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Türkische Gesetze überschritten

Mit einer mehr als zweijährigen YouTube-Blockade hat die türkische Regierung gegen die Menschenrechtskonvention zur Informationsfreiheit verstoßen. Dieses Urteil fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg.

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„Eine Blockade der YouTube-Zugänge ohne rechtliche Grundlage hat das Recht zum Empfang und zur Verbreitung von Informationen verletzt“, stellten die Richter fest und gaben damit den Klagen dreier türkischer Rechtswissenschaftler gegen Ankara statt.

Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt hatte von Mai 2008 bis Oktober 2010 den Zugang zu dem Onlinevideoportal blockiert. Anlass waren etwa ein Dutzend Videos gewesen, die als Beleidigung des Gründervaters der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, gewertet worden waren.

Auch türkische Gesetze überschritten

Damit verstieß Ankara nach Ansicht des EGMR nicht nur gegen die Konvention zur Informationsfreiheit, sondern überschritt auch die türkischen Gesetze. Diese erlaubten es nicht, den Internetzugang generell - oder im speziellen Fall den Zugang zu einer Seite - zu blockieren.

Der EGMR betonte, YouTube habe „die Entstehung eines Bürgerjournalismus ermöglicht, der die Verbreitung politischer Informationen erlaubt, die von den traditionellen Medien ignoriert werden“. Insofern sei die Blockade der Plattform ein Eingriff in die Informationsfreiheit der Einzelnen, auch wenn sich die Blockade nicht gegen sie richte.

Drei Journalisten vor Gericht

Die türkische Justiz setzte unterdessen ihren harten Kurs gegen die Medien des Landes fort. In Istanbul begann am Dienstag der Strafprozess gegen drei leitende Redakteure der Tageszeitung „BirGün“, die Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit Formulierungen in einer Schlagzeile beleidigt haben sollen. Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten nach übereinstimmenden Medienberichten jeweils bis zu vier Jahre Haft.

In der „BirGün“-Schlagzeile im Februar war Erdogan als Dieb und Mörder bezeichnet worden. Damit protestierte die Zeitung dagegen, dass Teilnehmer an regierungskritischen Demonstrationen in der Türkei wegen ähnlicher Parolen vor Gericht gestellt wurden.

Erst in der vergangenen Woche hatte die türkische Justiz zwei namhafte Journalisten wegen des Vorwurfs des Geheimnisverrats in einem Artikel über geheime Waffenlieferungen an syrische Rebellen in Untersuchungshaft gesteckt. Auch der bekannte Kolumnist Ertugrul Özkök erhielt kürzlich eine Strafanzeige wegen Präsidentenbeleidigung.

Kritik aus In- und Ausland

Seit Erdogans Amtsantritt im vergangenen Jahr gab es mehr als hundert Verfahren dieser Art. Kritiker im In- und Ausland werfen ihm und der Regierung in Ankara vor, mit immer drastischeren Mitteln gegen kritische Journalisten und Medien vorzugehen. Auch die EU beklagte vor Kurzem einen zunehmenden Druck auf die Medien im Beitrittsbewerberland Türkei. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück.

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