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Manche werden für Steuer Kredit brauchen

Schon ganz am Anfang des Ringens um die Steuerreform war die größtmögliche Schonung für den „kleinen Häuslbauer“ beim Vererben und Verschenken ein großes Politthema. Gemessen daran wurden die Details für die kommenden Änderungen im Steuerrecht reichlich spät bekannt: Erst jetzt kann man als Betroffener ungefähr abschätzen, ob man noch vor Jahreswechsel seine Verhältnisse ordnen sollte.

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Am 10. November legte das Finanzministerium den Entwurf zu jener Verordnung vor, die erste Rechnungen für die Eigentümer von Wohnungen, Häusern, Grund und Boden zulässt. Immer noch geht es aber nur um einen Entwurf, dessen Begutachtungsfrist am 1. Dezember endet, der danach eventuell noch überarbeitet wird und frühestens knapp vor Jahreswechsel feststeht. Allein das findet die Rechtsanwaltskammer „unzumutbar für die Bürger“, wie ihr Präsident Rupert Wolff gegenüber ORF.at sagte.

Empörung über „zurückgehaltene“ Rechenformel

Das „lange Zurückhalten des Berechnungsschlüssels“ ist für Wolff „unverständlich“, hätte doch das Ministerium im Interesse der Betroffenen „zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit schaffen“ müssen. Das Finanzministerium weist diesen Vorwurf gegenüber ORF.at zurück: Die Steuerreform habe „in einem zeitlich sehr begrenzten Rahmen auf die Beine gestellt werden müssen“, zwischen der Einigung auf die Eckpunkte und dem Inkrafttreten seien „nur neun Monate Zeit für die Umsetzung“ geblieben.

Auf das Gerücht, dass die Verordnung schon seit August fertig ist und zur Einschränkung steuerschonender Immobilienübertragungen liegen gelassen wurde, will das Ministerium gar nicht eingehen. Außerdem versteht man dort laut eigener Darstellung die Aufregung nicht: Die Verordnung behandle ja „lediglich“ die „exakte Höhe der Bemessungsgrundlage“. Die Notariatskammer will das nicht so stehen lassen: Der Berechnungsschlüssel sei „ja sogar das Wichtigste“.

„Hochrechnungsfaktoren“ je nach Postleitzahl

Bisher hätten Betroffene nur „vermuten“ können, was sich durch die Steuerreform für sie ändert, stellt Notar und Kammer-Vertreter Markus Kaspar gegenüber ORF.at klar. Erst jetzt könne man sich ein Bild von der „konkreten Ausgestaltung der Steuerbelastung im nächsten Jahr“ machen. Er sieht einige Härten auf Betroffene zukommen, Anwalt Wolff ebenso: In „Einzelfällen“ würden die Betroffenen „nicht in der Lage sein, die Steuer zu bezahlen“ und „Kredit aufnehmen“ müssen.

Ab 2016 wird sich die Besteuerung von Immoübertragungen nicht mehr am Einheitswert bemessen, sondern will dem Marktwert nahe kommen. Neben der Qualität der Bebauung geht es dabei vor allem um die Lage. Das Ministerium hat dazu „Hochrechnungsfaktoren“ für jede Postleitzahl festgelegt. Damit muss man den Basiswert (Grundstücksgröße mal Bodenwert) dann multiplizieren. Wie sich nun nachlesen lässt, geht der Faktor bis in die Verzehnfachung - und darüber hinaus.

Meist teurer und manchmal sehr viel teurer

Wenn Boden vor längerer Zeit einigermaßen billig erworben wurde, die Einheitswerte niedrig geblieben sind und die Gegend inzwischen aufgewertet wurde, dann kann die neue Steuer richtig ins Geld gehen. Den Spitzenwert der Hochrechnungsfaktoren nimmt etwa Hallwang bei Salzburg mit 12,5 ein. Aber auch in weniger luxuriösen Gegenden können die Steigerungen beträchtlich sein: So hat das Ministerium den Hochrechnungsfaktor für den 21. Wiener Gemeindebezirk bei 7,0 angesetzt.

Trotzdem warnen Notare und Anwälte einhellig vor Panikreaktionen. Es sollten nur jene vor Jahreswechsel Immoübertragungen machen, die „schon zuvor daran gedacht haben“, empfiehlt Wolff. Auch Kaspar will „vor unüberlegten voreiligen Vertragsabschlüssen warnen“. Beide weisen außerdem darauf hin, dass die Steuer in Einzelfällen auch sinken kann. Dabei geht es vor allem um Böden und Immobilien unterhalb eines Werts von rund 250.000 Euro in „schlechten Lagen“. Für 17 Orte weist die Tabelle des Ministeriums einen Hochrechnungsfaktor von 0,5 auf.

Wer noch zum Notar oder Anwalt gehen sollte

Für alle, die jetzt schon sicher sind, wer das Haus, den Boden oder die Wohnung „einmal bekommen soll“, könnte sich zumindest ein Beratungsgespräch bei einem Notar oder Anwalt lohnen - wenn sie denn einen Termin bekommen: Kaspar berichtet von „so starkem Andrang, dass es fast nicht mehr machbar ist. Mehrstündige Beratungsgespräche schaffe ich nicht mehr.“ Wolff spricht ebenfalls von „riesigem Andrang“ und Kollegen, die „Sonderschichten schieben“.

Als Zeitpunkt für die Bemessung der Steuer zählt die Unterschrift unter einem Schenkungs- oder anderem Vertrag. Wie lange sich dann die Gemeinde und Finanz mit Grundbucheintrag und Steuerbescheid Zeit lassen, ist egal. Kleine Details, etwa in welchem Zimmer eines Hauses man auch nach der Schenkung ein lebenslanges Wohnrecht ausüben wolle, könnten auch später festgelegt werden, so Kaspar. Allerdings müssten schon von Anfang an „alle wichtigen Punkte fixiert“ sein - nicht zuletzt, weil sich der Fiskus all diese Verträge wohl sehr genau ansehen werde.

Lukas Zimmer, ORF.at

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