Immer neue Versuche einer Annäherung
Der hohe Stellenwert der Anne-Frank-Tagebücher unter den Holocaust-Zeitzeugnissen kommt nicht von ungefähr, ermöglichen sie doch die Nähe zu einem Menschen, der vom „ganz normalen Mädchen“ zum Opfer wird und - im Unterschied zum lesenden Gegenüber - nicht weiß, wie es weitergehen wird. Weiterhin versuchen das Film, TV und zurzeit auch heimische Bühnen darzustellen.
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Gleich an zwei österreichischen Bühnen gab es heuer im Herbst in zwei verschiedenen Inszenierungen die Einpersonenoper „Das Tagebuch der Anne Frank“ des russischen Komponisten Grigori Frid zu sehen: im Theater an der Wien und im Landestheater Linz, wo die Aufführung bis Jänner auf dem Spielplan steht und auch von theaterpädagogischem Zusatzprogramm für jüngeres Publikum begleitet wird. Während die Aufführung in Wien konzertant gehalten wurde, geht die Linzer Version ins Szenische.
Neuverfilmung 2016
Der 2012 verstorbene Frid hatte seine Oper für kleines Ensemble, deren Libretto sich strikt an den Tagebucheinträgen orientiert, 1969 geschrieben - wenige Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen des Zeitdokuments in der Sowjetunion. Die Oper mischt Elemente moderner E-Musik mit musikalisch-motivischen Verweisen auf die Musik zu Anne Franks Zeit. Während die Wiener Produktion um Distanz zwischen Aufführung und historischer Person bemüht war, will Linz dem Publikum die Figur Annes möglichst lebendig nahebringen.
Für größeres Publikum geeignet und gedacht ist die kommende Neuverfilmung der Ereignisse. Der Streifen von Regisseur Hans Steinbichler hätte schon heuer ins Kino kommen sollen. Steinbichler war schon bisher Spezialist für „Schauspielerfilme“ und kann auch diesmal auf ein handverlesenes Ensemble zurückgreifen, in dem Martina Gedeck und Ulrich Noethen die Eltern von Anne Frank spielen und die begabte Jungdarstellerin Lea van Acken mit großer Ähnlichkeit zur historischen Anne Frank punkten kann.
ARD-Dokudrama legte Latte hoch
Der kommende Film muss sich an einer Vielzahl früherer Dramatisierungen messen. Vielleicht wurde der Filmstart auch deshalb auf März verlegt, um zumindest ein wenig Abstand zum Dokudrama „Meine Tochter Anne Frank“ zu schaffen, das im Februar als aufwendig produziertes TV-Event in der deutschen ARD lief und als „Musterbeispiel öffentlich-rechtlichen Fernsehens“ („Der Spiegel“) gelobt wurde.
Der Fernsehfilm mischte Spielszenen mit den teilweise letzten bekannten Interviews damals noch lebender Freundinnen und Freunde Anne Franks. Die Filmmacher sparten auch die Ereignisse nach dem Tod der 15-Jährigen nicht aus, etwa die Ausforschung des Wiener Polizisten Karl Silberbauer als jenen SS-Mann, der die Familie Frank verhaftete, durch Simon Wiesenthal - gegen beträchtlichen Widerstand der Politik im Jahr 1963.
Bisher insgesamt vier Oscars
Neben den Beispielen aus jüngerer Zeit gibt es allein zwei Hollywood-Verfilmungen der Theateradaption der Tagebücher: die mit drei Oscars prämierte Verfilmung des Jahres 1959 und ein Remake aus dem Jahr 1980 mit Maximilian Schell als Anne Franks Vater. Ebenfalls mit einem Oscar ausgezeichnet wurde ein Dokumentarfilm zum Thema aus dem Jahr 1995. Und schließlich gibt es noch gut ein halbes Dutzend Verfilmungen (vom Fernsehfilm bis zur Miniserie) für TV-Anstalten, die zu einem Großteil auch als Internetvideos zu finden sind.
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