Kampfansage an Verschwendung
Die französische Nationalversammlung hat für eine Reihe von Maßnahmen im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung gestimmt. Die Abgeordneten billigten in der Nacht auf Donnerstag mit großer Mehrheit ein neues Gesetz, demzufolge Supermärkte unverkaufte, noch für den Verzehr geeignete Lebensmittel nicht wegwerfen dürfen.
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Supermärkte müssen außerdem Abkommen mit Hilfsorganisationen unterzeichnen, damit die Lebensmittel gespendet werden können. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung soll künftig in der Schule unterrichtet werden.
Verfahrensfehler im ersten Anlauf
Ähnliche Maßnahmen hatte die französische Regierung bereits in einem Ende Juli verabschiedeten Energiewendegesetz verankert. Der französische Verfassungsrat strich aber wegen Verfahrensfehlern im Gesetzgebungsprozess die entsprechenden Artikel. Die großen Handelsketten unterzeichneten daraufhin mit Umweltministerin Segolene Royal eine freiwillige Selbstverpflichtung - allerdings erst nach einigen Streitereien.
Royal hatte Druck auf die Supermarktketten erhöht und warf ihnen wiederholt vor, Chlorbleiche über weggeworfene Lebensmittel zu schütten, damit niemand auf der Suche nach Essbarem die Mülltonnen durchwühlt. Die Chefs mehrerer Supermarktketten wiesen das zurück und warfen der Ministerin vor, sich auf ihre Kosten profilieren zu wollen.
Freiwilliges Abkommen sinnlos?
Sie betonten, ohnehin schon die meisten der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Frankreichs Supermärkte spenden bereits jetzt Jahr für Jahr Tausende Tonnen Lebensmittel, bei denen das Verfallsdatum näher rückt und die deswegen aus den Regalen genommen werden. Und die konservative Opposition ortete heuer im Sommer eine Täuschung: Zwei Drittel der großen Supermärkte würden von Subunternehmern betrieben. „Selbst wenn die großen Chefs sich zu etwas verpflichten, dann sind es letztlich die Filialleiter, die entscheiden“, so der Abgeordnete Arash Derambarsh. Nur ein Gesetz könne Abhilfe schaffen.

Reuters/Philippe Wojazer
Schon jetzt werden viele Lebensmittel „Banques Alimentaires“ gespendet
Waren im Milliardenwert vernichtet
Die Kritik scheint angekommen zu sein: Nun sollen die Maßnahmen doch noch gesetzlich verankert werden. Der französische Senat wird sich Anfang kommenden Jahres mit dem Gesetzestext befassen. Das nun beschlossene Maßnahmenbündel sieht vor, dass die Händler jegliche Verschwendung vermeiden müssen: Unverkaufte Ware soll gespendet, als Tiernahrung genutzt oder als Kompost für die Landwirtschaft verwendet werden.
Dass Fleisch und Käse, Joghurt und Milch, Obst und Gemüse in die Tonne wandern, ist ein altbekanntes Problem. Zwischen 20 und 30 Kilogramm Essbares wirft durchschnittlich jeder Franzose im Jahr weg, das entspricht Lebensmitteln im Wert von zwölf bis 20 Milliarden Euro.
EU-Appell an Mitgliedsstaaten
Die sozialistische Regierung in Paris hatte sich 2012 zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis 2025 zu halbieren. In den vergangenen Wochen präsentierten Abgeordnete der Regierung 39 Vorschläge, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Einer der Vorschläge lautete, dass Franzosen in Restaurants nicht verzehrtes Essen in „Doggy Bags“ mitnehmen sollen.
Frankreich folgt damit dem Beispiel Belgiens, das im Vorjahr als erstes europäisches Land ein ähnliches Gesetz verabschiedete. Die EU hatte in der Vergangenheit an die Mitgliedsstaaten appelliert, das Ablaufdatum bei Produkten wie Kaffee, Reis, Nudeln, Hartkäse und Marmelade abzuschaffen - als einen Schritt, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen.
1,3 Mrd. Tonnen landen weltweit im Müll
Jährlich landen laut UNO-Angaben 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Abfall. Das ist rein rechnerisch etwa viermal so viel wie nötig wäre, um das Hungerproblem in der Welt zu lösen. Laut dem UNO-Welthungerbericht vom Oktober 2012 hat jeder Achte nicht genug zu essen - insgesamt sind das rund 870 Millionen Menschen. Allein die in den Industrienationen weggeworfene Menge von 300 Millionen Tonnen jährlich würde - theoretisch - reichen, diese Menschen zu ernähren.
Ein Teil der Nahrungsmittel wird weggeworfen, obwohl er noch essbar wäre - und vieles verdirbt aufgrund unzulänglicher Bedingungen. Würde der Verlust der Nahrungsmittel insgesamt eingedämmt, könnten auch die Preise sinken, hieß es. In vielen armen Ländern müssen die Menschen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Essen ausgeben.
Wie viel Europäer wegwerfen
Durchschnittlich wirft der Studie zufolge jeder Europäer und Nordamerikaner jedes Jahr zwischen 95 und 115 Kilogramm Essen weg. In Teilen Afrikas und Asiens liegt die Abfallmenge zwischen sechs und elf Kilogramm pro Kopf. In Entwicklungsländern geht ein Großteil der Nahrung bereits am Beginn der Versorgungskette verloren - etwa durch unzureichende Erntetechnik, Insekten, mangelnde Kühlung und schlechte Lagerbedingungen.
Die Verschwendung von Lebensmitteln könnte nach Ansicht von UNO-Experten durch einfache Maßnahmen eingedämmt werden. Sie fordern zum Beispiel, dass Kunden auch die weniger perfekt geformten Früchte kaufen sollten. Außerdem solle das Haltbarkeitsdatum nicht immer so streng gesehen werden.
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