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„Ganz Afrika“ an einem Tisch

Hochrangige Vertreter fast aller 54 afrikanischen Staaten finden sich dieser Tage in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi ein. Seit Montag läuft der Indien-Afrika-Gipfel, der Gastgeber spricht von einem „einzigartigen“ Event. Generell scheint die Zeit gekommen, Superlative zu bemühen - schließlich will sich Indien in Sachen Einfluss in Afrika mit China messen. Umstritten ist dabei nicht nur die Einladungspolitik.

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Denn der nunmehr dritte Gipfel dieser Art sollte in seiner „Einzigartigkeit“ größer und wichtiger sein als die beiden zuvor. Um die Gäste aus Afrika scharen sich Hunderte Wirtschaftsvertreter. Im Vorfeld hatte Neu-Delhi darauf bestanden, „ganz Afrika“ an einen Tisch zu bitten. Gewaltherrscher, Autokraten und mutmaßliche Kriegsverbrecher wurden nicht ausgenommen. Ganz im Gegenteil: Sie wurden explizit nach Neu-Delhi eingeladen.

„Nicht mit blindem Auge handeln“

So wurde bereits offiziell Robert Mugabe begrüßt, seit 1987 Staatsoberhaupt von Simbabwe. Ihm wird die Einreise in die Europäische Union mit Ausnahme von Besuchen von Veranstaltungen der Vereinten Nationen (UNO) und des Heiligen Stuhls verweigert, Grund sind anhaltende Menschenrechtsverletzungen seiner Regierung. Nur aufgrund seiner derzeitigen Stellung als Vorsitzender der Afrikanischen Union (AU) kam es in der EU überhaupt zu einer Ausnahme.

Robert Mugabe und Rajyavardhan Singh Rathore

AP/Manish Swarup

Simbabwes Präsident Mugabe wird in Neu-Delhi willkommen geheißen

Aufregung über Baschir-Einladung

Besonders in der Kritik steht die Einladung des sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Baschir, er wird wegen mutmaßlichen Völkermords vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) gesucht. Während des Konflikts in der sudanesischen Region Darfur starben seit 2004 etwa 300.000 Menschen; mehr als 2,5 Millionen Menschen flohen vor der Gewalt.

Menschenrechts-NGOs üben harte Kritik und fordern Neu-Delhi zu einer Festnahme Baschirs auf. „Wenn Indien eine mächtigere Position in der Welt erhalten möchte, sollte es in dieser Frage nicht mit einem blinden Auge handeln“, sagte der Chef von Amnesty International Indien, Aakar Patel. Es sei die Gelegenheit, „Führungsqualität unter Beweis zu stellen“ und dabei zu helfen, Baschir vor Gericht zu bringen, so Amnesty weiter.

Kein Interesse an Verhaftung

Doch Indien hat an einer Verhaftung offenbar kein Interesse, zweier aufrechter Haftbefehle zum Trotz. Schließlich habe man die vertragliche Grundlage (Römisches Statut) des IStGH nicht unterzeichnet. Folglich sehe man also keine Verpflichtung, den Machthaber zu verhaften, wie die Zeitung „Indian Express“ zuletzt eine Regierungsquelle zitierte.

So wurde damit gerechnet, dass Baschir bei seinem erwarteten Besuch in Indien unbehelligt bleibt. Die indische Zeitung „The Hindu“ hatte zuletzt berichtet, das Weltstrafgericht habe Indien gebeten, Baschir festzusetzen und ihn zu überstellen. Auch Nichtmitglieder seien aufgefordert, mit dem IStGH zu kooperieren.

Xi Jinping und Omar al-Bashir

AP/Kyodo/Parker Song

Neben Peking will auch Neu-Delhi Baschir empfangen

Vor knapp zwei Monaten war Baschir in China zu Gast, er wurde von Präsident Xi Jinping empfangen. Das war freilich kein Zufall, denn auch China - wichtigster Partner vieler afrikanischer Staaten in Asien - rittert unvermindert um die Gunst der afrikanischen Regierungen und legt dabei die Einladungspolitik auch so großzügig wie möglich aus.

„Starke emotionale Bindung“

Aus diesem Grund bemüht sich das offizielle Indien in erster Linie, seine Art zu denken und zu handeln von jener Chinas zu differenzieren. „Unsere Partnerschaft basiert nicht auf Ausbeutung, sondern im Mittelpunkt stehen Afrikas Bedürfnisse und Indiens Stärken“, sagte Vikas Swarup, Sprecher für das indische Ministerium für Außenbeziehungen. Die Anspielung auf die Volksrepublik China, der regelmäßig Ausbeutung und einseitige Interessen vorgeworfen werden, war damit gleich eingangs platziert.

Gruppenbild am Afrika-Indien-Gipfel

Reuters/Adnan Abidi

Die Außenminister vieler afrikanischer Länder und Indiens (in Orange)

So ist es auch kein Zufall, dass die historisch „starke, emotionale Verbindung“ zwischen Afrika und Indien von höchster Stelle im Staat hervorgehoben wird. Keinen Moment lang lässt es Premier Narendra Modi unversucht, sich mit Indien auf Augenhöhe zu den Ländern Afrikas darzustellen. Neben politischen und wirtschaftlichen Interessen spielten auch reichhaltige kulturelle Aspekte, die Indien auszeichneten, eine Rolle.

Bei Afrika und Indien handle es sich um „alte Freunde und eine alte Familie“, brachte es Indiens Handels- und Industrieministerin Nirmala Sitharaman auf den Punkt. In diesem Zusammenhang erwähnte sie die 2,16 Millionen Menschen umfassende indische Diaspora in afrikanischen Ländern. Vor Kurzem sprach Premier Modi offenbar in einem Anflug von Euphorie gar davon, China in Afrika bereits überholt zu haben.

„Mehr Selbstbewusstsein“

Von den indischen Investitionen in Afrika würden am Ende beide Seiten profitieren, sowohl den afrikanischen als auch den indischen Partnern würde „mehr Selbstbewusstsein“ verliehen, meinte Modi. Ein Gefühlszustand, der sich auch in Zahlen abbilden lässt: Indiens Handelsvolumen mit verschiedenen Ländern Afrikas belief sich im Vorjahr auf 70 Mrd. Dollar - im Jahr 2000 war er bei drei Mrd. gelegen. Zum Vergleich: Der Handel mit China machte im vergangenen Jahr 200 Mrd. Dollar (181,5 Mrd. Euro) aus.

Noch liegt Indien in Sachen Handel nach China, der EU und den USA an vierter Stelle - doch der Trend geht stark nach oben. Intensive Handelsbeziehungen unterhält Neu-Delhi vor allem mit Nigeria, Indien ist größter Importeur von nigerianischem Rohöl. Bedeutsam ist auch der Einfluss in Südafrika, Südsudan, Angola, Ägypten und Libyen. Besonders viel indisches Geld geht nach Mauritius - das Land gilt als Indiens wichtigstes Steuerparadies.

Valentin Simettinger, ORF.at

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