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Berichte über Detonationen

Zwei Tage nach den Hausdurchsuchungen in der belgischen Hauptstadt Brüssel hat die Polizei heute Vormittag eine neue Aktion gestartet. Spezialeinsatzkräfte belagerten ein Gebäude im muslimischen Viertel Molenbeek. Eine Straße wurde gesperrt. Journalisten berichteten von Detonationen. Verwirrung herrschte über die angebliche Verhaftung eines gesuchten Verdächtigen, die zunächst vermeldet und dann dementiert wurde.

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Die Polizei forderte laut dem belgischen TV-Sender RTBF via Lautsprecher die Bewohner des Hauses Nr. 47 der Rue Delaunoy auf, ihre Vorhänge zu öffnen. Und sie riefen eine im Gebäude befindliche Person auf, sich mit erhobenen Händen am Fenster zu zeigen. Die Nachbarn wurden aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen nicht zu verlassen. Die Al-Khalil-Moschee befindet sich laut RTBF in unmittelbarer Nähe des umstellten Gebäudes.

Polizeieinsatz in Molenbeek

APA/AFP/John Thys

Neuer Polizeieinsatz in dem überwiegend muslimischen Viertel Molenbeek

Festnahme dementiert

Zunächst hieß es, der international zur Fahndung ausgeschriebene Terrorverdächtige Salah Abdeslam sei verhaftet worden. Der öffentlich-rechtliche belgische Rundfunk RTBF widersprach aber einem Bericht des Privatsenders RTL, der mutmaßliche Attentäter sei in Belgien festgenommen worden.

Karte vom EU-Viertel und Molenbeek in Brüssel

Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at

Durch Polizeikontrollen geschlüpft

Die Zeitung „Le Monde“ (Onlineausgabe) berichtete am Sonntagabend, Abdeslam sei von der Polizei im nordfranzösischen Cambrai im Zuge der verschärften Grenzkontrollen überprüft worden. Im Auto seien noch zwei weitere Passagiere gesessen.

Diese Informationen passen zu Angaben des Pariser Staatsanwalts Francois Molins. Dieser hatte am Samstagabend gesagt, ein Wagen mit drei Insassen sei nahe der Grenze routinemäßig kontrolliert worden. Bei einem der Insassen habe es sich um einen Franzosen mit Wohnsitz in Belgien gehandelt, der eines der Autos gemietet hatte, das die Attentäter benutzten. Er hatte allerdings keine näheren Angaben zur Identität des Mannes gemacht.

Eine Behördenpanne scheint auch beim Steckbrief des Mannes passiert zu sein: Auf Fahndungsplakaten waren Vor- und Nachname vertauscht.

Fahndungsfoto

Police Nationale

Der Verdächtige Salah Abdeslam

Auch an belgischer Grenze kontrolliert

Laut einem Bericht des britischen „Guardian“ beruhend auf einer Meldung der Nachrichtenagentur AP soll Abdeslam sogar Stunden nach dem Attentat noch einmal von der französischen Polizei nahe der belgischen Grenze kontrolliert, nicht aber festgenommen worden sein. Zu diesem Zeitpunkt sei schon bekannt gewesen, dass Abdeslam jenen VW Polo gemietet hatte, der nahe einem Anschlagsort gefunden worden sei, zitierte AP nicht näher genannte Polizei- und Sicherheitsbeamte.

Ein Bruder Abdeslams gehörte zu den Selbstmordattentätern im Pariser Konzertsaal Bataclan, in dem fast 90 Menschen getötet wurden. Ein weiterer Bruder des 26-Jährigen wurde am Samstag in Belgien festgenommen, am Montag aber wieder freigelassen. Er werde nicht länger verdächtigt, an den Attentaten beteiligt gewesen zu sein, sagte seine Anwältin. Ihr Mandant habe ein Alibi für Freitagabend und könne deshalb nachweisbar nicht an den Anschlägen in Paris beteiligt gewesen sein. Auch vier weitere der sieben verhafteten Männer wurden wieder enthaftet.

Zwei Festgenommene stehen unter dringendem Terrorverdacht. Sie sollen am Samstag gemeinsam mit Salah Abdeslam in dem Auto gesessen sein, das von der Polizei im nordfranzösischen Cambrai im Zuge der verschärften Grenzkontrollen überprüft worden war.

Zwei Attentäter stammten aus Brüssel

Offiziell bestätigt wurde am Sonntag, dass zwei der ums Leben gekommen Angreifer aus Brüssel stammten, es handle sich um Franzosen. Die beiden Terroristen waren 20 und 31 Jahre alt. Einer stamme aus dem Stadtteil Molenbeek. Die Brüsseler Bürgermeisterin Francoise Schepmans hatte davor noch gemutmaßt, dass es sich um ein „Netzwerk“ handeln könnte.

Auf die Verbindung nach Brüssel waren die Ermittler schon am Vortag über einen VW Polo gestoßen - darum hatten die französischen Behörden auch um Amtshilfe aus Belgien gebeten. In dem Wagen gefundene Parkscheine eines Brüsseler Parkhauses brachten die Polizei auf die Spur.

ORF-Korrespondent Peter Fritz aus Brüssel

Die Ermittler konzentrieren sich nach dem Paris-Terror auf die Dschihadistenszene in Brüssel, Die Nervosität ist hoch, berichtet Peter Fritz.

Bombenalarm im Zentrum

Im Zentrum von Brüssel gab es am Montag Bombenalarm. Konkret wurde im Europaviertel ein in Frankreich zugelassenes Auto in der Rue Joseph II entdeckt, das einen verdächtigen Koffer enthielt. Die Straße wurde abgesperrt, ein Gebäude der EU-Kommission wurde sicherheitshalber geräumt. Ein Polizeiroboter untersuchte den vor dem Gebäude geparkten Pkw.

Medien: Drahtzieher aus Belgien

Unterdessen könnte der Drahtzieher der Anschläge von Paris nach Medienberichten aus Belgien stammen. Wie die belgische Tageszeitung „De Standaard“ heute unter Berufung auf belgische Sicherheitsdienste berichtete, soll es sich dabei um den polizeibekannten belgischen Dschihadisten Abdelhamid Abaaoud handeln. Mindestens einer, wenn nicht zwei der Selbstmordattentäter, seien Freunde von Abaaoud gewesen.

Der Sender RTL meldete ohne Angabe von Quellen, Ermittler hätten Abaaoud als Drahtzieher identifiziert. Abaaoud gilt bereits seit Längerem als der meistgesuchte Islamist Belgiens. Er soll sich zuletzt in Syrien aufgehalten haben. Früher lebte er in Molenbeek. Die belgische Staatsanwaltschaft wollte die Berichte nicht kommentieren und sprach von „Gerüchten“.

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