Zwei Kadetten gegen das US-Establishment
Wenn die USA Whistleblowern wie Bradley Manning und Edward Snowden gegenübertreten, dann ist das mehr als „nur“ ein Konflikt zwischen einem Machthaber und jenen, die seine brisanten Geheimnisse nach außen tragen - denn gerade die Gründerväter der Vereinigten Staaten haben sich 1778 kompromisslos zum Schutz von Whistleblowern bekannt und diesen gesetzlich garantiert.
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Das damalige Eintreten des „Zweiten Kontinentalkongresses“, des direkten Vorfahren des heutigen US-Kongresses, für die Whistleblower vor 240 Jahren müsste dazu reichen, um Washington in seiner heutigen Position zu beschämen: Heute gelten Manning und Snowden aus Washingtons Sicht als Verräter, damals stellte sich die Politik in einem weitaus brisanteren Fall hinter die beiden Seekadetten Samuel Shaw und Richard Marven, die damit als die ersten offiziellen Whistleblower der Geschichte gelten dürfen.
Ein Held, der keiner war
Shaw und Marven dienten auf der „USS Warren“, einem Schiff der revolutionären US-Marine: Die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung war gerade einmal ein paar Monate alt, der Unabhängigkeitskrieg gegen die britischen Kolonialherren der zukünftigen Nation begann sich gerade auf das ganze Land auszubreiten. Die Revolutionäre hatten in militärischer Hinsicht zu diesem Zeitpunkt alles andere als gute Karten.
Der angespannten Lage und dem Zorn auf die Briten zum Trotz wollten Shaw und Marven nicht hinnehmen, dass ausgerechnet auf ihrem Schiff britische Kriegsgefangene gefoltert und auf „die inhumanste und barbarischste Weise behandelt“ wurden. Doch damit nicht genug: Verantwortlich dafür und Haupttäter war Kapitän Esek Hopkins, verehrter „Revolutionsheld“ und obendrein Bruder von Stephen Hopkins, dem Gouverneur von Rhode Island und Mitunterzeichner der Unabhängigkeitserklärung.
Staatsbürgerpflicht Whistleblowing
Zu sagen, dass Kapitän Hopkins zu seiner Zeit politisch bestens vernetzt war, wäre noch eine grobe Untertreibung. Dazu kam die örtliche Nahebeziehung: Shaw und Marven waren wie die Hopkins-Brüder aus Rhode Island. Kein Wunder also, dass sie nach der Anzeige gegen ihren Kapitän nicht nur prompt unehrenhaft aus der Marine entlassen wurden, sondern auch vor den Gerichten von Rhode Island in Grund und Boden geklagt wurden.
Das war der Moment, in dem Shaw und Hopkins sich hilfesuchend an den Kongress wandten. Der stellte sich nicht nur einstimmig auf ihre Seite, sondern goss das auch in Gesetzesform: Seit dem 30. Juli 1778 besteht in den USA für jeden Bürger die gesetzliche „Pflicht (...), dem Kongress oder einer anderen Behörde die frühestmögliche Information über jedwede Pflichtverletzung, Betrügereien oder Vergehen“ durch Amtsträger zukommen zu lassen.
„Sam.Adams“ schaute auf Shaw und Marven
Als Zusatz beschloss der Kongress außerdem, dass der Staat die Verfahrenskosten von zu Unrecht verfolgten Whistleblowern übernehmen werde. Im konkreten Fall machte das 1.418 Dollar aus, umgerechnet auf heutige Verhältnisse fast eine halbe Million Euro. Im Kongress verbürgte sich damals ein „Sam.Adams“ dafür, dass Shaw und Marven zu ihrem Geld kommen würden - niemand anderer als US-Gründervater Samuel Adams, der mit der Boston Tea Party den Startschuss für die Unabhängigkeit der USA gegeben hatte.
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