Historiker Hans Mommsen gestorben

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Der Historiker Hans Mommsen ist tot. Er starb gestern, an seinem 85. Geburtstag, in seinem Wohnort Tutzing am Starnberger See. Entsprechende Berichte der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bestätigte das Bestattungsinstitut Zirngibl am Abend.

Mommsen widmete sich stets brisanten Themen: Der Geschichte der Weimarer Republik, des NS-Staates, des Holocaust, des deutschen Widerstandes und der Rolle der Wirtschaft im NS-Zwangsarbeitssystem.

Historiker Hans Mommsen 2004

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Forschungsfokus auf Strukturen der Macht

Er räumte auf mit der These von der überragenden Rolle Adolf Hitlers als großer Volksverführer und lenkte den Blick auf die Strukturen und Apparate der Machtausübung mit zahlreichen Tätern, Helfern, Mitwissern und Mitläufern. Eine unbequeme Sichtweise, weil sie stets die Mitverantwortung jedes einzelnen Staatsbürgers betonte.

Mommsen entstammt einer bedeutenden Historikerdynastie. Er war Urenkel von Theodor Mommsen, der für seine „Römische Geschichte“, bis heute ein Standardwerk, 1902 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Sein Vater Wilhelm Mommsen lehrte als Ordinarius Geschichte in Marburg, verteidigte zunächst die Weimarer Republik, die erste deutsche Demokratie, verstrickte sich dann aber ins NS-Unrechtssystem. Dass er nach dem verlorenen Krieg nicht auf seinen Lehrstuhl zurückkehren konnte, prägte die Kindheit Mommsens und seines Zwillingsbruders Wolfgang J. Mommsen, ebenfalls Geschichtsprofessor, der 2004 starb.

Mommsen begann seine wissenschaftliche Laufbahn am Historischen Seminar der Universität Tübingen und landete nach Stationen in München und Heidelberg schließlich an der Bochumer Ruhruniversität, wo er von 1968 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1996 als Professor für Neuere Geschichte lehrte. Außerdem war er Gastprofessor und Fellow an bedeutenden Universitäten, etwa in Harvard, Princeton und Oxford.

Auslöser kontroverser Debatten

Im berühmten Historikerstreit positionierte er sich in den 80er Jahren klar gegen die These seines Kollegen Ernst Nolte, der den Holocaust als mögliche Reaktion auf die Verbrechen der Sowjets gedeutet hatte. 1996 erschien seine große Studie über die Verzahnung von Rüstungsindustrie, Zwangsarbeit und Vernichtungsprogrammen am Beispiel des VW-Konzerns. Mit dieser Arbeit legte er auch die Grundlage für die kontroverse Debatte über eine Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern, die schließlich in der Einrichtung einer entsprechenden Stiftung mündete.

Sein bisher letztes Buch erschien 2014. Mit dem Titel „Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa“ zog er die Bilanz seiner Jahrzehnte langen Holocaust-Forschung.