„Sicherer, als ich es erhofft habe“
In Ägyptens Tal der Könige mehren sich Hinweise auf eine sensationelle Entdeckung. Altertumsminister Mamduh al-Damati sagte Ende Oktober bei einer Pressekonferenz in Luxor, dass Experten nach Wärmebild- und Radaraufnahmen im Grab des Tutanchamun fast sicher seien, hinter den Wänden noch weitere, geheime Kammern zu finden - und vielleicht das seit Jahrhunderten gesuchte Grab der Nofretete.
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Schon im Sommer war der britische Archäologe Nicholas Reeves mit seiner Vermutung über eine Geheimkammer hinter dem berühmten Grab des Tutanchamun an die Öffentlichkeit gegangen und war damit auf Skepsis und stellenweise auch Spott gestoßen. Die nunmehrige Untersuchung des Grabs scheint ihm zumindest laut Damati recht zu geben: „Jetzt, nach den ersten Auswertungen der Scans, sagen wir: Mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit ist da irgendetwas hinter der Wand.“
Mauerrisse daheim am Computer entdeckt
Damati erklärte, die Untersuchungen deuteten auf einen Hohlraum hinter der nördlichen Mauer hin, bei dem es sich um eine weitere Grabkammer handeln könnte. Es bedürfe aber noch weiterer Studien und Analysen der Bilder durch japanische Experten. Erst danach solle ein Arbeitsplan erstellt und die nächste Phase bei der Suche nach dem Grab der rätselhaften Pharaonengattin eingeleitet werden.

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Damati (links) und Reeves (Mitte) in Tutanchamuns Grabkammer
Seit September gehen Forscher im Tal der Könige der Theorie Reeves’ auf den Grund. Der Archäologe, der an der Universität von Arizona lehrt, hatte mit einem Aufsatz über Linienstrukturen in zwei Wänden der 1922 entdeckten Grabkammer des Kindkönigs Tutanchamun (um 1330 v. Chr.) für Aufsehen gesorgt. Er erkannte in ihnen vermauerte Durchgänge, und das auf dem Computer, ohne das Grab selbst in Ägypten untersucht zu haben.
Immerhin die Stiefmutter
Reeves’ Entdeckung ist ein Spiegelbild der neuen Methoden in der Archäologie: Er studierte am Computer einen millimetergenauen 3-D-Scan von Tutanchamuns Grab, den die ägyptische Regierung zur Dokumentation für die Nachwelt und für den allfälligen Nachbau exakter Replika hatte anfertigen lassen. Dabei entdeckte er nicht erklärbare Unterschiede in der Mauerstruktur, die er schließlich als im Nachhinein zugemauerte Durchgänge interpretierte.
Dass es gerade Nofretete sei, die sich hinter der Kammer verbergen soll, erklärt Reeves unter anderem mit der Verbindung zwischen ihr und Tutanchamun. Nofretete war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Stiefmutter und vermutlich auch seine Vorgängerin als Pharaonin. Die nunmehrigen Untersuchungen im Tal der Könige stellen nun jedenfalls die bisherigen Experteneinschätzungen zu Tutanchamuns Grab in einem neuen Licht dar.
Tutanchamuns Grab vielleicht nur „Notlösung“
Schon bisher galt Tutanchamuns Grab als ungewöhnlich: Es ist kleiner und „verwinkelter“, als es sein müsste. Viele Thesen wurden dazu geschmiedet. Reeves’ These, dass Tutanchamuns Grabkammer nur eine umgewidmete Vorkammer zu dem Grab seiner Stiefmutter ist, erscheint angesichts der neuen Erkenntnisse nicht mehr ganz so gewagt. Ein Anhaltspunkt dafür, dass man für Tutanchamuns Grab eine „Notlösung“ brauchte, wäre zudem dessen früher Tod mit 19 Jahren.
Tutanchamuns Nachfolger war sein vormaliger Berater Eje. Es gibt zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass der frühe Tod seines Schützlings gut in die Pläne des offenbar sehr ehrgeizigen Eje passte. Unter Ejes Regentschaft wurde die Erinnerung an Tutanchamun weitestgehend mit voller Absicht getilgt. Auch das würde die These unterstützen, dass dem kindlichen Pharao gar kein eigenes Grabmal gegönnt wurde.

Reuters/Fabrizio Bensch
Die Büste der Nofretete
Von Suche nach Nofretete besessen
Die Entdeckung des Grabs von Nofretete - altägyptisch für „die Schöne ist gekommen“ - wäre eine archäologische Sensation, die jene der Entdeckung von Tutanchamuns Grab noch in den Schatten stellen könnte. Bekannt ist ihr Name vor allem auch durch den Fund der weltbekannten Büste, die 1912 vom deutschen Archäologen Ludwig Borchardt entdeckt wurde und bis heute in Berlin ausgestellt wird.
Sicherheit über ihr Grab wird wohl erst der Fund ihres Sarkophags bringen. Reeves’ Thesen müssen freilich mit Vorsicht genossen werden. Er hatte schon mit mehreren Thesen über das Grab der Nofretete aufhorchen lassen, die sich später als nicht haltbar erwiesen. Doch auch die Entdeckung anderer, kleinerer Grabkammern - etwa mit weiteren Grabbeigaben für Tutanchamun - und ihre erstmalige Öffnung nach über 3.300 Jahren wäre ein Fund von seltener Bedeutung.
„Alle Archäologie ist Zerstörung“
Für Ägypten bedeuten die Indizien für neue Funde im Tal der Könige ein Dilemma: Um sich Zugang zu der Geheimkammer - oder mehreren davon - zu verschaffen, müsste Tutanchamuns Grabkammer, eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten des Landes, angetastet werden. Reeves wollte dazu nicht Stellung nehmen, verwies aber darauf, dass bei der Öffnung auch die Auswirkungen auf die dahinter seit Epochen versiegelte Kammer bedacht werden müssten, allein schon wegen der einströmenden Luft.
„Alle Archäologie ist Zerstörung“, so der Ägyptologe. Wozu auch immer sich Ägypten entschließe, man könne es „nur einmal tun und nicht zurücknehmen“, deshalb müsse man es „schon beim ersten Mal richtig machen“. Er selbst zeigte sich jedoch schon mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden: Schließlich lasse sich „Forschung nicht immer in Wirklichkeit umsetzen“, daher sei er nun im Hinblick auf seine Thesen „sicherer, als ich es erhofft hatte“.
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