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„Weibliche“ Problembranchen

Der Arbeitsmarkt kommt nicht aus der Krise. Die Arbeitslosigkeit stieg im Dezember 2015 erneut, wie das Sozialministerium am Montag bekanntgab. Auch wenn Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in einer Aussendung hervorhob, dass der Anstieg mit 6,1 Prozent etwas gedämpft war - von Erholung ist noch keine Spur.

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Über 475.400 Menschen waren im letzten Monat ohne feste Anstellung, also arbeitslos oder in Schulungen. Die Arbeitslosenrate lag damit bei 10,6 Prozent (nach nationaler Berechnung). Neu ist, dass die Arbeitslosigkeit bei Frauen mit 7,6 Prozent stärker stieg als bei Männern (5,2 Prozent).

Handel, Tourismus, Gesundheitsbranche

Das ist laut Sozialministerium auf eine „branchenspezifische Entwicklung“ zurückzuführen. Vor allem im Dienstleistungssektor ist die Arbeitslosigkeit derzeit sehr hoch. Die naheliegende Vermutung, dass hier vor allem die Pleiten im Handel ihre Wirkung zeigen, bestätigte sich mit Blick auf die Zahlen aber nicht. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in diesem Sektor lag mit 5,6 Prozent sogar leicht unter dem Schnitt - wobei in absoluten Zahlen mit knapp 3.000 Personen die meisten betroffen sind. Noch nicht zu spüren ist hier allerdings die Zielpunkt-Pleite, die meisten betroffenen Arbeitnehmer waren noch bis Jahresende angestellt.

Grafik zur Arbeitslosigkeit im Dezember 2015

Grafik: ORF.at; Quelle: Sozialministerium

Groß ist das Plus jedenfalls auch in anderen „typisch weiblichen“ Branchen: Im Tourismus waren 7,4 Prozent mehr und im Gesundheits- und Sozialwesen ganze neun Prozent mehr Menschen arbeitslos als im Dezember 2014.

AMS: Entwicklung abwarten

Im Gegensatz dazu läuft es in der stark männerdominierten Baubranche dank dem bisher warmen Winter relativ gut. Beim Arbeitsmarktservice (AMS) riet man deshalb auch zu Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen. Man wolle der Tatsache, dass der Anstieg bei Frauen größer ist als bei Männern, noch nicht allzu viel Bedeutung beimessen, hieß es gegenüber ORF.at. Erst müsse man die weitere Entwicklung abwarten. Bereits im Jänner 2015 war die Zahl der arbeitslosen Frauen stärker gestiegen als jene der Männer, damals allerdings mit einer kleineren Differenz.

Ein Viertel Nicht-Österreicher

Viel mehr als Frauen waren von dem neuerlichen Anstieg aber andere Gruppen betroffen: Am stärksten nahm die Arbeitslosigkeit bei Ausländern (plus 12,6 Prozent) zu, mehr als ein Viertel aller Arbeitslosen gehört mittlerweile dieser Gruppe an. Und es ist anzunehmen, dass ihr Anteil weiter steigt. Die meisten Flüchtlinge seien auf dem österreichischen Arbeitsmarkt noch gar nicht angekommen, sagte AMS-Chef Johannes Kopf in der Mittags-ZIB. Derzeit gebe es in Österreich 21.000 arbeitslose Flüchtlinge, um rund 7.000 mehr als vor einem Jahr. Im Laufe dieses Jahres dürften 30.000 bis 35.000 dazukommen, schätzte Kopf.

AMS-Chef Kopf zur Arbeitslosigkeit

AMS-Chef Johannes Kopf über die Gründe der steigenden Arbeitslosigkeit trotz des Wirtschaftswachstums und die Schwierigkeit, trotz hoher Arbeitslosigkeit offene Stellen zu besetzen.

Weiterhin schwierig ist auch die Lage für Arbeitnehmer ab 50 Jahren. Das Plus betrug 9,9 Prozent, und das, obwohl in dieser Altersgruppe in absoluten Zahlen um 58.000 mehr Menschen beschäftigt waren als im Vorjahresmonat. Das hatte aber, wie das AMS erklärte, vor allem demografische Gründe - die Arbeitnehmer werden einfach älter. Einen kleinen Effekt hatten aber auch die von der Regierung gesetzten Initiativen zur Förderung älterer Arbeitnehmer: Etwa 21.000 der genannten 58.000 älteren Beschäftigen fanden laut AMS durch diese Maßnahmen zurück zur Arbeit.

Grafik zur Arbeitslosigkeit im Dezember 2015

Grafik: ORF.at; Quelle: AMS/Sozialministerium

Immer mehr Menschen auf Arbeitsmarkt

Die Ursachen für die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit sind bekannt: Während die Wirtschaftslage weiterhin schwach ist, kommen immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt beziehungsweise bleiben länger auf diesem. Die Zahl der Zuwanderer ist hierfür ebenso ausschlaggebend wie die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen sowie das gestiegene Pensionsantrittsalter. Das führt zur paradoxen Situation, dass es trotz eines - laut Hundstorfer - „Rekordwerts“ bei den Beschäftigtenzahlen eine so hohe Arbeitslosenrate gibt.

Petra Fleck, ORF.at

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