Sozialkompetenz als Hürde für Automaten
Die Robotik drängt längst in immer mehr Arbeitsbereiche vor. Doch welche Jobs werden schon in kurzer Zeit von Maschinen ersetzt? Die britische BBC hat mit Hilfe eines Onlinerechners die Antwort darauf geliefert. Das Ergebnis: Manche Berufe würden schon sehr bald ohne menschliche Mitarbeit auskommen, andere hingegen seien gegen eine Automatisierung immun.
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Wer im Callcenter sitzt, kennt es nur zu gut: Jeden Tag wird derselbe Text mehrmals wiederholt, Nummern werden immer wieder in einer bestimmten Reihenfolge angerufen. Geht es nach dem BBC-Risikorechner, ist diese Arbeit mit höchster Wahrscheinlichkeit, nämlich mit 99 Prozent, bald in den Händen von Robotern.
Der Job des Callcenterverkäufers steht somit auf dem ersten Platz, wenn es um Arbeiten geht, die Roboter in den nächsten 20 Jahren genauso gut durchführen könnten. Die BBC bezieht sich dabei auf die Auswertung einer Oxford- und Deloitte-Studie aus dem Jahr 2013, die 366 Berufsgruppen umfasst.
Roboter bald als Bibliothekare?
Danach folgen verteilt auf den ersten Plätzen Qualitätsprüfer, Kanalarbeiter und etwa Bibliothekare. Bei Letzteren besteht dem Jobrechner zufolge zu etwa 50 Prozent die Chance, bald von Maschinen ersetzt zu werden. „Speziell Tätigkeiten, die häufig wiederholt werden müssen, bei denen eine hohe Genauigkeit erforderlich ist oder die hohe Stückzahlen produzieren sollen, werden bereits in hohem Maße von Robotern übernommen. Das wird sich weiter fortsetzen“, sagt Wilfried Lepuschitz vom Practical Robots Institute Austria (PRIA) im Gespräch mit ORF.at.

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Der „humanoide“ Roboter Asimo von Honda kann gehen und laufen, er ist 1,20 Meter groß und wiegt 54 Kilo
Neben Berufen mit monotonen, präzisen Tätigkeiten gibt es noch eine weitere gefährdete Gruppe. Dazu würden vor allem riskante und gesundheitsschädigende Jobs zählen, die wegen strikterer Vorschriften immer schwieriger für Menschen auszuführen seien, so Markus Vincze von der Technischen Universität (TU) Wien gegenüber ORF.at.
Psychologen und Hebammen nicht ersetzbar
Von Maschinen kaum bedroht sind hingegen etwa Psychologen, Hebammen und Krankenschwestern. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Roboter haben kein Mitgefühl. Doch auch das könnte sich bald ändern. Eine europäische Forschergruppe arbeitet seit Jahresbeginn an der Entwicklung eines „sozial kompetenten“ Roboters. Dieser soll Mimik und Gestik der Menschen verstehen und mit ihnen interagieren. In vier Jahren wollen die Fachleute erste Ergebnisse präsentieren.

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Roboter Roppie kann seine Hände menschenähnlich sehr präzise bewegen und hat eine eingebaute Dialogfunktion
„Die Pflege ist ein Bereich, in dem viel passiert“, so Vincze, „hier gibt es bereits Roboter, die Menschen beim Gehen helfen oder bei der Rehabilitation unterstützen.“ Dass Maschinen bald ganze Pflegetätigkeiten wie Waschen, Heben und Umziehen übernehmen könnten, glaubt Vincze nicht. Roboter könnten aber durchaus auch jetzt schon indirekt Leben retten: „Momentan entwickeln wir gerade ein kleines Gerät, das es schaffen soll, alle drei Stunden zu kontrollieren, ob sein ‚User‘ noch da ist.“ Der Miniroboter soll so verhindern, dass ältere Personen nach einem Sturz über einen längeren Zeitraum unbemerkt in ihrer Wohnung liegen bleiben und es zu medizinisch kritischen Eingriffen kommt, so Vincze.
Wenn Roboter operieren
Präzise Eingriffe sind u. a. auch in der Medizin notwendig und sind in neurologischen Kliniken längst Alltag. Operationsroboter haben gleich mehrere Hände und erleichtern mit diesem Tool die Arbeit der Chirurgen. Ihr größter Vorteil: Exakte Genauigkeit bei Operationen mit Schnitt.

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Der Roboter Da Vinci Xi wird während einer Operation direkt von Ärzten gesteuert, um präzisere Schnitte zu erzielen
Aber nicht nur im Pflegebereich und in der Medizin, auch im Service könnten Maschinen bald die Überhand haben: Wenn es nach der BBC geht, sind Kellner zu 90 Prozent gefährdet, bald von Robotern ersetzt zu werden. In einem Restaurant in China ist das bereits Realität. Im Robot Restaurant bei Schanghai übernehmen Maschinen die Arbeit. Nirgends wurden 2013 so viele Roboter installiert wie in China. Firmenriesen wie Amazon arbeiten ebenso schon mit Robotern: Über 15.000 setzte Amazon bereits in der Lagerlogistik ein.
„Europa hinkt im Know-how hinterher“
Roboter würden den Menschen in Zukunft aber nicht nur Jobs wegnehmen, sondern diesen auch Chancen eröffnen, wenn sie lernten, mit den Maschinen zu arbeiten, so Lepuschitz. „Quer durch alle Branchen sind die Mitarbeiter gefordert, sich entsprechend zu qualifizieren - sei es in der Logistik oder im Autowerk. Hier müssen jetzt schon viele Arbeiter wissen, wie sie mit komplexen Maschinen interagieren.“
Obwohl Roboter auch in Europa bereits in der Montage und der Logistik eingesetzt werden, fehle das nötige Know-how, so Vincze: „Wir können in China zwar momentan billiger fertigen lassen, aber wenn die Kernproduktion nicht nach Europa zurückkehrt und wir keine Experten in der Robotik haben, verlieren wir das internationale Wettrüsten.“ Dass bald Roboter neben Menschen arbeiten wie etwa bei Amazon - und das quer durch alle Branchen -, glaubt Vincze nicht: „Bis Roboter wie in Science-Fiction-Filmen neben uns arbeiten und in Erscheinung treten, wird noch einige Zeit vergehen.“
Manuela Tomic, ORF.at
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