Einsatz nahe Stade de France in Saint-Denis
Bei der Suche nach dem mutmaßlichen Drahtzieher der Paris-Anschläge mit über 100 Toten, Abdelhamid Abaaoud, belagern Eliteeinheiten seit Mittwochfrüh eine Wohnung im Pariser Vorort Saint-Denis, in der sich laut Ermittlern mehrere Verdächtige verschanzt haben. Es gab heftige Schusswechsel. Drei Polizisten und eine weitere Person wurden verletzt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Unter den Todesopfern ist laut der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Frau, die sich in die Luft sprengte, als die Polizei zur Erstürmung des Gebäudes ansetzte. Drei Festnahmen innerhalb des Gebäudes wurden bisher bestätigt. „Drei Männer, die sich in der Wohnung verschanzt hatten, wurden herausgeholt und werden verhört“, erklärte die Staatsanwaltschaft. Zudem seien ein Mann und eine Frau in der Nähe des Einsatzortes festgenommen worden. Auch sie werden von Ermittlern befragt.

Reuters
Der Dschihadist und mutmaßliche Paris-Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud
Eine Person soll sich derzeit noch in der Wohnung, die seit der Früh von Eliteeinheiten der Polizei belagert wird, verschanzt halten. Bei dem Einsatz kam es zu heftigen Schusswechseln, zudem soll es mindestens sieben Explosionen gegeben haben. Über Saint-Denis kreisten Hubschrauber. Die Anrainer wurden aufgerufen, in ihren Wohnungen zu bleiben. Die Schulen von Saint-Denis bleiben laut Behördenangaben am Mittwoch geschlossen. Das belgische IS-Mitglied Abaaoud (28) soll die Anschlagserie geplant haben.
Polizei und Armee im Einsatz
Neben der Spezialeinheit RAID waren auch 50 Soldaten in Saint-Denis im Einsatz. Die Razzia fand nahe der Sportarena Stade de France statt, wo am Freitag drei Selbstmordattentäter ihre Sprengstoffgürtel zur Explosion gebracht und einen Passanten getötet hatten. Präsident Francois Hollande verfolgte nach Angaben aus seinem Umfeld mit Premierminister Manuel Valls und Innenminister Bernard Cazeneuve den Einsatz aus dem Elysee-Palast.
„Sie wollten nur Wasser und beten“
Ein Mann, der in Saint-Denis festgenommen wurde, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe auf Bitte eines Freundes „zwei seiner Kumpel“ aus Belgien in seiner Wohnung untergebracht. Der Mann sagte unter der Bedingung, dass sein Name nicht genannt wird, er habe ihnen seine Wohnung in der Rue du Corbillon 8 überlassen. „Ich sagte, ich habe keine Matratzen. Sie sagten: ‚Das ist nicht schlimm.‘ Sie wollten nur Wasser und beten. Ich habe meinen Freund zurückgerufen. Er sagte, sie kämen aus Belgien“, sagte der Mann.
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar
Razzia in Saint-Denis
Die Razzia im Pariser Vorort Saint-Denis begann in den frühen Morgenstunden. Die Gegend rund um den Einsatzort wurde von der Polizei großräumig abgeriegelt.
Er habe einen Gefallen tun wollen und nicht gewusst, dass es „Terroristen“ waren, sagte der Mann äußerst erregt. Er wurde anschließend von der Polizei in Handschellen abgeführt. Eine Freundin des Festgenommenen sagte der AFP, der Mann habe die Tür zu der Wohnung aufgebrochen. Es handle sich also um eine „Art besetzte Wohnung“. Ihren Angaben zufolge waren die Besucher aus Belgien „vor zwei Tagen“ gekommen. Das würde bedeuten, dass sie seit Montag in der Wohnung sind - drei Tage nach den blutigen Anschlägen von Freitagabend in Paris.
Spezialeinheit im Einsatz
Laut Ermittlern sind unter anderem Polizisten der Eliteeinheit RAID im Einsatz. Daneben sind auch Soldaten der Armee am Ort des Geschehens. Über Saint-Denis kreisten Hubschrauber. Die Anrainer wurden aufgerufen, in ihren Wohnungen zu bleiben. Die Schulen und Universitäten im Zentrum von Saint-Denis bleiben laut Behördenangaben am Mittwoch geschlossen.

Reuters/Benoit Tessier
Polizisten durchsuchen eine Person in der Nähe des Einsatzortes
Der Einsatz findet nahe der Sportarena Stade de France statt, wo am Freitag drei Selbstmordattentäter ihre Sprengstoffgürtel zur Explosion gebracht und einen Passanten getötet hatten. Zu der Zeit fand im Stadion das Fußballländerspiel zwischen Frankreich und Deutschland statt.

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at
Die Polizei fahndet nach mindestens einem flüchtigen Verdächtigen, dem 26-jährigen Salah Abdeslam. Laut Polizei ist er möglicherweise bewaffnet. Nach ihm wird auch in Belgien gesucht. Am Dienstagabend tauchte ein Video auf, das auf einen möglichen weiteren flüchtigen Attentäter hindeutet. Ob es sich dabei um Abaaourd handelt, ist noch unklar.
128 Razzien an einem Tag
Nach den Anschlägen läuft die Fahndung nach einem als mutmaßlicher achter Attentäter gesuchten Mann auf Hochtouren. In Frankreich ging die Polizei am Dienstag mit 128 Razzien gegen Islamisten vor. Auch Belgien verschärfte seine Sicherheitsmaßnahmen erneut. Abdeslams Bruder Mohammed appellierte am Dienstag in einem Radiointerview an den 26-Jährigen, sich der Polizei zu stellen.
Salah Abdeslam hatte zwei Autos angemietet, die nach den Anschlägen vom Freitagabend in Paris gefunden worden waren. Die Ermittler vermuten, dass er mit einem weiteren Bruder, Brahim, das Attentäterkommando bildete, das in Paris vor Restaurants und Cafes mehrere Menschen erschoss. Brahim sprengte sich schließlich vor einem Cafe in die Luft. Die Polizei durchsuchte am Dienstag ein Hotel in Alfortville bei Paris, in dem einen Tag vor den Anschlägen mit Abdeslams Kreditkarte zwei Zimmer gemietet worden waren. Das Hotel könnte den Attentätern als Stützpunkt gedient haben.
Mutmaßlicher Attentäter war in Österreich
Abdeslam hielt sich im September auch in Deutschland und Österreich auf. Er sei am 9. September zusammen mit zwei Männern von Deutschland kommend nach Österreich eingereist, teilte das Wiener Innenministerium mit. Bei einer Verkehrskontrolle habe er angegeben, dass er einen einwöchigen Urlaub in Österreich verbringen wolle - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Spur führt auch nach Österreich
Einer der Verdächtigen der Pariser Anschläge war im September in Österreich. Vor allem in Wien und Graz wurden in den letzten Tagen mehr als hundert mutmaßliche IS-Sympathisanten verhört.
Bisher vier der Selbstmordattentäter identifiziert
Bisher wurden vier der sieben bei den Anschlägen getöteten Attentäter identifiziert. Es handelt sich allesamt um französische Staatsbürger. Neun Menschen aus dem Umfeld von zwei der Attentäter saßen am Dienstag weiter in Untersuchungshaft. In Belgien wurden Strafverfahren gegen zwei Verdächtige wegen Beteiligung an den Anschlägen von Paris eingeleitet, die Abdeslam in der Nacht zum Samstag in Paris abgeholt und nach Brüssel gebracht haben sollen.
Flüchtlingsunterkunft in Rostock durchsucht
Nach den Terroranschlägen in Paris gab es am Dienstagabend aufgrund von Zeugenhinweisen einen Großeinsatz der Polizei im deutschen Rostock. Anlass war die Aussage eines Anrainers, der Abdeslam bei einer Flüchtlingsunterkunft erkannt haben wollte. Die Flüchtlingsnotunterkunft im Stadtteil Toitenwinkel sei allerdings über etwa 90 Minuten hinweg erfolglos durchsucht worden, wie ein Polizeisprecher am Mittwoch sagte. In dem ehemaligen Hotel nur wenige Kilometer vom Fährhafen entfernt leben derzeit rund 100 Zuwanderer. Der Anrainer hatte die Polizei telefonisch informiert. Der Einsatz begann kurz, bevor das Fußballländerspiel in Hannover aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde.
Links: