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Versuch, Mitarbeiter zu beruhigen

Der Antrag der Supermarktkette Zielpunkt auf Eröffnung eines Konkursverfahrens ist Montagavormittag am Handelsgericht Wien eingereicht worden. Das teilte die Rechtsvertretung des Eigentürmers Pfeiffer-Gruppe in einer Aussendung mit. Es sei zu erwarten, dass noch am Montag der Konkurseröffnungsbeschluss gefasst und ein Masseverwalter bestellt wird, hieß es weiter.

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„Im Vorfeld wurden bereits weitgehende Vorbereitungen zur möglichst raschen Antragstellung auf Zuerkennung von Insolvenzentgelt für die im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung rückständigen Löhne/Gehälter für November und für das Weihnachtsgeld und zur Absicherung der Eigentumsvorbehaltsgläubiger getroffen“, hieß es in der Aussendung weiter. Von der Insolvenz sind insgesamt 2.700 Mitarbeiter betroffen. Dazu kommen laut Gewerkschaft noch rund 300 Logistikmitarbeiter. Die Lebensmittelkette soll geschlossen und liquidiert werden. Als Masseverwalter der Zielpunkt GmbH fungiert der Wiener Anwalt Georg Freimüller.

Passiva bei 237 Mio. Euro

Laut dem Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) belaufen sich die Insolvenzschulden auf mehr als 210 Mio. Euro und die Passiva auf gesamt 237 Mio. Euro. Creditreform beziffert die Insolvenzschulden mit 214 Mio. Euro und das Vermögen mit 11,3 Mio. Euro, bestätigten die Zielpunkt-Anwälte Ulla Reisch und Ernst Chalupsky am Montag in einer Aussendung.

Die Verbindlichkeiten von Zielpunkt ohne Berücksichtigung von Aus- oder Absonderungsrechten würden sich auf 83,9 Mio. Euro belaufen. Zielpunkt erzielte im Geschäftsjahr 2014/15 mit 229 Filialen einen Umsatz von 438 Mio. Euro. Der Verlust belief sich zuletzt auf rund zwölf Mio. Euro.

„Mangelnde Bereitschaft der Muttergesellschaft“

Der Konkurs von Zielpunkt ist laut Creditreform unter anderem auf „die mangelnde Bereitschaft der Muttergesellschaft zur weiteren Betriebsmittelfinanzierung“ zurückzuführen. Zielpunkt gehört zur oberösterreichischen Pfeiffer-Handelsgruppe. Als weitere Insolvenzursachen orten Kreditschützer „massive Umsatzeinbrüche“ und „die gescheiterte Investorensuche“. Zielpunkt betreibt insgesamt 229 Filialen, und zwar in Wien (126), Niederösterreich (53), dem Burgenland (23) und der Steiermark (27). Für einzelne Filialen soll es bereits Gespräche mit anderen Lebensmittelketten geben.

Pfeiffer: „Profitiere nicht persönlich“

Am Sonntag verteidigte Eigentümer Georg Pfeiffer erneut die Entscheidung seiner gleichnamigen Unternehmensgruppe, die Supermarktkette nicht vor dem Aus bewahrt zu haben. Zudem nahm Pfeiffer Stellung zu den umstrittenen Immobiliengeschäften knapp vor Bekanntwerden der Zielpunkt-Pleite.

Die Pfeiffer Handels GmbH habe schon im Mai den Kauf der Immobilien, in denen Zielpunkt eingemietet ist, von der Gruppe Tengelmann eingefädelt, so Pfeiffer am Sonntagabend in der ORF-Sendung „im Zentrum“. Damit habe man die Mieten für Zielpunkt senken wollen. Der Immobiliendeal war von Pfeiffer knapp vor der Pleite von Zielpunkt bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) angemeldet worden.

Die 68 im Paket enthaltenen Immobilien seien von unterdurchschnittlicher Qualität, bei 30 werde man keinen oder nur schwer Nachmieter finden, sagte Pfeiffer. Die wenigen guten Standorte seien in Wien, und eine Expansion dorthin sei „für Unimarkt definitiv auszuschließen“. Pfeiffer bestritt, von der Pleite der Supermarktkette persönlich zu profitieren: „Pfeiffer als nationaler Anbieter im Lebensmitteleinzelhandel ist Geschichte“, so Pfeiffer im ORF. Dabei solle es bleiben.

Geld aus Immobilienkauf nicht einsetzbar

Gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ lieferte Pfeiffer eine Erklärung ab, warum das Geld aus dem Verkauf der C+C-Großmärkte an die Schweizer Firma coop nicht für die Sanierung von Zielpunkt verwendet werden könne. Das Geld stehe erst „ab Anfang 2016 zur Verfügung“, der Erlös aus diesem Verkauf werde aber sehr wohl „für den Erwerb des Trei-Immobilienportfolios verwendet“.

„Pfeiffer als Eigner verliert hier selbst, da einige schwer vermittelbare Standorte unter den erworbenen sind“, so Pfeiffer. „Ich war und bin bereit, Geld aus privaten Mitteln für einen Sozialplan zur Verfügung zu stellen“, so der Manager. Nur dürfe er das insolvenzrechtlich nicht - Stichwort: Gläubigerbevorzugung.

„So etwas kann man nicht timen“

Bei „im Zentrum“ verwahrte sich Pfeiffer auch gegen den Vorwurf, man habe absichtlich für die Insolvenz Ende November vor der Auszahlung von Weihnachtsgeld gewählt. „So etwas kann man nicht timen“, sagte Pfeiffer und wiederholte wie schon früher, dass es unerwartet im November aufgrund schlechter Umsätze keine Fortführungsperspektive für Zielpunkt mehr gegeben habe. Auch dass Zielpunkt-Gutscheine nicht ausbezahlt werden, bedauere er, aber „da gibt es juristisch null Spielraum“, sagte er.

Katzian behält sich rechtliche Schritte vor

Der Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), Wolfgang Katzian, warf ihm hingegen vor, nicht einmal probiert zu haben, gemeinsam mit der Gewerkschaft nach einer Alternative zur Insolvenz zu suchen. Für Katzian ist es nun aber wichtiger, Arbeitsplätze zu erhalten, als eine weitere Konzentration im Wiener Einzelhandel zu verhindern.

Pleitewelle im Handel

Die Zielpunkt-Pleite war Thema in der ORF-Diskussionssendung „im Zentrum“. Pfeiffer rechtfertigte die Vorgehensweise seiner Unternehmensgruppe einmal mehr.

Wenn die zwei großen (Spar und Billa, Anm.) künftig 67 statt 66 Prozent Marktanteil hätten, dann „ist mir das wurscht, wenn 1.000 Leute Arbeit kriegen“. Katzian glaubt Pfeiffer nicht, dass er erst vor zwei, drei Wochen erkannt habe, dass Zielpunkt nicht fortgeführt werden kann, die GPA behält sich rechtliche Schritte vor. Für eine solche Klage einen Beweis vorzulegen werde nicht leicht, wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in der „Kronen Zeitung“ festhielt: „Man muss nachweisen, ob hier eine bewusste Schädigung herbeigeführt worden ist, und das ist das Problem an der Sache.“

Am Montag unterstrich Katzian im Ö1-Morgenjournal einmal mehr, die Vorgänge um die Zielpunkte-Pleite genau überprüfen zu wollen. Die Gewerkschaft werde die Zielpunkt-Belegschaft in Betriebsversammlungen über die arbeitsrechliche Vorgehensweise beraten - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Differenzierte Sicht auf Preisunterschiede

Katzian sieht auch die regelmäßig von der Arbeiterkammer (AK) angeprangerten Preisunterschiede zwischen Wien und Deutschland differenzierter. Wenn man Angebote und Rabatte berücksichtige, dann „relativiert sich einiges“, sagte er in „im Zentrum“. Außerdem sei er froh, dass es in Österreichs Lebensmittelhandel viel Beschäftigung mit vollwertigen Arbeitsverhältnissen gebe und nicht Leiharbeit und prekäre Verhältnisse wie in Deutschland. Man könnte sicher ein paar Prozentpunkte „herunterbringen“, wenn man prekäre Verhältnisse hätte, so Katzian.

Zielpunkt: „Schlingerkurs“ seit 30 Jahren

Auch Handelsexperte Peter Schnedlitz meinte, unter Berücksichtigung von Angeboten bleibe kaum ein Preisunterschied zwischen Deutschland und Österreich übrig. Zielpunkt habe seit 30 Jahren eine „Schlingerkurs“ gefahren, und seit dem Verkauf an Pfeiffer sei kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen gewesen, weil es kein klares, kommunizierbares Konzept gegeben habe.

Ähnlich die Motivforscherin Helene Karmasin, die sagte: „Das Problem von Zielpunkt ist, dass es überhaupt kein Image hatte.“ Man „konnte alles kaufen zu ungefähr guten Preisen“, es habe aber „kein Erlebnis, keine Idee“ gegeben. Kunden seien nur zu Zielpunkt gegangen, wenn sie etwas brauchen, und das sei zu wenig.

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