Mit nacktem Oberkörper in der Kälte
Aus Protest gegen den Flüchtlingsstau an der griechisch-mazedonischen Grenze haben sich am Montag mehrere Flüchtlinge den Mund zugenäht. Die Männer stammen nach eigenen Angaben aus dem Iran und harren schon seit Freitag zusammen mit Hunderten anderen Flüchtlingen auf den Bahngleisen im Niemandsland zwischen Griechenland und Mazedonien aus.
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Sie nähten mit einem Faden ihre Lippen zusammen und schrieben sich auf Englisch die Worte „Nur Freiheit“ und „Iran“ auf Brust und Stirn. Sie drohten zudem mit einem Hungerstreik. Weitere Flüchtlinge harrten mit nackten Oberkörpern teils ebenfalls mit Schriftzügen in der Kälte aus.

APA/AFP/Robert Atanasovski
Flüchtlinge aus dem Iran protestierten mit nacktem Oberkörper in der Kälte
Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak
Die Balkan-Länder Mazedonien, Serbien und Kroatien hatten am Donnerstag damit begonnen, nur noch Flüchtlinge aus bestimmten Konfliktgebieten einreisen zu lassen. Die Grenze passieren durften seither nur noch Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Andere Schutzsuchende werden an der Grenze pauschal abgewiesen.
Am griechischen Grenzübergang Idomeni strandeten daraufhin mehr als tausend Menschen - vorwiegend aus Pakistan, dem Iran, Marokko, Bangladesch und Algerien -, denen die Einreise verweigert wurde.
UNCHR warnt vor humanitärer Katastrophe
Helfer des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR befürchten eine humanitäre Notlage unter den Hunderten Schutzsuchenden, die derzeit an der Grenze Griechenlands zu Mazedonien auf die Weiterreise warten. Rund 900 Menschen seien nahe dem Ort Idomeni in Zelten untergebracht, die wenig Schutz vor dem nahenden Wintereinbruch böten, sagte UNHCR-Mitarbeiterin Stella Nanou am Montag telefonisch der APA. Im Moment sei die Lage friedlich, berichtete Nanou. Die Schutzsuchenden protestierten allerdings dafür, die Grenze nach Norden überschreiten zu können. Vier Iraner hätten sich den Mund zugenäht und einen Hungerstreik angekündigt, um ihre Weiterreise zu erwirken.
Andere Flüchtlinge gaben inzwischen auf, sagte die UNHCR-Mitarbeiterin. 150 Menschen seien von den Helfern von Idomeni nach Athen zurückgebracht worden. Man habe sie über die Möglichkeit informiert, in Griechenland um Asyl anzusuchen. Der „Rückstau“ von Tausenden Flüchtlingen in Griechenland könnte das von einer anhaltenden wirtschaftlichen Rezession geplagte Land weiter unter Druck setzen, sagte Nanou. Bleibe die Grenze für viele Schutzsuchende dicht, brauche es mehr Einsatz der EU. „Wir hoffen auf mehr Hilfe aus Europa für Griechenland“, sagte sie.
Kritik von Hilfsorganisationen
Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki gab sich in der Flüchtlingsfrage am Montag erneut hart. Sein Land werde „alle notwendigen Maßnahmen und alle Ressourcen“ zum Grenzschutz und zur Verhinderung eines unkontrollierten Zustroms von „Wirtschaftsmigranten“ ergreifen, sagte er Skopje. Als „Wirtschaftsmigranten“ bezeichnen Kroatien, Serbien und Mazedonien eben seit vergangener Woche alle Flüchtlinge, die nicht über einen syrischen, irakischen oder afghanischen Reisepass verfügen.
Hilfsorganisationen haben diese pauschale Abweisung von Schutzsuchenden aus bestimmten Nationen ohne Einzelprüfung zuletzt heftig kritisiert. Erst am Sonntagabend hatte der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov vor gewaltsamen Auseinandersetzungen gewarnt und mehr Hilfe vonseiten der EU gefordert.
Balkan-Route: Zahl geht zurück
Mazedonien, Serbien und Kroatien liegen auf der Balkan-Route, über die Hunderttausende Menschen in EU-Länder fliehen. Ein Großteil von ihnen will nach Deutschland weiterreisen. Besonders viele Menschen kommen aus dem Bürgerkriegsland Syrien und den Konfliktgebieten Irak und Afghanistan. Aber auch Flüchtlinge aus Afrika wie etwa aus dem autoritär regierten Eritrea wollen in Europa ein neues Leben beginnen.

Grafik: Map Resources/ORF; Quelle: iMap
Die Balkan-Hauptrouten
Die Zahl der Flüchtlinge auf der Balkan-Route ist allerdings zu Wochenbeginn merklich zurückgegangen. Grund dürften die strengeren Einreisebedingungen sein. Rund 2.000 Schutzsuchende weniger als noch vergangene Woche träfen derzeit täglich in Serbien ein, sagte Rados Djurovic vom Belgrader Asylhilfezentrum am Montag gegenüber der APA. Ähnlich war die Lage in Slowenien, wo am Sonntag lediglich 5.200 Flüchtlinge ankamen. Das war zwar mehr als am Samstag, als nur knapp 3.000 Menschen das Land erreichten, lag aber weiter deutlich unter dem Durchschnittswert von 7.000 bis 8.000 Ankünften pro Tag in den Wochen zuvor.
Rückgang auch in Spielfeld
Mit einigen Tagen Verspätung macht sich der Rückgang seit Sonntag auch an der österreichisch-slowenischen Grenze bemerkbar. Im steirischen Spielfeld kamen am Sonntag lediglich 3.500 Schutzsuchende an und damit halb so viele wie noch in der Woche davor. Polizeisprecher Leo Josefus sagte gegenüber der APA, der Rückgang könnte möglicherweise von Dauer sein. Neben den verschärften Einreisebestimmungen am Balkan spiele auch das schlechtere Wetter sowie der vermehrte Transport der Flüchtlinge über Kärnten eine Rolle. Dort kommen seit Samstag nicht nur wie bisher 1.600 Menschen täglich mit dem Zug aus Slowenien, sondern zusätzlich auch noch 1.600 weitere mit Bussen durch den Karawankentunnel.
Hochrangiges Treffen
Dennoch forderten der Präsident Sloweniens, Borhut Pahor, und seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic am Montag eine weitere Beschränkung des „Flüchtlingsstroms“. Dazu bedürfe es Vereinbarungen der Länder entlang der Balkan-Route, sagten sie nach einem Treffen in Ljubljana.
Eine entsprechende Erklärung sollen demnach auch die Teilnehmer eines Treffens von Balkan-Staaten am Mittwoch in Zagreb unterzeichnen. Erwartet werden die Staatsoberhäupter der Westbalkan-Länder Kroatien und Slowenien sowie US-Vizepräsident Joe Biden, EU-Ratspräsident Donald Tusk, der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundespräsident Heinz Fischer.
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