„Verletzung von UNO-Resolutionen“
Der Atomstreit mit Nordkorea eskaliert erneut: Das weithin isolierte Land hat am Mittwoch eigenen Angaben zufolge einen Atomtest durchgeführt. Der Test einer Wasserstoffbombe (H-Bombe) sei erfolgreich gewesen, hieß es in einer Erklärung im staatlichen Fernsehen. Es habe sich um eine „strategische Entscheidung“ des Staatsführers Kim Jong Un gehandelt.
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Wasserstoffbomben verfügen über eine deutlich größere Sprengkraft als Atombomben. Ein leichtes Erdbeben am Mittwoch in der Nähe des Atomtestgeländes in Kilju im Nordosten Nordkoreas hatte im Ausland sofort Spekulationen über einen neuen Atomtest ausgelöst.

APA/ORF.at
Der Erdstoß erreichte nach unterschiedlichen Angaben von Erdbebeninformationszentren in Südkorea, China, den USA und Europa eine Stärke zwischen 4,9 und 5,2 auf der Richter-Skala.
„Rang eines fortgeschrittenen Atomstaates“
„Mit dem perfekten Erfolg unserer historischen Wasserstoffbombe haben wir den Rang eines fortgeschrittenen Atomstaates erreicht“, verkündete der Nachrichtensprecher. In der von ihm verlesenen Erklärung wird zugleich versichert, dass Nordkorea niemals als Erstes Atomwaffen einsetzen wolle. „Solange die USA aber ihre bösartige Anti-Nordkorea-Politik fortsetzen, so lange werden wir nicht aufhören, unser Atomprogramm weiterzuentwickeln.“

AP/Ahn Young-joon
Auf dem Hauptbahnhof von Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, sahen Passanten die TV-Ansprache aus Nordkorea
Der für das Ausland überraschende Test wurde den Angaben aus Pjöngjang zufolge von Staatschef Kim Jong Un persönlich angeordnet. Er erfolgte zwei Tage vor dessen Geburtstag. Kim hatte erst im Dezember erstmals angedeutet, dass sein Land eine Wasserstoffbombe besitze. Nordkorea sei „ein mächtiger Atomstaat, der bereit ist, eine selbstständige Atombombe und eine Wasserstoffbombe zu zünden, um seine Souveränität zu verteidigen“, sagte er laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA.
UNO-Sicherheitsrat: Sitzung einberufen
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen rief nach dem mutmaßlichen nordkoreanischen Atomwaffentest eine Dringlichkeitssitzung ein. An diesem Mittwoch wollten die Mitglieder des Gremiums zusammentreten, um über das weitere Vorgehen zu beraten, sagte eine UNO-Sprecherin. „Auch wenn wir zurzeit noch nicht bestätigen können, dass ein Test durchgeführt wurde, verurteilen wir jegliche Verletzung der UNO-Resolutionen und rufen Nordkorea erneut auf, sich an internationale Vereinbarungen zu halten.“
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte die nordkoreanische Regierung auf, ihr Atomprogramm einzustellen. Das Land müsse die Atomwaffen und Raketen glaubhaft zerstören und sich an Verhandlungen über die nukleare Abrüstung beteiligen, so Stoltenberg.
„Ernsthafte Bedrohung“ für Japan
Das Militär und der Geheimdienst in Südkorea zweifelten unterdessen stark an den Angaben Nordkoreas über den erstmaligen Test einer Wasserstoffbombe. Militärexperten halten es für unwahrscheinlich, dass Nordkorea eine voll entwickelte Wasserstoffbombe gezündet habe, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Seoul am Mittwoch mitteilte. Die Stärke der Explosion in Nordkorea sei dafür zu schwach gewesen.
Zuvor wurde Südkoreas Vizeaußenminister Lim Sung Nam mit den Worten zitiert, Nordkoreas Atomtest sei eine Provokation und eine klare Verletzung von UNO-Resolutionen. Zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem demokratischen Südkorea herrscht seit Jahrzehnten formell noch Kriegszustand. Ende November hatten beide Länder erklärt, einen neuen Anlauf zur Entspannung nehmen zu wollen.

Reuters/Issei Kato
Japan registrierte einen starken Erdstoß in Nordkorea
Die Regierung in Japan verurteilte den Test ebenfalls scharf. „Das ist eine ernste Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes“, sagte der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe am Mittwoch in Tokio. Der Atomtest sei absolut nicht hinnehmbar. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo zitierte einen Regierungsbeamten, wonach Japan weitere Sanktionen gegen das Nachbarregime verhängen könnte.
Kritik vom Verbündeten China
Heftige Kritik kam auch vom traditionellen Verbündeten China. China sei „entschieden gegen“ den Atomtest, der „ungeachtet des Widerstands der internationalen Gemeinschaft“ ausgeführt worden sei, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Hua Chunying, am Mittwoch. „Wir fordern die Demokratische Volksrepublik Korea nachdrücklich auf, an ihrer Verpflichtung zur Entnuklearisierung festzuhalten und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Situation verschlechtern würden.“
Kurz mahnt zu Besonnenheit und Diplomatie
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) verurteilte den jüngsten Atomtest Nordkoreas „auf das Schärfste“. Kurz sieht eine „neuerliche eklatante Verletzung der Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates und eine Brüskierung der internationalen Staatengemeinschaft“.
Nordkorea stellte sich durch so verantwortungslose Schritte nur noch tiefer ins internationale Abseits, so Kurz in einer Aussendung. Zugleich mahnte er zu „Besonnenheit und Diplomatie“ als „einzige Mittel, die zu einer Entspannung führen können“. Österreich werde sich weiterhin für ein völkerrechtliches Verbot und die Eliminierung von Atomwaffen einsetzen.
EU: „Bedrohung für den Frieden“
Sollte sich das bestätigen, wäre diese Aktion ein „einer schwerer Bruch“ von Nordkoreas internationalen Verpflichtungen gemäß UNO-Resolutionen und „eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit der gesamten nordostasiatischen Region“, sagte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
Sie kündigte Gespräche mit den Außenministern von Südkorea und Japan, Yun Byung Se und Fumio Kishida, an. Die EU werde bei der anberaumten UNO-Dringlichkeitssitzung mitarbeiten, um den Atomtest zur Sprache zu bringen.
Auch die USA und Frankreich verurteilten den mutmaßlichen Atomtest Nordkoreas. „Während wir diese Angaben derzeit nicht bestätigen können, verurteilen wir jedwede Verletzung von Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats“, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA. Ähnlich lautete es aus dem Büro des französischen Präsidenten Francois Hollande. Demnach rief er zu einer „starken Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf“.
Russland: Schwere Verletzung des Völkerrechts
Das Außenministerium in Moskau reagierte ebenfalls empört: Falls Pjöngjang tatsächlich einen Nukleartest unternommen habe, wäre das eine schwere Verletzung des Völkerrechts und der UNO-Resolutionen, sagte Sprecherin Maria Sacharowa am Mittwoch laut Agentur Interfax. „Solche Aktionen können die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, die das Potenzial zu einer militärpolitischen Konfrontation haben, zur Eskalation bringen.“
Russlands erste Reaktionen waren recht gelassen ausgefallen: „Eine direkte Bedrohung Russlands durch die Aktion Nordkoreas sehe ich nicht, wenn man unsere Beziehungen mit dem Land in Betracht zieht“, sagte der Ex-Generalstabschef der strategischen Raketentruppen, Viktor Jessin.
Börsenkurse gaben nach
An der Börse in Südkorea gaben die Kurse angesichts der Entwicklung nach. Der Aktienmarkt in Japan hat am Mittwoch im Minus geschlossen. Der Tokioter Leitindex Nikkei der 225 führenden Werte ging ein Prozent tiefer aus dem Handel mit 18.191 Punkten. Belastet wurde die Börse neben dem von Nordkorea gemeldeten Atomtest allerdings auch von der Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung in China.
Nordkorea hat in der Vergangenheit bereits drei Atomtests durchgeführt, den bisher letzten im Jahr 2013. Die Vereinten Nationen haben wegen des Atom- und Raketenprogramms Sanktionen gegen das verarmte und abgeschottete Nordkorea verhängt.
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