Video löste Proteste aus
Nach der Veröffentlichung von brutalen Videoaufnahmen tödlicher Polizeischüsse auf einen afroamerikanischen Teenager ist der Polizeichef der US-Metropole Chicago entlassen worden. Bürgermeister Rahm Emanuel sagte bei einer Pressekonferenz am Dienstag, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Polizei der Stadt sei „erschüttert und erodiert“.
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Es sei an der Zeit für eine „neue Führung, um die Herausforderungen anzugehen“. Darum habe er den bisherigen Polizeichef Garry McCarthy um den Rücktritt gebeten, so Emanuel. Die Entlassung kann auch als Versuch gewertet werden, wütenden Protesten und Blockaden der vergangenen Tage ein Ventil zu bieten. Die schwarze Protestbewegung „Black Lives Matter“ forderte zuletzt auch den Rücktritt Emanuels.
Angeklagter Polizist auf Kaution freigelassen
Auslöser der jüngsten Proteste war die Veröffentlichung eines Videos vom Oktober 2014. Auf diesem ist zu sehen, wie der weiße Polizist Jason Van Dyke den 17-jährigen Laquan McDonald mit 16 Schüssen niederstreckt. Van Dyke fühlte sich nach Angaben seiner Anwälte bedroht von McDonald, der ein kleines Messer mit sich geführt haben soll. Die Staatsanwaltschaft sah aber keine Anzeichen für Notwehr und klagte den Polizisten wegen Mordes an. Am Montag kam er gegen eine Kaution von 1,5 Millionen Dollar (1,4 Mio. Euro) vorläufig frei.
Tausende Menschen waren in den vergangenen Tagen in Chicago auf die Straße gegangen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Den Höhepunkt erreichten die Proteste vergangenen Freitag, als Tausende Menschen den Verkehr auf Chicagos Shoppingmeile Michigan Avenue blockierten und Eingänge zu Geschäften versperrten, in denen Kunden am „Black Friday“ auf Schnäppchenjagd gehen wollten. Der afroamerikanische Bürgerrechtler Jesse Jackson führte einen Protestmarsch an.
Vorwurf der Vertuschung
Die Demonstranten warfen den Behörden darüber hinaus Vertuschung vor und brachten mit der Parole „16 Schüsse - 13 Monate“ ihren Unmut über die späte Anklage des Polizisten zum Ausdruck. Das von einer Kamera auf dem Armaturenbrett eines Polizeiwagens aufgenommene Video war erst nach der Klage eines Journalisten veröffentlicht worden. Von der Polizei beschlagnahmte Aufnahmen einer Überwachungskamera eines Fast-Food-Restaurants waren Medienberichten zufolge auf mysteriöse Weise verschwunden.
Obama „tief betrübt“
Nach Bekanntwerden des Videos schaltete sich sogar US-Präsident Barack Obama in die Diskussion ein. Das Filmmaterial habe ihn „tief betrübt“, war vergangenen Donnerstag auf Obamas Facebook-Seite zu lesen. Er rief dazu auf, Trauernde am anstehenden Thanksgiving-Wochenende in Gebete einzuschließen und zeigte sich dankbar angesichts der überwältigenden Zahl an Ordnungshütern, die ehrenvoll für Sicherheit sorgten. Obama dankte besonders den Einwohnern seiner Heimatstadt Chicago, die friedlich gegen Polizeigewalt protestiert hätten.
Disziplinarbeschwerden liegen gelassen?
Gegen Van Dyke gab es laut einem unabhängigen Polizeidatenprojekt der Universität von Chicago seit 2011 mindestens 20 Beschwerden, ohne dass Disziplinarstrafen gegen ihn verhängt wurden. Die Beschwerden bezogen sich unter anderem auf übermäßigen Gewalteinsatz durch den Beamten, der 2001 bei der Polizei von Chicago angefangen hatte.
Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze sorgten bereits wiederholt für Empörung und Aufruhr in der afroamerikanischen Bevölkerung. Im Sommer 2014 hatte die Tötung des 18-jährigen Michael Brown in Ferguson im Bundesstaat Missouri schwere Unruhen ausgelöst. Der verantwortliche Polizist wurde nicht angeklagt, obwohl Brown unbewaffnet war.
Im April hatte der Tod des Schwarzen Freddie Gray im Polizeigewahrsam in Baltimore zu Ausschreitungen in der Ostküstenstadt geführt. Vergangene Woche begann mit der Auswahl der Geschworenen der Prozess gegen den ersten der sechs angeklagten Polizisten im Fall Freddie Gray.
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