volkswirtschaftsprofessor vom grünen Mitbegründer Peter Pilz. 1992 kandidierte Van der Bellen für die Grünen für das Amt des Rechnungshof-Präsidenten, 1994 wurde er Nationalratsabgeordneter. Drei Jahre später trat er schließlich sein Amt als Bundessprecher an - damals mit dem Ziel, „die Partei endlich einmal von dieser existenzbedrohenden Vier-, Fünfprozentmarke wegzubekommen“.

Grüne groß gemacht

Im Laufe seiner elfjährigen Funktion als Bundessprecher ist Van der Bellen dies - neben der strukturellen Konsolidierung einer bis dahin stark zerstrittenen Bewegung - auch gelungen. Stand die Partei zu Beginn gerade einmal bei 4,8 Prozent, überholten die Grünen bei der Nationalratswahl 2006 mit elf Prozent knapp die FPÖ und wurden drittstärkste Kraft im Land.

Das war sein größter Erfolg. Beim Urnengang 2008 verlor die Ökopartei Stimmen, worauf der Professor abrupt und für viele überraschend das Handtuch warf. Seine womöglich größte politische Niederlage erlitt Van der Bellen allerdings schon 2002, als die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen platzten.

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