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Erschreckende Lage in Cote d’Ivoire

Kinderhandel und Kindersklaverei sind in der Elfenbeinküste (Cote d’Ivoire) nach wie vor an der Tagesordnung. Die landwirtschaftliche Prägung des westafrikanischen Staates und die gleichzeitige Verarmung der Gesellschaft sind dabei die Rahmenbedingungen für die Ausbeutung von Kindern. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat das sogar noch begünstigt.

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Insbesondere im Kakaosektor ist das Ausmaß der Ausbeutung Minderjähriger erschreckend. Gesicherte Zahlen zu diesem gravierenden Problem gibt es freilich nicht - die Zahlen, die Studien oder NGOs ausweisen, sind allerdings alarmierend: Laut einer 2015 Studie der US-Universität Tulane arbeitet in Westafrika jedes dritte Kind zwischen fünf und 17 Jahren im Kakaoanbau. Die NGO Südwind spricht von 250.000 bis 500.000 betroffenen Kindern allein in der Elfenbeinküste, die unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten.

Kinder aus anderen Ländern

Die ivorische NGO Fraternite Sans Limites (FSL) geht wiederum davon aus, dass 72 Prozent der Kinder zwischen sechs und 17 Jahren an Arbeiten auf Plantagen teilnehmen mussten. Viele der betroffenen Kinder werden auch aus dem Ausland in die Elfenbeinküste gebracht: Sie werden aus den Nachbarländern, beispielsweise aus Mali und Burkina Faso, aber auch aus Dörfern im Land selbst an Arbeitgeber vermittelt bzw. verkauft.

Kinder in einem Dorf

ORF.at/Valentin Simettinger

Strukturen, die Kinderrechte schützen, gibt es in der Elfenbeinküste kaum

Die Kinder sind ungeschützt, werden körperlich und teilweise auch sexuell ausgebeutet und erhalten, wenn überhaupt, nur einen geringen Lohn. Die mangelnde Schulbildung engt die Zukunftsaussichten der betroffenen Kinder entscheidend ein - diesen Mangel an Bildung können sie nie wieder aufholen. So haben sie keine Möglichkeit, dieser Situation zu entkommen und Grundfertigkeiten zur Verbesserung ihrer Lebenssituation zu erwerben.

Ziel ist „Sensibilisierung“

„Kinderarbeit ist die Realität“, erklären die ivorischen Menschenrechtler von Fraternite Sans Limites gegenüber ORF.at. Die Organisation versucht, in den Dörfern für das Thema zu sensibilisieren. Der Platz der Kinder sei die Schule, nicht die Plantage, wird betont.

Kinder in einem Dorf

ORF.at/Valentin Simettinger

Ein Schulbesuch ist für Kinder in der Elfenbeinküste die Ausnahme

Auch ein verschärftes Gesetz gegen Kinderarbeit ist vor Kurzem in Kraft getreten, es sieht Haftstrafen von fünf bis zwanzig Jahre bzw. Geldstrafen von 500.000 bis 20 Mio. CFA-Francs (etwa 760 bis 30.500 Euro) vor. In den Dörfern wüssten die Bauern meist gar nichts von einem solchen Gesetz, heißt es vonseiten der NGO.

Kinderarbeit nahm zuletzt wieder zu

Und die Zuwachszahlen sind erschreckend: In den vergangenen fünf Jahren ist der Anteil der Kinder, die in Cote d’Ivoire in der Kakaoproduktion gefährliche Tätigkeiten verrichten mussten, um 46 Prozent gestiegen. Die Anzahl von Kindern, die missbräuchliche Kinderarbeit leisten mussten, stieg um 48 Prozent - und die Zahl jener Kinder, die in der Kakaoproduktion arbeiten mussten, nahm gar um 59 Prozent zu.

Karte zeigt die Elfenbeinküste und Nachbarländer

Grafik: APA/ORF.at

Die Elfenbeinküste liegt im Westen Afrikas und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt

Generell gaben 90 Prozent der befragten Kinder in Cote d’Ivoire und Ghana an, regelmäßig gesundheitsgefährdende Tätigkeiten zu verrichten. Dazu zählen unter anderem das Schleppen von schweren Kakaosäcken, der Umgang mit landwirtschaftlichen Chemikalien und lange Arbeitszeiten - Tätigkeiten, die laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), für unter 17-Jährige strengstens verboten sind.

Auch FSL geht davon aus, dass die Kinderarbeit in den vergangenen Jahren wieder zugenommen hat. Zu begründen sei dies im wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg 2010 bzw. in den Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs davor. Im Zuge der danach einsetzenden wirtschaftlichen Konsolidierung und der immer stärkeren wirtschaftsliberalen Ausrichtung des Landes durch die Regierung steigt der Produktionsdruck.

Armutsgefährdung bei Kakaobauernfamilien

Um Lohnkosten für Arbeitskräfte bei der Kakaobewirtschaftung niedrig zu halten, wurde zuletzt wieder verstärkt auf Kinder als Arbeitskräfte zurückgegriffen - verschärften Gesetze zum Trotz. Laut der Organisation Südwind liegt das vor allem in der Armutsgefährdung der in der Kakaoindustrie tätigen Familien begründet. Allein ein Blick auf die Bedingungen, unter denen die Bauernfamilien leben, zeigt die angespannte Situation.

Zusätzlich zur großen Unsicherheit, welche durch die Schwankungen des Weltmarktpreises verursacht werden, fehlt den Kleinbauernfamilien der Zugang zu Krediten, um etwa Ernten vorfinanzieren zu können. Zudem verfügen die meisten Bauern nur über sehr kleine Anbauflächen, vielfach nur wenige Hektar groß. Noch dazu leben die Bauern zum Teil sehr weit abgelegen, einen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung gibt es meist nicht - selbst Strom und Trinkwasser fehlen.

Diese Familien sind auf Kakao als einzige Einnahmequelle angewiesen und geraten - sofern sich nicht in abgesicherten Kooperativenstrukturen organisiert sind - nicht selten an dubiose Händler, die ihnen die Ware für weit weniger als den staatlichen Mindestpreis von 1.000 CFA-Francs (etwa 1,5 Euro) pro Kilogramm zahlen.

Einige wenige Großkonzerne

Diese kleinteiligen und teilweise instabilen Strukturen stehen im Gegensatz zur Konzentration auf dem Weltmarkt. Was dort passiert, obliegt der Steuerung einiger weniger Großkonzerne. Dazu zählt etwa Branchenprimus Mars, danach folgen Mondelez, Nestle, das japanische Unternehmen Meiji und Ferrero. Zwar haben sich die namhaften Schokoladenkonzerne verpflichtet, bis 2020 keine Kakaobohnen mehr aus Betrieben mit Kinderarbeit zu kaufen, eine Verbesserung der Situation habe das laut Südwind nicht gebracht. Vielmehr sei die Entwicklung gegenteilig verlaufen.

Valentin Simettinger, ORF.at

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