Hochamt der Nerds zu Gast in Wien
Mit rund 15.000 Besuchern ging am Sonntag die erste Vienna Comic Con zu Ende: Neben (Ko-)Stars aus Serien wie „Game of Thrones“ und „Breaking Bad“ standen vor allem die aufwendigen Kostüme der Fans im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Frauen sind auf diesen Events längst keine Randerscheinung mehr - doch der richtige Umgang mit ihnen muss erst noch gefunden werden.
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In den USA zählen die Comic-Großveranstaltungen in San Diego und New York jährlich mehr als 100.000 Besucher. Auf solchen Events werden Film- und Fernsehhighlights angekündigt, Hollywood-Größen stehen ihren Fans Rede und Antwort. Die Comic-Con ist seit Jahren ein Riesengeschäft - und hat jetzt auch Wien erreicht. Wenn auch in anderen Dimensionen: Die erste Vienna Comic Con füllte mit 15.000 Besuchern zwar nur eine Halle des Messegeländes, und die ganz großen Stargäste blieben aus, doch schon jetzt ist sie das wichtigste Comic-Event der Hauptstadt.

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Bunte Kostüme sorgten für Aufsehen auf dem Messegelände Wien
Längst geht es dabei nicht mehr nur um Comics: Die Conventions umfassen Fantasy, Science-Fiction, Computerspiele, Kostümwettbewerbe und alles andere, was im Entferntesten zum Nerd-Dasein dazugehört. Und da es spätestens seit der Fernsehserie „Big Bang Theory“ vollkommen in Ordnung ist, sich an solchen Themengebieten zu erfreuen, ist die Comic Con in den vergangenen Jahren zu einer fixen Größe innerhalb der Popkultur avanciert.
Frauen als große Unbekannte
Vorbei sind damit auch die Zeiten, in denen nerdige Themen als reine Männerdomänen verschrien waren. Das Publikum auf der Vienna Comic Con ist bunt durchmischt: Frauen und Männer aus allen Altersgruppen sind vertreten, viele von ihnen in aufwendig gestalteten Kostümen. Klassiker wie „Star Wars“ sind beliebt bei Jung und Alt, die Instagram-Generation bedient sich bevorzugt an neueren Serien wie „Gravity Falls“ und „Adventure Time“.

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Eine Teilnehmerin des „Cosplay“-Wettbewerbes mit leuchtenden Flügeln
Dass Frauen offensichtlich genauso gerne Comics lesen, stellt amerikanische Verlage seit geraumer Zeit vor das Problem, wie man der „neuen“ Zielgruppe entgegenkommt, ohne bisherige - männliche - Leser zu vergraulen. Und stößt dabei auf enormen Widerstand: Die Entscheidung der Disney-Tochter Marvel, den Hammer ihres Superhelden Thor in Zukunft von einer Frau schwingen zu lassen, wurde von vielen Fans im Internet kritisiert - schadete den Verkaufszahlen aber letztendlich nicht.
„Game of Thrones“-Stargast im Interview
Während Marvel und Erzrivale DC („Batman“) noch nach einem Erfolgsrezept suchen, um die weibliche Leserschaft für sich zu gewinnen, setzen Autoren bei kleineren Verlagen längst auf Charaktere, die sich in erster Linie nicht durch ihr (verkaufsfördernd knapp bekleidetes) Äußeres definieren. Besonders beliebt und Dauerbrenner bei den Verkaufsständen der Comic Con ist Brian K. Vaughans „Saga“, das mit gleich acht begehrten Eisner-Awards ausgezeichnet wurde.
Doch der Umgang mit weiblichen Charakteren ist kein Problem, das ausschließlich Comics vorbehalten ist, wie Schauspielerin Jessica Henwick im Gespräch mit ORF.at erklärt: „Ich wollte unbedingt einen Charakter spielen, der die Story vorantreibt und nicht bloß Dekoration ist. Dafür habe ich erst viele Rollen ablehnen müssen.“ Umso glücklicher sei sie, dass sie nun die Chance habe, in „Game of Thrones“ (als Nymeria Sand) mitzuspielen.
Unbestätigten Berichten zufolge gehört Henwick auch dem Cast des neuen „Star Wars“-Films an. Obwohl der Filmstart nur noch wenige Wochen entfernt ist, hüllt sich Neo-Franchise-Inhaber Disney in Schweigen. Fragen über Henwicks Science-Fiction-Zukunft werden sofort von ihrem Manager unterbrochen, sie selbst fragt augenzwinkernd: „Star what?“, und lässt ihre Fans bei einer der Panel-Diskussionen im Dunkeln.
Knappe Outfits, strenge Regeln
Optisches Highlight der diesjährigen Comic Con war der „Cosplay“-Wettbewerb, bei dem das beste Kostüm prämiert wurde. Für die Jury konnte LeeAnna Vamp verpflichtet werden, die mit weit über einer halben Million Fans in Sozialen Netzen als Star der Cosplay-Szene gilt. Ausgezeichnet wurde eine über drei Meter große „Transfomers“-Nachahmung, die sich gegen die anderen Kostüme aus den Bereichen Manga, TV und Videospiel durchsetzen konnte.

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Weibliche Bösewichte aus dem DC-Universum
Auch abseits der Showbühne verdrehten die diversen Kostüme dem Publikum den Kopf - und machen damit einmal mehr auf die Situation von Frauen in Comics und Manga aufmerksam: Die knappen Kostüme sollen in erster Linie nicht sexy sein, wie einige Cosplayer auf Nachfrage erklären. Stattdessen orientiert sich die Darstellung im Normalfall genau an der Vorlage - die jedoch allzu oft nur spärlich bekleidet ist.
Dass das nicht alle Fans verstehen dürften, verdeutlicht ein eigens entworfener Verhaltenskodex für die Vienna Comic Con, der jede Form von Belästigung mit einem sofortigen Verweis ahndet. Im Gespräch mit den Cosplayern erzählen einige wenige von unangenehmen Begegnungen mit ihren „Fans“. Beunruhigend seien aber vor allem Kommentare in Sozialen Medien, wo im Schutz der Anonymität schnell Grenzen überschritten werden können.
Ein Event für alle (Frauen sind mitgemeint)
Der Großteil der Fans begegnet den Kostümierten aber respektvoll: Vor Fotos wird gefragt - ob eine Umarmung erlaubt ist, entscheiden die Verkleideten. Kritik gibt es vonseiten mancher Besucher auf Nachfrage nur für die Aktion eines Elektrofachmarkts: Mit „Booth-Babes“ wurde um Aufmerksamkeit für den eigenen Stand geworben. Diese Werbestrategie ist vor allem auf Messen in den USA seit einiger Zeit verpönt - und auch in Wien wird das Vorgehen unter den Comic-Fans zum Teil heftig kritisiert.
Auf Conventions wird die weibliche Leserschaft sichtbar gemacht - gleichzeitig zeigen knappe Kostüme und der extra für die Messe verfasste Verhaltenskodex, dass die Branche noch immer Aufholbedarf hat. Beim Verlassen der Vienna Comic Con am Ende des Tages wird schnell klar: Die erschöpften Gesichter vor der Halle gehören Frauen und Männern aller Altersgruppen. Comics sind im Mainstream angekommen.
Florian Bock, ORF.at
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